Veracruz – Mexiko erlebte an diesem Wochenende einen Ausbruch, der sich schon lange angebahnt hatte. In mehr als 50 Städten strömten Menschen auf die Straßen, vereint durch eine Mischung aus Enttäuschung, Zorn und einer Müdigkeit, die über Jahre angewachsen ist. Es waren nicht nur die jungen Gesichter der Gen-Z, die das Bild prägten, sondern auch Rentner, Arbeiter, Studierende, Familien – ein Querschnitt eines Landes, das sich vom eigenen Staat im Stich gelassen fühlt. Der Auslöser war der Mord an Carlos Manzo, dem streitbaren Bürgermeister aus Michoacán, der den Kartellen offen die Stirn geboten hatte und dafür mit seinem Leben bezahlte. Doch die Demonstrationen richteten sich nicht allein gegen seine Ermordung, sondern gegen ein ganzes System, das Korruption, Straflosigkeit und Gewalt seit Jahrzehnten wachsen lässt.
In Mexiko-Stadt hat sich aus einem kleinen Gen-Z-Protest gegen die Regierung und deren Verstrickungen mit den Kartellen binnen kurzer Zeit eine Bewegung entwickelt, die größer ist als alles, was das Land seit Jahren erlebt hat.
In Mexiko-Stadt, wo sich die größte Menge versammelte, verwandelte sich das Zentrum am Samstag in ein vibrierendes, gefährliches Kraftfeld. Menschen trugen weiße Fahnen zum Gedenken an Manzo und Cowboyhüte, die sein Markenzeichen wurden. Auf einem riesigen Banner stand: „Sie haben uns unseren mexikanischen Bukele genommen – aber einen Helden zurückgelassen.“ Währenddessen rückten Polizisten mit Schilden und Gas vor, Barrikaden stürzten, Steine flogen, und im Zócalo lag dicker, beißender Rauch. Rund hundert Beamte wurden verletzt, mehr als vierzig mussten ins Krankenhaus, zwanzig Demonstrierende wurden festgenommen. Die Regierung von Claudia Sheinbaum hatte die Proteste zuvor als angeblich „bezahlte Kampagne“ abgetan – ein Vorwurf, den viele auf den Straßen als blanke Provokation empfanden.
Doch hinter der Gewalt und den Parolen verbarg sich ein tieferes Beben. Junge Menschen erzählten von Freunden, die verschwunden sind, von Schulwegen, die nur mit Angst betreten werden können, von einem Land, das seine Zukunft verspielt.

„Es geht nicht um eine einzige Sache“, sagte der 18-jährige Student Jacobo Alejandro. „Es geht um alles: Ungerechtigkeit, Unsicherheit, die Verschwundenen, fehlende Bildung, fehlende Arbeit.“ Neben ihm rief der 19-jährige Omar Cortés nach dem Rücktritt der Präsidentin – im Wissen, dass es wohl nicht dazu kommt. „Aber wir müssen zeigen, wie weit wir gehen würden. Wenn die unten sich bewegen, fallen die oben“, sagte er. Und genau darin lag der Kern dieser Nacht: nicht in der Forderung nach sofortiger Veränderung, sondern im unausgesprochenen Versprechen, dass eine Generation nicht länger bereit ist, in einem Land zu leben, das ihre Hoffnung als Kollateralschaden betrachtet.
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