Die Verhaftung von Dr. Ian Roberts – Wenn ICE den größten Schuldistrikt Iowas erschüttert

VonRainer Hofmann

September 27, 2025

Es war ein gewöhnlicher Freitagmorgen in Des Moines, der Hauptstadt Iowas, bis sich die Nachricht verbreitete, die wie ein Schock durch das Schulsystem und die Gemeinde hallte: Dr. Ian Roberts, Superintendent der Des Moines Public Schools, wurde von ICE-Beamten verhaftet. Der Mann, der an der Spitze des größten Schuldistrikts des Bundesstaates stand, zuständig für mehr als 30.000 Schülerinnen und Schüler und 5.000 Beschäftigte, soll nach Darstellung der Behörden „illegal“ im Land gewesen sein. Die Inszenierung wirkte wie ein Polizeifilm: Ein Verkehrsstopp, eine kurze Flucht in ein Waldstück, ein verlassenes Dienstfahrzeug. Schließlich der Zugriff – Roberts, 54 Jahre alt, Sohn guyanischer Einwanderer, wurde in Handschellen abgeführt, ins Woodbury County Jail gebracht und von ICE mit Vorwürfen überzogen, die schwerer kaum klingen könnten: keine Arbeitserlaubnis, ein Ausweisungsbefehl aus dem Jahr 2024, eine Vergangenheit, die angeblich Fragen offenlässt. Für viele kam der Zugriff wie aus dem Nichts.

Dr. Ian Roberts

Der Sprecher des Distrikts, Phil Roeder, erhielt am Morgen eine kurze Nachricht: Roberts könne einen Termin nicht wahrnehmen. Minuten später sah er per Videoanruf, wie der Superintendent von Beamten abgeführt wurde. „Wir haben nie auch nur ein Anzeichen gesehen, dass er kein US-Bürger wäre“, sagte Roeder. Die Schule hatte ein externes Unternehmen mit einer umfassenden Hintergrundprüfung beauftragt, Roberts hatte regulär ein I-9-Formular ausgefüllt, das Arbeitsberechtigung verlangt. Von einem angeblichen Abschiebebeschluss wusste niemand etwas. Umso härter schlugen die Bilder auf die Schulgemeinde ein. Gewerkschaften von Lehrern und Beschäftigten reagierten mit einer gemeinsamen Erklärung, in der sie Roberts’ Mitgefühl für alle Schüler „als Leuchtturm in einem der vielfältigsten Distrikte des Staates“ würdigten. Jackie Norris, Präsidentin des Schulvorstands, sprach von einem „integralen Teil unserer Gemeinschaft“. Doch ICE setzte eine andere Erzählung in die Welt. Sam Olson, ein regionaler Leiter der Behörde, erklärte in einer Mitteilung, Roberts’ Fall sei ein Weckruf. Dass jemand mit einem Abschiebebefehl, ohne Arbeitserlaubnis und „mit einer Vorstrafe wegen Waffenbesitzes“ einen Distrikt dieser Größe leiten konnte, sei „unfassbar“ und ein Sicherheitsrisiko für Eltern und Kinder. Bei der Festnahme habe Roberts eine geladene Pistole, 3.000 Dollar Bargeld und ein Jagdmesser bei sich gehabt.

Die Widersprüche sind offensichtlich. Ja, Roberts hatte 2022 in Pennsylvania ein Bußgeld von 100 Dollar für einen Jagdverstoß bezahlt – eine Bagatelle, die selbst im Urteil als Ordnungswidrigkeit eingestuft wurde. Roberts selbst schrieb damals, er habe sein Gewehr offen im Auto liegen lassen, um einem Wildhüter keinen Anlass zur Sorge zu geben. Stattdessen erhielt er ein Ticket, das er akzeptierte, „um keine Ablenkung“ zu riskieren. Er deutete an, dass auch seine Hautfarbe dabei eine Rolle gespielt haben könnte. Die Biografie des Mannes liest sich anders als das Bild, das ICE nun zeichnet. Geboren in Brooklyn als Sohn guyanischer Eltern, studierte Roberts in Baltimore, vertrat sein Herkunftsland 2000 sogar bei den Olympischen Spielen in der Leichtathletik. Seit mehr als zwei Jahrzehnten arbeitete er in Schulverwaltungen im ganzen Land, zuletzt als Superintendent in Pennsylvania, bevor er 2023 nach Iowa kam. Dort erhielt er eine professionelle Lizenz des Staates, die weiterhin gültig ist. Sein Vertrag sicherte ihm ein Jahresgehalt von 270.000 Dollar. Nichts deutete auf einen Mann hin, der in den Augen der Bundesbehörde als „flüchtiger Illegaler“ galt. Die plötzliche Eskalation reiht sich in eine Serie aufsehenerregender Razzien ein. Erst am Tag zuvor hatten ICE-Beamte in Iowa City einen Mann im Supermarkt brutal überwältigt – in Zivil, nur mit dem Hinweis „Bundesagenten“. Kunden berichteten von einem Schockmoment, der sich wie eine Szene aus einem Überwachungsstaat anfühlte. Nun also die Verhaftung eines angesehenen Schuldirektors. Draußen auf den Straßen blieb der Protest nicht aus. Noch am Freitagabend versammelten sich Menschen vor dem Bundesgebäude in Des Moines, um Roberts’ Freilassung zu fordern. Auch in Iowa City gingen Bürger auf die Straße. Die Wut richtete sich nicht nur gegen ICE, sondern gegen ein System, das mitten im Alltag zupackt, Existenzen zerstört und Menschen ohne Rücksicht auf ihre Rolle in der Gesellschaft aus dem Leben reißt.

Die politische Dimension ließ nicht lange auf sich warten. Gouverneurin Kim Reynolds wurde informiert, stand nach Angaben ihres Sprechers in Kontakt mit Bundesbehörden. Doch ob sie sich hinter den Superintendenten oder die Bundespolizei stellt, blieb offen. Der Fall wirft eine beunruhigende Frage auf: Wie kann es sein, dass jemand mit staatlich ausgestellter Lizenz, mit überprüftem Arbeitsvertrag und öffentlichem Amt plötzlich als „illegale Bedrohung“ gilt? Für die Schulen in Des Moines bleibt ein Vakuum. Ein Superintendent, der für viele Schüler aus Migrantenfamilien ein Vorbild war, sitzt in Haft. Ein ganzer Distrikt fragt sich, wie er unter diesen Bedingungen weitergeführt werden soll. Und eine Nation muss sich fragen, was es bedeutet, wenn der Staat nicht nur Menschen ohne Papiere, sondern auch die Köpfe ihrer Institutionen ins Visier nimmt. Der Fall Ian Roberts ist mehr als eine Festnahme. Er ist ein Spiegel: für die Härte eines Systems, für die Angst einer Gemeinschaft – und für die Frage, ob Recht in Amerika noch Schutz bedeutet oder längst Waffe geworden ist.

Reaktionen von Anwohnern und Politik

Nachbarn in der Gegend berichteten, es sei gegen 8 Uhr morgens chaotisch geworden.

„Plötzlich höre ich ‚Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus‘, und als alleinerziehender Elternteil hat mich das erschüttert“, sagte Anwohnerin Taylor Willis.

„Dies ist normalerweise eine ruhige Nachbarschaft, aber in den letzten sechs Monaten war dies nicht das erste Mal, dass so etwas hier passiert ist“, fügte Willis hinzu.

Das Büro von Gouverneurin Kim Reynolds veröffentlichte am Freitagnachmittag eine Erklärung: „Gouverneurin Reynolds wurde heute Morgen darüber informiert, dass Ian Roberts von Beamten der Immigration and Customs Enforcement festgenommen wurde, und steht in Kontakt mit dem Iowa Department of Public Safety und den Bundesbehörden.“

Die Iowa State Education Association und die Des Moines Education Association veröffentlichten ebenfalls am Freitagnachmittag eine Erklärung:

„Wir waren schockiert, von der Festnahme von Dr. Ian Roberts durch Beamte der Immigration and Customs Enforcement (ICE) heute Morgen zu hören. Seit seiner Einstellung als Superintendent der Des Moines Public Schools haben wir Dr. Roberts als großartigen Fürsprecher für Schüler, Familien, Mitarbeiter und die Gemeinde erlebt. Seine Führung und sein Mitgefühl für alle Schüler, unabhängig von Hintergrund, Identität oder Herkunft, sind ein Leuchtfeuer in einem der vielfältigsten Schuldistrikte des Staates.

Es ist eine dunkle und beunruhigende Zeit in unserem Land. Dieser Vorfall hat enorme Angst bei den Schülern, Familien und Mitarbeitern der DMPS ausgelöst.

Wir rufen die Gemeinschaft dazu auf, zusammenzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen.“

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Anna-Maria Wetzel
Anna-Maria Wetzel
8 Stunden zuvor

Wann sind Szenarien, wir diese rassistisch angeheizte Festnahme, nicht mehr möglich? Trump und seine Helfershelfer gehören ins Gefängnis und nicht Menschen, die nur anderen helfen oder die „falsche“ Hautfarbe haben. Ein Präsident, der nur sich und seinen Geldbeutel liebt, ist brandgefährlich.

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Stunden zuvor

In Brooklyn geboren …. Dann ist er doch automatisch US-Staatsbürger, oder etwa nicht?
Da braucht er keine Arbeitserlaubnis oder ähnliches.
Es kann auch keinen Abschiebebefehl geben.
Irgendwas passt da nicht zusammen.

Aber unabhängig davon ist es unfassbar, wie die Regierung vor allem gegen People of color mit einer nicht „Trump-Gesinnung“ vorgeht.

Iowa ist tiefrot.
Die Gouverneurin wird sich nicht gegen Trump stellen.

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