Es klingt wie ein makabrer Scherz, ist aber politisch bitterer Ernst: In Oklahoma liegt ein Gesetzentwurf auf dem Tisch, der jede staatliche Hochschule zwingt, einen Campus-Bereich in „Charlie Kirk Memorial Plaza“ umzuwidmen. Mit Schild, mit feierlicher Widmung, mit Statue – und nicht irgendeiner. Vorgeschrieben sind entweder ein überlebensgroßer Kirk am Tisch mit leerem Stuhl gegenüber oder eine Familienszene, in der er mit seiner Frau und den Kindern in den Armen in Bronze gegossen wird. Bis 2028 soll all das Realität sein. Wer sich verweigert, muss mit Sanktionen rechnen. So sieht es der Entwurf Senate Bill 1187 vor, den republikanische Abgeordnete eingereicht haben – und der in der Logik der heutigen amerikanischen Rechten erschreckend konsequent wirkt.




Was hier passiert, ist mehr als groteske Symbolpolitik. Es ist der Versuch, Ideologen wie Charlie Kirk – Gründer von Turning Point USA, Trump-Intimus, aggressiver Kämpfer gegen Gleichstellung und gesellschaftlichen Fortschritt – als Märtyrer in den Stein der Institutionen einzuschreiben. Hochschulen, die Orte kritischen Denkens sein sollten, werden zu Pilgerstätten für einen Mann gemacht, den die Republikaner jetzt als „Stimme einer Generation“ und „Bürgerrechtsführer“ deklarieren. Bürgerrechtsführer – ausgerechnet Kirk, dessen Politik sich gegen Migranten, gegen Frauenrechte, gegen Minderheiten richtet. Die Geschichtsfälschung ist so dreist, dass sie fast schon totalitär wirkt.


Unsere Recherchen belegen, wie weit dieser Entwurf tatsächlich geht. Wörtlich heißt es im Gesetzestext, Charlie Kirk sei ein „furchtloser Verteidiger der freien Meinungsäußerung, Märtyrer für Wahrheit, Glauben und den Ersten Verfassungszusatz“. Jede Hochschule müsse daher ein „Charlie Kirk Memorial Plaza errichten, um sicherzustellen, dass künftige Generationen seinen Mut, seinen Glauben, sein Opfer und seine Beiträge zur amerikanischen Freiheit in Erinnerung behalten“. Wer die Fristen nicht einhält, wird mit Strafzahlungen belegt: „ein Prozent des Budgets pro Monat der Nichtbefolgung“.
Noch drastischer sind die vorgesehenen Strafen für jede Form von Kritik: „Jeder Student, Mitarbeiter oder Dozent, der beim Vandalismus der Charlie Kirk Memorial Plaza oder einer Statue von Charlie Kirk ertappt wird, soll sofort von Studium oder Beschäftigung ausgeschlossen werden“ – zusätzlich zu möglichen Geldbußen. Damit wird nicht nur ein Denkmalzwang durchgesetzt, sondern auch die Androhung akademischer Vernichtung gegen jeden, der wagt, Widerstand zu leisten.

Und es ist kein Einzelfall: Schon jetzt feiert Oklahoma diese inszenierte Märtyrerfigur in Großveranstaltungen. „Was für eine unglaubliche Zeit, in Oklahoma zu sein. Am vergangenen Wochenende war das ORU Mabee Center fast gefüllt mit Oklahomanern, die Jesus angebetet und sich die Zeit genommen haben, um das Vermächtnis von Charlie Kirk zu ehren“, jubelte Gabe Woolley am 15. September. Die Verschmelzung von religiöser Inbrunst und politischer Verehrung ist längst Realität – und sie dient als Vorbild für die geplante Monumentalisierung auf den Campussen.
Doch Oklahoma liefert nicht nur bei der Gesetzgebung eine Vorahnung dessen, wie eine Demokratie entkernt werden kann. Vor nicht allzu langer Zeit erschütterte eine andere Geschichte das Land: In McCurtain County wurden lokale Beamte – Sheriff, Kommissare, Ermittler – auf Band aufgenommen, wie sie über Gewaltfantasien gegen Journalisten sprachen. Sie redeten davon, Journalisten zu schlagen, sie zu töten, ihre Leichen zu vergraben. Dazu kamen rassistische Ausfälle und nostalgisches Gerede über Lynchmorde an Schwarzen. Es war ein Blick in den Abgrund einer politischen Kultur, in der Hass und Gewalt nicht mehr nur im Netz kursieren, sondern am Tisch von Amtsträgern ausgesprochen werden. Der Gouverneur, selbst ein Hardliner Kevin Stitt, sah sich schweren Herzens gezwungen, Rücktritte zu fordern. Doch der Skandal war mehr als ein Einzelfall – er war Symptom. Die Parallelen liegen offen: In einem Staat, in dem gewählte Beamte ungestraft von Lynchjustiz und Mordphantasien fabulieren, wird gleichzeitig ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Hochschulen zwingt, den Platz für die Verehrung eines rechten Agitators freizuräumen. Wer das große Ganze sieht, erkennt eine unheilvolle Dynamik: Gewaltfantasien gegen kritische Stimmen auf der einen Seite, staatlich verordnete Heldenverehrung auf der anderen. Das ist kein Zufall, das ist Strategie.
Oklahoma, der Bundesstaat, der sich längst als Versuchslabor für das postdemokratische Amerika begreift, zeigt der Welt, wohin die Reise geht. Wer die Macht hat, schreibt die Geschichte um, bestimmt, wer als Märtyrer gilt, und setzt die Presse gleich mit dem Feind. Ein Campus, der künftig eine Charlie-Kirk-Statue tragen muss, ist kein Ort der Debatte mehr, sondern eine Bühne für autoritäre Mythenbildung. Es bleibt die Frage: Wie viele Universitäten, wie viele Studentinnen und Studenten, wie viele Lehrkräfte werden diesen Zynismus schweigend hinnehmen? Und wie lange wird ein Land zusehen, wenn Demokratie und Meinungsfreiheit Schritt für Schritt von innen heraus zerstört werden – mit Gesetzen, mit Hetze, mit Gewaltphantasien aus dem Munde der Mächtigen?
Oklahoma gibt darauf schon eine Antwort. Sie lautet: Der autoritäre Umbau ist keine Zukunftsvision mehr. Er ist Gegenwart. Und er schreitet voran, Statue für Statue, Gesetz für Gesetz, Drohung für Drohung.
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Macht mich nicht cht sprachlos. Das ist wie ein düsterer Science-Fiction-Film mit starken Anleihen von “ The Handmaids Tale „. Nur leider real und in Echtzeit. Unfassbar.
👍
Das zeigt, Hass, Unmenschlichkeit, Rassismus und Gewaltphantasien sind nie weg. Sie lodern im Untergrund, bis einer die Tür öffnet, was gleichzeitig völligen Kontrollverlust bedeutet.
Die Trump-Regierung wird sich niemals gewaltfrei wegwählen lassen. Das muss den Demokraten klar sein.
trump und oklahoma, das passt einfach
Erinnert mich an die überlebensgroßen Bronzestatuen diverser Diktatoren in diversen Städten und Ländern – Totalitarismus total!
kim kirk, passt
Oklahoma schon immer ein extremer rechter Staat.
Oklahoma hat das lockerste Waffengesetz der USA.
Oklahoma hat mit das strengste Abtreibungsrecht in den USA.
In Oklahoma werden Frauen verurteilt, wenn der (Ehe) Partner die Kinder misshandelt. Selbst, wenn sie selber misshandelt werden.
In Oklahoma fällt für jeden Tag im Gefängnis eine Gebühr an.
Jede mittelständische Familie kann sich das nicht leisten.
Somit wird man mit einem riesige Schuldenberg entlassen und wer nicht zumindest in Raten abzahlt, kommt wieder ins Gefängnis.
Und jetzt kommt noch die Huldigung eines rechtsextremen Hassredners ….
Vermutlich müssen die Studenten dann jeden Morgen eine Hymne auf Kirk aufsagen.
Wann wird dieser Irrsinn gestoppt?
Ist er überhaupt noch zu stoppen?
…in oklahoma wirst du das vielleicht in 100 jahren stoppen, die kannst du nicht als normalen us-statt nehmen, die sind einfach richtig irre