Grand Jury ohne Opfer – Die Leerstelle, die Trump und Maxwell in die Hände spielt

VonRainer Hofmann

Juli 31, 2025

Neue Eingaben des US-Justizministeriums im Fall Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell haben eine Lücke offengelegt, die brisanter kaum sein könnte. Über Jahre war die Erzählung des Skandals geprägt von geheimen Verfahren, verhüllten Akten und einer Öffentlichkeit, die zwischen Empörung und Misstrauen schwankte. Nun liegt schwarz auf weiß vor: In den Grand-Jury-Verfahren, die den Grundstein für die prominenten Anklagen legten, kamen keine Opfer zu Wort. Stattdessen hörten die Geschworenen ausschließlich auf Ermittler – FBI-Agenten und einen einzigen New Yorker Detektiv. Die Unterlagen dazu sollen angeblich in den nächsten Tagen bis Wochen veröffentlicht werden.

Diese Unterlagen liegen uns schon länger vor und untermauern, was viele Beobachter seit Jahren vermuteten. Wörtlich heißt es in den Protokollen:

„Hier gab es einen Zeugen – einen FBI-Agenten – während der Grand-Jury-Verhandlung im Fall Epstein.
Es gab zwei Zeugen – denselben FBI-Agenten aus der Epstein-Verhandlung und einen NYPD-Detektiv, der als Task-Force-Officer der FBI-Einheit für Kinder- und Menschenhandel tätig war – während der Grand-Jury-Verhandlung im Fall Maxwell.“

Damit ist die juristische Realität von entwaffnender Klarheit: Keine Opfer, keine früheren Mitarbeiter, keine Prominenten standen vor der Grand Jury. Die geheimen Verfahren, die letztlich zu den Anklagen führten, liefen vollständig über die Stimmen der Ermittler – ein Szenario, das die Verteidigung jederzeit als einseitig und potenziell manipuliert darstellen kann.

Die perfekte Bühne für politische Manöver

Dass diese Offenlegung gerade jetzt erfolgt, wirkt fast wie ein abgekartetes Spiel. Während Ghislaine Maxwell seit Wochen mit der Generalstaatsanwaltschaft spricht – zuletzt zwei volle Tage lang mit dem stellvertretenden US-Justizminister Todd Blanche in Florida – verdichten sich die Spekulationen über mögliche juristische Schritte, die weit über neue Anträge hinausreichen. Donald Trump, der in den vergangenen Monaten mehrfach andeutete, dass er „Ungerechtigkeiten in prominenten Fällen“ prüfen wolle, erhält damit die perfekte Argumentationsbasis für eine mögliche Begnadigung Maxwells.

Trump könnte sich schon im Vorfeld der Midterm-Wahlen 2026 mit einem Handstreich als Korrektor einer angeblich fehlerhaften Justiz inszenieren. Seine Berater wissen, wie leicht sich ein komplexer Fall in einprägsame Narrative pressen lässt: Die Grand Jury war einseitig, Opfer wurden nicht gehört, das Verfahren könnte im Rückblick als manipuliert bezeichnet werden. Politisch ließe sich das zu einer Erzählung verdichten, die Trumps Anhängerschaft begeistert: Maxwell sei Opfer eines ungerechten, von den Medien aufgeheizten Prozesses geworden.

Maxwell selbst bleibt dabei nicht passiv. Ihre Gespräche mit der Generalstaatsanwaltschaft haben sich zuletzt intensiviert. Nach unseren Informationen prüft ihr Verteidigungsteam Möglichkeiten, die Grand-Jury-Leerstelle strategisch einzusetzen. Der Subtext ist klar: „Ihr habt mich ohne die Stimmen der Opfer verurteilt. Jetzt, wo ich euch helfen könnte, die letzten offenen Fragen im Epstein-Komplex zu beantworten, solltet ihr das berücksichtigen.“

Forensische Details und der Schatten des Suizids

Das politische Schachspiel entfaltet sich vor dem Hintergrund eines Falles, der seit Epsteins Tod im August 2019 von Ungereimtheiten überschattet wird. Epstein wurde im Metropolitan Correctional Center in Manhattan tot aufgefunden, offiziell durch Suizid, einen Monat nach seiner Festnahme. Doch der Tod wirft bis heute Fragen auf:

  • Der Bruch des Zungenbeins deutete eher auf Fremdeinwirkung hin.
  • Kameras versagten in der Nacht des Todes.
  • Die Zelle war mit Papierbettlaken ausgestattet, in einer Einrichtung, die zuvor unter Anti-Suizid-Maßnahmen stand.
  • Die orangefarbene Ligatur, die auf mehreren Tatortfotos zu sehen ist, taucht in keinem behördlichen Bericht auf.

Diese forensischen Widersprüche nähren das Misstrauen gegenüber der gesamten Aufarbeitung – und machen die Enthüllung der Grand-Jury-Leerstelle umso explosiver. Wenn die Öffentlichkeit ohnehin glaubt, dass entscheidende Teile der Geschichte hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben, reicht ein Funken, um neue Zweifel zu entfachen.

Trumps Medienstrategie: Kontrolle der Erzählung

Trump hat bereits während seiner Präsidentschaft bewiesen, wie geschickt er aus juristischen Details politische Munition formt. Im Fall Maxwell könnte die Kommunikationsstrategie in mehreren Stufen ablaufen:

  1. Delegitimierung der Justiz
    Öffentlichkeitswirksame Statements würden die Grand Jury als „einseitig und unfair“ brandmarken. Das Narrativ: Die Medien haben Maxwell vorverurteilt, und das Justizsystem habe versagt, weil es die Opfer nie direkt angehört habe.
  2. Opferrolle für Maxwell
    Trump könnte Maxwell als Symbol einer übergriffigen, politisierten Justiz darstellen. Ihre Schuld würde dabei relativiert, während die „Fehler der Ermittler“ betont werden.
  3. Selbstinszenierung als Korrektor
    Eine mögliche Begnadigung würde als Akt der Gerechtigkeit verkauft – nicht als Schutz für Maxwell, sondern als Korrektur eines unfairen Systems. Seine Anhänger bekämen ein klares Signal: Trump steht über der „korrupten Bürokratie“ und greift ein, wenn nötig.

Diese Strategie füttert exakt die Kanäle, auf denen Trump seine Basis mobilisiert: soziale Medien, Talkshows, alternative Nachrichtenplattformen. Die Enthüllung der Grand-Jury-Leerstelle ist in diesem Narrativ kein Detail – sie ist der Ankerpunkt für die Inszenierung eines historischen Unrechts.

Maxwells mögliche Bedingungen für ein Pardon

Ein Pardon durch Trump wird für Maxwell nicht bedingungslos sein. Juristische und politische Quellen deuten an, dass ihre Kooperationsbereitschaft entscheidend sein könnte:

  • Selektive Offenlegung: Maxwell könnte interne Abläufe, Mitwisser und logistische Strukturen des Epstein-Netzwerks offenlegen, ohne die letzten Schutzschilde prominenter Personen zu zerstören.
  • Verzicht auf Klagen: Ein informeller Deal könnte beinhalten, dass Maxwell keine weiteren zivilen Schritte gegen die US-Regierung oder das MCC unternimmt.
  • Diskrete Loyalität: Jede öffentliche Aussage müsste die Erzählung stützen, dass sie unfair behandelt wurde – nicht, dass ein Systemversagen unter Trump stattfand.

Dieser Deal würde beiden Seiten nützen. Maxwell erhielte ihre Freiheit, Trump könnte eine spektakuläre politische Geste inszenieren, und gleichzeitig würden die sensibelsten Teile der Epstein-Akten möglicherweise nie vollständig ans Licht kommen.

Die letzte Wendung steht noch aus

Für die Opfer und die Öffentlichkeit bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Ihre Stimmen wurden dort, wo die Weichen für die historische Aufarbeitung gestellt wurden, nicht gehört. Stattdessen dominieren taktische Erwägungen, politische Optionen und juristische Manöver das Bild.

Die nun offengelegte Leerstelle ist mehr als ein juristisches Detail. Sie ist ein politisches Instrument, das alle Seiten nach Belieben nutzen können – und möglicherweise das Signal für die nächste, unerwartete Phase der Epstein-Saga. Wer glaubt, dass die Geschichte auserzählt ist, könnte schon bald eines Besseren belehrt werden.

Fortsetzung folgt …

Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.

Abonnieren
Benachrichtigen bei
guest
7 Comments
Älteste
Neueste Meistbewertet
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Sandra Liebs
Sandra Liebs
4 Monate zuvor

Ihr seid großartig und macht eine Arbeit, die jede Unterstützung verdient. Gerade in Zeiten, in denen Trump und seine Kreise die Wahrheit verdrehen, ist eure Recherche unbezahlbar. Bitte macht genau so weiter, es ist wichtiger denn je.💗

Rudi Reinhardt
Rudi Reinhardt
4 Monate zuvor

So verkommen wie das Regime im WH, so verkommen die dortigen Justizverrenkungen.

Irene Monreal
Irene Monreal
4 Monate zuvor

Wenn Trump damit durchkommt, glaube ich in Zukunft auch, dass jedwede Verschwörungstheorie (z. B. Mondlandung, Twin-Towers) echt sein könnte. Meine These dazu war, dass man Fakes in dieser Größenordnung nicht geheim halten KANN!
Wenn etwas so Großes nicht aufgeklärt wird unterminiert das den Glauben in die Gerechtigkeit derart, dass man der Exekutive in Zukunft nur noch Lügen, Gewalt und Ungerechtigkeiten unterstellt, was unter Trump zur Folge hat, noch gewalttätiger durchzugreifen. Ein Fass ohne Boden!
Was die betroffenen Frauen anbelangt, haben Trump und Konsorten mit Sicherheit sowieso schon vorgebaut. Unter dem Deckmäntelchen des „Schutzes vor der Öffentlichkeit“ wurde verhindert, dass sie aussagen, andererseits wurden sicherlich (im Falle des Falles nachweisbar) hohe Summen als Entschädigung bezahlt, was die Opfer bei einer Neuverhandlung diskreditieren würde und angreifbar macht.
Wenn dieser Dreck in den USA nicht gestoppt wird, wird unser ganzer Globus mit dieser Pest überrollt – schön zu sehen an dem „Männchen-machen“ der EU. Es wird in Zukunft nur noch Erpresser und Opfer geben und „starke Opfer“ wie die EU werden sich dem Niveau ihrer Erpresser anpassen, statt sie zu bekämpfen.
Wenigstens ist das „Stockholm-Syndrom“ schon nach einer europäischen Stadt benannt.

Ela Gatto
Ela Gatto
4 Monate zuvor

Trump lügt, wenn er den Mund aufmacht.
Ghislaine lügt, wenn sie den Mund aufmacht.

Beide zusammen vereinbaren mit wenigen Mitakteuren eine neue Geschichte zu den Epstein Files.
Natürlich gehen Beide daraus als Gewinner hervor.

Dazu passt auch das Trump ernsthaft darüber nachdenkt P Diddy zu begnadigen.

Sexualstraftäter unter sich.
Man versteht sich, man klopft sich gefenseitig auf die Schulter.

Und die Opfer?
Die Opfer werden bicht gehört.
Sie werden bedroht und leiden weiter.

Gerechtigkeit? Die ist schon lange von diesen abscheulichen Netzwerken und dem Geld begraben.

Danke für diesen hervorragend Bericht.
Der sollte viel größere mediate Aufmerksamkeit erfahren.

7
0
Deine Meinung würde uns sehr interessieren. Bitte kommentiere.x