Es gibt Tage, an denen das Recht bricht – nicht laut, sondern mit einem leisen Klicken, einem Schatten auf Papier, einem Urteil in den Archiven des Supreme Court. Der 8. September 2025 war ein solcher Tag. Die konservative Mehrheit der Richter gab der Trump-Regierung grünes Licht, ihre „roving patrols“ – jene rassisch geprägten mobilen Trupps der Einwanderungsbehörde ICE – wieder durch Kalifornien rollen zu lassen. Doch drei Stimmen erhoben sich gegen das Dröhnen der Mehrheit. Sonia Sotomayor, die erste Latina am höchsten Gericht der Vereinigten Staaten, Tochter puertoricanischer Eltern, Kind der Bronx, Juristin mit der Schärfe des New Yorker Asphalt – sie schrieb einen Widerspruch, der mehr ist als ein juristisches Dokument. Es ist ein Aufschrei. Unterstützt wurde sie von Elena Kagan und Ketanji Brown Jackson, die ihre eigene Dissent-Meinung unterzeichneten und damit gemeinsam ein leuchtendes Gegengewicht zur Entscheidung der Mehrheit bildeten.

„Diese Entscheidung ist ein weiterer schwerwiegender Missbrauch unseres Eilverfahrens. Wir sollten nicht in einem Land leben müssen, in dem die Regierung jeden festnehmen kann, der wie ein Latino aussieht, Spanisch spricht und offenbar einen Niedriglohnjob hat. Anstatt untätig zuzusehen, wie unsere verfassungsmäßigen Freiheiten verloren gehen, widerspreche ich.“ Das ist kein technisches Protokoll, das ist ein Schwur. Sotomayor verweigert der Mehrheit den Gehorsam, sie schreibt Geschichte in Tinte, die brennt. Und sie geht weiter: „Nach heutigem Stand könnte das für diejenigen, die auf eine bestimmte Weise aussehen, auf eine bestimmte Weise sprechen und offenbar eine bestimmte Art von niedrig bezahltem, aber legalem Job ausüben, nicht mehr zutreffen.“ Was sie damit sagt, ist so einfach wie erschütternd: In Amerika, dem Land der Freiheit, reicht es nun wieder, „falsch“ auszusehen, die „falsche“ Sprache zu sprechen oder zur „falschen“ Schicht zu gehören, um verhaftet zu werden.
Dieser Dissent reiht sich ein in die große Tradition der richterlichen Mahnrufe – Holmes, Brandeis, Ginsburg – Stimmen, die in der Stunde der Dunkelheit den Kompass festhalten. Doch Sotomayors Worte klingen wie ein letztes Geläut vor der Sturmflut. Sie klagt nicht nur an, sie warnt: Dass eine Regierung die Macht hat, Millionen Menschen in ständiger Angst zu halten, ist keine Randnotiz, sondern der Punkt, an dem Demokratie zerbricht. Trump feiert das Urteil, seine Sprecher sprechen von einem „Sieg für Recht und Ordnung“. Doch in den Vierteln von Los Angeles und San Diego herrscht jetzt Stille, eine Stille, die man hören kann, bevor der Schlagstock die Tür trifft. Und in Washington bleibt der Dissent von Sonia Sotomayor wie ein helles Licht in einem zunehmend finsteren Saal – ein Licht, das Kagan und Jackson mit ihrer Zustimmung noch heller gemacht haben. Vielleicht wird man sich eines Tages weniger an das Urteil selbst erinnern als an diese Worte, mit denen sie ihren Text beendet:
„Ich widerspreche.“
Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.
Unterstützen bitte auch Sie unseren journalistischen Kampf gegen Rechtspopulismus und Menschenrechtsverstöße. Wir möchten uns nicht über eine Bezahlschranke finanzieren, damit jeder unsere Recherchen lesen kann – unabhängig von Einkommen oder Herkunft.
Tolle Frau.
…das ist sie
Drei sehr, sehr mutige Menschen!
Denn damit setzen sie sich, ihre Familien und Freunden einem großen Risiko aus.
Diffamierung, Drohungen… all das gab es schon.
Dennoch treten sie für die Verfassung und Gerechtigkeit ein.
Der 4. Verfassungszusatz steht im krassen Gegensatz zu dem jetzige Urteil (das wieder einmal ohne Begründung erfolgte).
Wer einen Verfassungszusatz aushebelt, kann das mit jedem Verfassungszusatz tun, bis hin zur Verfassung.
So funktioniert die faschistische Übernahme.
Aushebeln der demokratischen Grundwerte
👍