Es gibt Nächte, in denen die Geschichte eine groteske Wendung nimmt – und sie dabei ausgerechnet in Fröschen Gestalt annimmt. Während in Washington über „Aufstände“ und „nationale Sicherheit“ gestritten wird, verwandelte sich der Parkplatz vor dem ICE-Gebäude in South Portland am Donnerstag in ein Amphitheater aus friedlichem Protest und unfreiwilliger Symbolik. Dutzende Menschen, einige im Frosch-, andere im Einhorn- oder Eisbärenkostüm, stellten sich in die kühle Herbstnacht – und machten aus einem Ort der Repression einen Moment des Absurden, der Hoffnung und stillen Ironie.

Die juristische Lage bleibt ernst, der Tonfall der Geschichte jedoch seltsam heiter. Das Berufungsgericht will seine Entscheidung noch vor dem 17. Oktober verkünden – jenem Tag, an dem eine neue Anhörung darüber ansteht, ob Immerguts Verfügung um weitere vierzehn Tage verlängert wird. Bis dahin gilt der gerichtliche Stopp der Nationalgarde-Einsätze uneingeschränkt fort. Zwei von Trump ernannte Richter deuteten am Donnerstag an, sie könnten die Sperre kippen, während ein älterer Clinton-Richter unbeirrt auf dem Boden des Rechtsstaats blieb. Es geht um die Definition von Rebellion, um Geschichte, Macht – und um die Frage, ob das, was vor dem ICE-Gebäude passiert, überhaupt eine Bedrohung für die Nation ist oder schlicht eine Form bürgerlicher Selbstbehauptung in Gummistiefeln.
Tatsächlich ist Portland nicht im Ausnahmezustand, sondern in einer Art surrealer Ruhe. Das belegt auch der einfache Faktencheck, der Trumps jüngstes „Antifa-Roundtable“-Spektakel auseinander nimmt. Fazit: Portland steht nicht in Flammen. Seit Juni wurden exakt vier kleinere Feuer in der Nähe des ICE-Gebäudes registriert – und die letzte Explosion eines Sprengkörpers in der Region ereignete sich im Jahr 2008. Kein Krieg, kein Chaos – nur ein Präsident, der die Dramatik liebt. Auch die gern beschworene „explodierende Kriminalität“ hält einer Überprüfung nicht stand: Die Zahl schwerer Gewaltdelikte ist 2025 deutlich gesunken, die Mordrate im ersten Halbjahr um mehr als fünfzig Prozent niedriger als im Vorjahr. Eigentumsdelikte bleiben zwar ein Problem, doch sie markieren keine Sicherheitskrise.
Dafür gibt es Frösche. Und einen Axolotl. Und einen Pfau, einen Waschbären, einen Hai und eine Katze, die Seite an Seite mit rund hundert Demonstranten standen. Manche bliesen Seifenblasen entlang der blauen Linie, die das ICE-Gelände markiert, andere hielten Schilder mit der Aufschrift „End ICE reign of terror“. Ein buddhistischer Priester sprach Gebete, während über der Szenerie ein Hubschrauber kreiste und Bundesbeamte auf dem Dach des Gebäudes mit Pfefferballwaffen hantierten – offenbar weniger zum Einsatz als zur Einschüchterung.

Doch diesmal blieb es ruhig. Die Beamten trugen keine Schutzschilde, viele keine Masken, und sie gaben sogar Warnungen aus, bevor sie heraustraten – ein Fortschritt im Verhältnis Staat-Bürger, den man fast als höflich bezeichnen könnte. Drei Menschen wurden festgenommen, darunter ein Gegendemonstrant und ein bekannter rechter Livestreamer, der sich laut Gerichtsbeschluss eigentlich nicht in der Nähe hätte aufhalten dürfen. Thomas Allen, 36, wurde ebenso abgeführt wie ein Mann aus Portland, der wegen Belästigung festgenommen wurde. Danach kehrte die Ruhe zurück, Autos fuhren vorbei, Hunde wurden ausgeführt, die Froschmasken beschlugen vom eigenen Atem.
Gegen halb elf sprach der Priester das letzte Gebet. Das Geräusch der Stadt kehrte zurück – das Summen der Straßenlampen, das ferne Pfeifen eines Zuges, das Tropfen der Nacht. Ein Abend ohne Schlagstöcke, ohne Chaos, ohne Helden. Nur Frösche, die friedlich im Neonlicht verharrten und damit ein Bild erzeugten, das stärker war als jede politische Parole: dass Widerstand manchmal lächelt, leise atmet und trotzdem bleibt. Während in Washington die Anwälte Trumps noch über die Definition von Rebellion philosophieren, herrschte in Portland einfach nur ein ruhiger Abend.
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Wobei der Hai ja laut Trump ein Schlachtfeld nie dagewesenen Ausmaßes hinterlassen hat und ein Blutspektakel, dass selbst die schlimmsten Schlachten in WW2 bei weitem in den Schatten stellte.
Okay, Spass beiseite, ich freue mich über diese Art von kreativem Widerstand und darüber, dass bis jetzt alles recht friedlich ablief. Alles andere würde seinen Einsatz der Nationalgarde nur legitimieren.
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