„Ihr werdet behandelt wie Hamas und Antifa“ – Die neue Sprache der Macht

VonRainer Hofmann

Oktober 16, 2025

Was Mike Johnson gestern ausgesprochen, sprengte fast alle Ketten. Der Sprecher des Repräsentantenhauses sagte am Mittwoch: „Jeder, der an den „No Kings-Demonstrationen“ am Wochenende teilnimmt, um gegen die Trump-Regierung zu protestieren, ist ein Hamas-Unterstützer oder gehört zur Antifa.“ Und er fügte hinzu, solche Menschen sollten „auch entsprechend behandelt werden“.

Damit ist gesagt, dass Protest nicht mehr als Teil der Demokratie gilt, sondern als Sicherheitsrisiko. Johnson hat das Vokabular des Ausnahmezustands gewählt – und es gegen die eigene Bevölkerung gerichtet. „Behandelt werden“ – zwei Worte, die an dunkle Zeiten erinnerten. Eine Kampfansage an die Idee, dass der Staat seine Bürger schützt, nicht bekämpft. Sie verschieben das Verhältnis zwischen Macht und Gesellschaft um wenige Millimeter – genug, um das Gleichgewicht zu verlieren.

Die „No Kings-Bewegung“, die für den 18. Oktober 2025 landesweite Proteste geplant hat, auf die Johnson zielt, steht nicht für Chaos oder Gewalt. Sie steht für das Gegenteil: für die Erinnerung daran, dass Demokratie auf Kontrolle, nicht auf Gehorsam beruht. Menschen haben sich zusammengeschlossen, um daran zu erinnern, dass kein Amt über dem Gesetz steht. Dass dies nun als Bedrohung gilt, beschreibt den Zustand des Landes präziser als jede Statistik. Währenddessen herrscht in Los Angeles County, Kalifornien, weiter der Notstand – wegen rechtswidriger ICE-Einsätze. Wenn Bundesagenten ohne Absprache handeln, ist das mehr als Verwaltungsversagen. Es ist der Moment, in dem Institutionen einander nicht mehr trauen. Johnson nutzt genau dieses Klima: die Unsicherheit, die Angst, das Misstrauen. Seine Worte sind keine zufällige Entgleisung, sondern Teil einer Strategie, in der Sprache die Gewalt ersetzt, bis sie Gewalt vorbereitet. Wer Protestierende zu Terroristen erklärt, schafft die moralische Rechtfertigung für ihr Schweigen.

Beide Seiten bereiten sich vor, als stünde mehr auf dem Spiel als nur eine politische Auseinandersetzung. Man kann nur hoffen, dass es nicht vollständig eskaliert. Wenn sich selbst Journalistinnen und Journalisten fragen müssen, welche Schutzausrüstung sie zu einem Protest mitnehmen sollen, dann ist das kein Randphänomen mehr. Dann ist das der Moment, in dem eine Gesellschaft erkennt, wie weit der Staat sich bereits entfernt hat von dem, was er einmal schützen wollte.

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Laura Kirchner
Laura Kirchner
13 Stunden zuvor

Das hört sich an wie eine offene Drohung für mich… Terroristen werden mit Waffen bekampft und festgesetzt…ist jetzt nach der verbalen Zuspitzung damit zu rechnen, dass es bald so etwas wie das Tian’anmen-Massaker in den USA gibt?
Es schüttelt mich, wo soll das alles nur hinführen…
Passt auf Euch auf, Rainer, und findet rechtzeitig den Exit-Point, wenn es notwendig wird.

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