Ghislaine Maxwell, einst Vertraute und Komplizin des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein, hat in einem bemerkenswerten Schritt gegenüber dem US-Justizministerium ausgepackt – in insgesamt neun Stunden Gespräch mit Vizejustizminister Todd Blanche. Was zunächst wie eine routinemäßige Befragung schien, entpuppt sich nun als potenziell folgenschwerer Pakt: Maxwell, das konnten wir verifizieren, erhielt eine sogenannte Proffer Immunity – eine begrenzte Schutzregelung, die es ihr erlaubt, gegenüber Ermittlungsbehörden auszusagen, ohne dass ihre eigenen Aussagen später strafrechtlich gegen sie verwendet werden dürfen. Wer glaubt, dass es sich dabei nur um ein juristisches Detail handelt, verkennt die politische Sprengkraft, die sich dahinter verbirgt. Denn das, was Maxwell offenbar zu berichten hatte, betrifft nicht nur ein Dutzend Namen – sondern rund 100 Personen. Und möglicherweise auch den amtierenden Präsidenten.
Blanche, heute stellvertretender US-Justizminister, war einst Donald Trumps persönlicher Anwalt. Dass ausgerechnet er Maxwell im Bundesgericht in Tallahassee befragte, in unmittelbarer Nähe zu dem Gefängnis, in dem sie ihre 20-jährige Haftstrafe verbüßt, hat in Washington Spekulationen befeuert. Trumps eigener Name war bereits zuvor in den sogenannten Epstein Files aufgetaucht und Justizministerin Pam Bondi den Präsidenten bereits im Frühjahr darüber informiert habe. Trump streitet dies ab. Doch dass der mächtigste Mann des Landes sich nun öffentlich gezwungen sieht, auf Nachfrage eine mögliche Begnadigung Maxwells mit den Worten „Ich habe darüber nicht nachgedacht“ abzutun, zeigt: Die Luft wird dünner.
David Oscar Markus, Maxwells Anwalt, erklärte nach Abschluss des zweitägigen Gesprächs mit Blanche, seine Mandantin habe „jede einzelne Frage beantwortet“. Sie sei zu „etwa 100 verschiedenen Personen“ befragt worden und habe nichts ausgelassen. „Sie hat kein einziges Mal ein Aussageverweigerungsrecht geltend gemacht“, so Markus. „Sie hat die Wahrheit gesagt, ehrlich und so gut sie konnte.“ Bemerkenswert ist natürlich auch, wie man Aussagen wie „Ich weiß es nicht, das hätte ich sehen müssen“ bewertet – durchaus aufschlussreich. Es war ein Moment, in dem aus der sonst so wortkargen Maxwell eine zentrale Figur in der Aufarbeitung eines jahrzehntelangen Missbrauchsnetzwerks wurde – möglicherweise nicht aus Reue, sondern aus Kalkül. Denn parallel kämpft sie vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten (SCOTUS) gegen ihre Verurteilung. Ihr Argument: Der mit Epstein 2007 in Florida geschlossene Non-Prosecution-Deal habe auch sie geschützt. Das Justizministerium widerspricht – doch das Timing ihrer Kooperationsbereitschaft bleibt auffällig.

Für Präsident Trump wird die Lage zunehmend brenzlig. Nachdem das Justizministerium Anfang Juli in einem Memo erklärte, es gebe keine „Client List“ aus den Epstein-Unterlagen und keine weiteren Veröffentlichungen geplant seien, reagierten selbst Teile seiner MAGA-Anhängerschaft mit Empörung. Denn viele von ihnen hatten jahrelang die Freigabe dieser Namen gefordert, als Symbol für den angeblich allgegenwärtigen „Deep State“. Unsere aktuellen Recherchen dazu verdichten sich: Teile der ungeschwärzten Epstein-Akten wurden offenbar an mindestens drei Personen aus dem inneren Zirkel des MAGA-Lagers weitergereicht – mutmaßlich auf direktem oder indirektem Weg über Pam Bondi, ehemalige Generalstaatsanwältin von Florida, spätere Impeachment-Verteidigerin Donald Trumps und bis heute eng mit dem republikanischen Machtapparat in Tallahassee verflochten. Bondi gilt als Schlüsselfigur im Umgang mit brisanten Justizakten aus dem Epstein-Komplex, nicht zuletzt wegen ihrer tiefen Verbindungen zu Staatsanwaltschaft, Ministerien und parteinahen Lobbystrukturen in Florida. Zu den mutmaßlichen Empfängern der ungeschwärzten Namenliste zählt mit hoher Wahrscheinlichkeit der juristische Lobbyist Chris Kise, früher General Solicitor des Bundesstaats, enger Vertrauter von Ron DeSantis und später Verteidiger von Donald Trump in mehreren Bundesverfahren – darunter auch beim Fall Mar-a-Lago. Neben Kise, ein ehemaliger Fox-News-Moderator sowie ein Berater aus dem direkten Umfeld von Donald Trump Jr. Zugriff haben zentrale Inhalte erhalten. Ziel dieser selektiven Einsichtnahme war offenbar die frühzeitige Identifizierung potenziell politisch brisanter Namen – mit dem klaren Kalkül: besser vorab wissen, was droht, als später von der Wahrheit überrollt zu werden. Wer die Öffentlichkeit kontrollieren will, muss die Schatten kennen, in denen sich der eigene Name verfangen könnte. Dass nun ausgerechnet Trumps Justizministerin die Aufklärung bremst, wirft Fragen auf. Zugleich wirft ein Bericht des Wall Street Journal neues Licht auf Trumps Verhältnis zu Epstein: Demnach soll er 2003 ein anzügliches Geburtstagsgedicht, bisher unbelegt, für Epstein verfasst haben – enthalten in einem von Maxwell angefertigten ledergebundenen Geschenkband. Trump weist das zurück und hat die Zeitung wegen Verleumdung auf zehn Milliarden Dollar verklagt. Doch die Kombination aus juristischen Wunderwerk, medienwirksamen Ablenkungsmanövern und der realen Wucht von Maxwells Aussagen schafft eine Dynamik, die sich nicht mehr kontrollieren lässt. Während Trump versucht, das Thema abzuräumen – „Das ist nichts, worüber ich nachdenken will“ –, formieren sich politische Gegner, aber auch enttäuschte Unterstützer.

Hinzu kommt, dass Blanche laut offiziellen Angaben mit Maxwell nicht nur über sie selbst sprach, sondern explizit über „andere Personen, die möglicherweise Verbrechen an Opfern begangen haben“. Wer diese Personen sind, bleibt bislang unter Verschluss. Doch Markus’ wiederholte Betonung, Maxwell habe über „jeden“ geredet, lässt aufhorchen. Der Zeitpunkt, zu dem sie redet – mitten in der juristischen Auseinandersetzung um den Umfang der Nichtverfolgungsvereinbarung von 2007 – legt nahe, dass hier mehr im Spiel ist als Reue oder moralisches Erwachen. Vielmehr könnte es ein Austausch sein: Kooperation gegen politisches Wohlwollen. Ein Pardon vielleicht? Trump selbst versucht sich davon zu distanzieren. „Ich habe mit dem Kerl [Epstein] nichts zu tun“, sagte er erneut vor Journalisten. „Ich war nie auf der Insel.“ Stattdessen forderte er die Medien auf, sich auf „Clinton, Summers und die Hedgefonds-Jungs“ zu konzentrieren – allesamt Männer, die seiner Meinung nach mit Epstein enger verbunden waren als er selbst. Doch die Behauptung, Maxwell habe ihm gegenüber keine Bedeutung, kollidiert mit den Tatsachen: Beide waren auf denselben Veranstaltungen, ihre Wege kreuzten sich häufig in Palm Beach, und das FBI verfügt über Fotos, die ihre Bekanntschaft belegen.

Maxwell selbst hat laut Markus keinen Grund mehr zu lügen. Ihre Strategie ist klar: Aussage gegen Entlastung. Und das Justizministerium scheint zuzuhören. Und: Uns liegt die offizielle Subpoena – also die gerichtliche Vorladung des US-Repräsentantenhauses – im Original vor. Sie ist ausgestellt auf den Namen Ghislaine Maxwell und verpflichtet die einstige Epstein-Vertraute zu einer eidesstattlichen Aussage (Deposition) am 11. August 2025 um 10:00 Uhr in der Bundesstrafanstalt von Tallahassee, dem Ort ihrer aktuellen Inhaftierung. Ausgestellt wurde das Dokument am 23. Juli 2025 durch den republikanischen Ausschussvorsitzenden James Comer, unterzeichnet und beglaubigt vom Justizsekretär Kevin F. McCullar. Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine öffentliche Anhörung, sondern um eine vertrauliche Vernehmung unter Eid, deren Protokoll später – je nach politischer Stoßrichtung – in Berichte, Empfehlungen oder Anklagepunkte einfließen kann.

Dass der Ausschuss für Aufsicht und Regierungsreform eine solche Maßnahme gegen eine inhaftierte Schlüsselfigur des Epstein-Komplexes ergreift, ist juristisch außergewöhnlich und politisch brisant. Die Tatsache, dass ein republikanisch geführtes Gremium Maxwell als Zeugin laden lässt, wirft Fragen auf – über die Zielrichtung, über den gewünschten Erkenntnisgewinn und über die Namen, deren Erwähnung man verhindern oder steuern möchte. Denn wer Maxwell zu dieser Stunde anhört, tut das nicht nur aus Aufklärungswillen – sondern mit Berechnung. Die Frage ist, ob die Öffentlichkeit es auch wird – und ob Trump in dieser Gemengelage an seiner Linie festhalten kann. Denn wie ein ehemaliger Bundesanwalt kommentierte: „Wenn du Immunität vergibst, willst du etwas zurückhaben.“ Was genau Maxwell dem Staat zurückgegeben hat, ist noch nicht bekannt. Doch dass sie neun Stunden lang ohne Einschränkungen redete, dass sie über hundert Personen sprach, darunter mutmaßlich Prominente, Politiker, Geschäftsmänner und möglicherweise der Präsident selbst – das macht diese Aussagen zu mehr als nur einer Episode im Nachspiel des Epstein-Skandals. Es könnte der Anfang eines juristischen und politischen Bebens sein, das die Vereinigten Staaten erneut erschüttert. Und diesmal lässt sich die Uhr nicht mehr zurückdrehen.
Fortsetzung folgt …
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So wie ich das verstehe, waren da „Dealer“ unter sich. Es mag eine Lebensversicherung für Maxwell sein, dass ihr Anwalt Informationen hat, aber Trump wird zusagen, sie spätestens nach den Wahlen 2028 zu begnadigen. Erfahren wird die Bevölkerung nichts, er kann ja nicht mal Demokraten als Täter „liefern“, weil die dann ihrerseits auspacken können.
Keine Sorge, wir läuten die Glocken 🙂
Alles unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit.
Später heißt es dann, man möge Trump und dem Justizministerium vertrauen.
Es gäbe nichts brisantes zu verõffentlichen.
Und natürlich bleibt alles unter Verschluss … Schutz der Opfer (pardon, gemeint sind da natürlich die Täter), nationales Interesse.
Irgendein oder gleich mehrere Gründe fallen denen schon ein.
Hauptsache Trumps Haut retten.
Und Ghislane wird unter dem Radar Begnadigung und macht sich ein schönes Leben.
Die Opfer leiden weiter.
Und das Netzwerk wird wieder richtig aufleben.
Danke, dass Ihr dran bleibt
Ich danke Dir, die Story ziehen wir durch bis zum Ende
Toller Artikel.
Dankeschön
Wieder tolle Arbeit die ihr gemacht habt. Danke.