Die unerhörte Stille – Robert Mueller schweigt zum Epstein-Skandal, während Virginia Giuffres Stimme posthum lauter wird

VonRainer Hofmann

September 2, 2025

In Washington wurde an diesem Montag ein symbolträchtiger Schritt vollzogen: Der Kongress hat die Vorladung des früheren FBI-Direktors Robert Mueller zurückgezogen, der im Rahmen der Untersuchung des Jeffrey-Epstein-Falls vor dem House Oversight Committee aussagen sollte. Es war ein Termin, auf den Beobachter seit Wochen gespannt blickten – doch er wird nicht stattfinden. Grund sind Muellers gesundheitliche Probleme, die eine Aussage unmöglich machen. Der 80-Jährige leidet seit 2021 an Parkinson, einer Krankheit, die Sprache, Motorik und Gleichgewicht beeinträchtigt.

Robert Mueller

Mueller war eine Schlüsselfigur des amerikanischen Sicherheitsapparats. 2001 von Präsident George W. Bush ernannt, führte er das FBI durch die Jahre nach dem 11. September, transformierte die Behörde zu einer Organisation mit Schwerpunkt auf Terrorismusbekämpfung und Spionageabwehr. Später, 2017, wurde er zum Sonderermittler berufen, um mögliche Verbindungen zwischen Donald Trumps Wahlkampfteam und Russland aufzuklären. Sein zweijähriger Bericht legte russische Einflussoperationen bloß, führte zu Anklagen und Verurteilungen gegen mehrere Trump-Vertraute, lieferte jedoch keinen Beweis für eine strafbare Verschwörung. Muellers Auftritt vor dem Kongress im Juli 2019 war bereits von einem stockenden, mühsamen Vortrag geprägt – ein erstes Anzeichen dafür, wie sehr ihn die Krankheit schon damals gezeichnet haben könnte. Dass Mueller nun nicht aussagen kann, wirft ein Schlaglicht auf die Komplexität des Falls Epstein und die vielen offenen Fragen. Unter seiner Führung hatte das FBI jene erste, umstrittene Untersuchung begleitet, die 2007 in einem Non-Prosecution Agreement mündete – dem Deal, der Epstein vor einem Bundesprozess bewahrte und ihm eine milde Strafe in Florida einbrachte. Ob Mueller Details dazu hätte beisteuern können, bleibt unklar. Der Ausschussvorsitzende James Comer hatte ihn zusammen mit mehreren anderen ehemaligen Regierungsbeamten geladen, um zu klären, warum der Staat damals derart nachgiebig mit einem mutmaßlichen Serienmissbraucher umging.

Während in Washington also eine wichtige Stimme verstummt, erhebt sich eine andere – von jenseits des Grabes. Virginia Giuffre, die wohl bekannteste Klägerin im Epstein-Komplex, wird diesen Herbst mit ihrem posthum veröffentlichten Buch „Nobody’s Girl – A Memoir of Surviving Abuse and Fighting for Justice“ die Öffentlichkeit erneut erschüttern. Das Werk erscheint am 21. Oktober bei Alfred A. Knopf, ist 400 Seiten stark und wurde in den letzten Monaten ihres Lebens gemeinsam mit der Journalistin Amy Wallace fertiggestellt. Giuffre, die im April mit 41 Jahren Suizid beging, hatte kurz vor ihrem Tod schriftlich festgehalten, dass es ihr „Herzenswunsch“ sei, das Buch solle „unabhängig von meinen Umständen“ erscheinen.

Virginia Giuffre

Das Memoir ist mehr als ein persönlicher Bericht – es ist Anklage, Zeugnis und Vermächtnis. Giuffre beschreibt darin nicht nur die Zeit, in der sie als Teenager von Epstein und Ghislaine Maxwell in den Strudel von Missbrauch und Menschenhandel gezogen wurde, sondern beleuchtet auch die systemischen Versäumnisse, die ein solches Netzwerk möglich machten. Knopf kündigt „intime, verstörende und herzzerreißende neue Details“ an, darunter auch Giuffres erste öffentliche Aussagen seit 2022 zu Prinz Andrew, mit dem sie sich außergerichtlich geeinigt hatte. Namen anderer prominenter Männer tauchen ebenfalls auf, doch gegen Donald Trump, der im Sommer behauptete, Epstein habe sie „aus Mar-a-Lago gestohlen“, enthält das Buch keine Missbrauchsvorwürfe.

Die Veröffentlichung dürfte ein Beben auslösen – nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in Gerichtssälen. „Nobody’s Girl“ wurde laut Verlag sorgfältig gegengeprüft und juristisch geprüft, um Angriffen standzuhalten. Wallace, die bereits Bestseller mit Pixar-Mitgründer Ed Catmull und Ex-GE-CEO Jeff Immelt verfasst hat, spricht von einem „rohen, schockierenden“ Werk, das eine „wilde, kämpferische Seele“ zeige. So entsteht ein paradoxes Bild: Während der Kongress eine Schlüsselfigur wie Mueller verliert, um die Schatten der Vergangenheit zu erhellen, tritt Giuffres Stimme in einer Klarheit hervor, die niemand mehr überhören kann. Ihre Geschichte, mit Blut, Schmerz und Mut geschrieben, zwingt die Gesellschaft, hinzusehen – und vielleicht auch die Politik, endlich Antworten zu liefern.

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Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Beid3s sehr praktisch für Trump.
Mueller sagt nicht aus.
Guiffre belastet ihn nicht.
Besser könnte es nicht laufen für ihn.

Die Opfer kommen wieder nicht zu Ort. All die vielen Mädchen.
Lediglich Guiffre, aber nur posthumously, weil Epstein sie seelisch zerstört und damit sicher ihren Selbstmord forrciert hat …

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