Leere Flure, leere Versprechen – Wie Trumps zweite Amtszeit Amerikas Menschenrechtsarchitektur zerlegt

VonRainer Hofmann

Juli 12, 2025

Es beginnt mit einem stillen Bild. Ein leerer Flur, eine verschlossene Glastür, dahinter ein Ausdruck, einfach an die Scheibe geklebt. Keine offizielle Mitteilung, kein Logo, kein Absender – aber jedes Wort ein Statement. Man liest:

„Hier saßen Amerikas Expertinnen und Experten für Demokratie, Menschenrechte (ja, dazu gehören die Rechte von Frauen, LGBTQ+ und Minderheiten), Wahlsicherheit, Meinungsfreiheit, Datenschutz, Korruptionsbekämpfung, die Bekämpfung von gewaltbereitem Extremismus und Desinformation – und mehr.
Ihr habt sie – zusammen mit Hunderten ihrer Kolleginnen und Kollegen – einfach in die Wildnis entlassen … in den Vereinigten Staaten von Amerika.“

Was aussieht wie ein stiller Abschiedsgruß, ist in Wahrheit eine politische Notiz – geklebt an die Tür eines ausgeräumten Büros, irgendwo im Herzen der amerikanischen Bundesverwaltung. Der Ort: aller Wahrscheinlichkeit nach ein Gebäudetrakt des State Department oder von USAID, genauer gesagt die früheren Abteilungen für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Was einst als Rückgrat amerikanischer Außenpolitik galt, ist nun entkernt, zerlegt, zum Schweigen gebracht.

Ein paar Schritte weiter, an einer Wand, hängt ein zweiter Ausdruck. Schlicht. Direkt. Ohne Schnörkel. Darauf steht:

„Kolleginnen und Kollegen,
wenn ihr bleibt:
LEISTET WIDERSTAND
GEGEN DEN FASCHISMUS
Erinnert euch an den Eid, den ihr geschworen habt.“

Es ist ein Appell an jene, die geblieben sind – die nicht gefeuert, versetzt oder aus der Behörde gedrängt wurden. Ein Appell an das Gewissen, nicht an das System. Und er klingt wie ein Mahnmal in Echtzeit.

Seit Donald Trump Anfang 2025 wieder ins Amt kam, wurden Hunderte Beamt:innen entlassen, ganze Fachreferate aufgelöst. Besonders betroffen: jene, die sich mit Menschenrechten, Wahlbeobachtung, Pressefreiheit, Extremismusprävention oder Antikorruption befasst hatten. Die „DRL“ im State Department – das Bureau of Democracy, Human Rights and Labor – galt einst als moralischer Kompass der US-Außenpolitik. Und das „DRG“ bei USAID – Democracy, Human Rights and Governance – als zentrale Plattform für Demokratieförderung weltweit. Heute sind diese Abteilungen de facto abgeschafft. Ihre Teams: aufgelöst, umgeschichtet, isoliert.

Wer mit Insider:innen spricht, erfährt von systematischen Versetzungen, vom Entzug von Sicherheitsfreigaben, von internen Maulkörben. Einige Mitarbeitende berichten, ihre E-Mail-Zugänge seien von einem Tag auf den anderen deaktiviert worden. Andere erhielten eine einzige Anweisung: Pack your desk. Kein Gespräch. Kein Dank. Nur Schweigen.

Dabei war ihre Arbeit keine Randnotiz. Diese Menschen schützten Aktivist:innen in Belarus, unterstützten Wahlkommissionen in Afrika, dokumentierten Übergriffe gegen Journalist:innen weltweit, entwickelten Tools gegen Online-Desinformation. Heute sind sie „freigesetzt“, wie es in den Personalprotokollen heißt. In Wahrheit: verstoßen. Donald Trump spricht öffentlich von „Säuberung“, von „deep state“, von der „Zerschlagung korrupten Einflusses“. Und was als Verwaltungsakt getarnt wird, ist in Wirklichkeit ein ideologischer Umbau: Weg mit dem Pluralismus, weg mit Menschenrechten, weg mit internationaler Verantwortung. Stattdessen: America First – und alle anderen raus. Doch es bleiben Spuren. Worte an Türen. Zettel an Wänden. Zeilen, die mehr sagen als ganze Pressemitteilungen. Und vielleicht ist genau das ihre Stärke. Denn wer diese Flure durchquert, wird sie lesen. Und sich fragen, was hier einmal war – und was hier hätte bleiben sollen.

Vielleicht werden künftige Generationen eines Tages hier stehen, vor dieser Glastür, und lesen:

„Ihr habt sie in die Wildnis entlassen … in den Vereinigten Staaten von Amerika.“

Und dann verstehen, dass der Rückzug von Menschenrechten nicht mit lauten Parolen beginnt – sondern mit dem Schweigen hinter verschlossenen Türen.

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Frank Schwalfenberg
3 Monate zuvor

Mit Menschenrechten lässt sich halt kein Geld verdienen.
Die Kettensäge, die Elon Musk in Spiel brachte, sägt weiter.
Wer sich ihr in den Weg stellen könnte wird mit umgesägt.

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Menschenrechte bringen nicht nur kein Geld, sie Kosten Geld.

Ohne kann man Menschen entrechten und ausbeuten.
Alles für noch mehr Gewinn der Autokraten, Diktatoren und Oligarchen.

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