Die Mustang-Republik – Wie ICE Steuergelder in Trumps Showcars verbrennt

VonRainer Hofmann

August 29, 2025

Es gibt Dokumente, das zeigen unsere Recherchen, die in nüchternem Verwaltungsdeutsch daherkommen und dennoch eine ganze Ära auf den Punkt bringen. Die „Justification & Approval“ des Department of Homeland Security, intern J&A-25-0306 genannt, gehört in diese Kategorie. Auf fünf Seiten erklärt die US-Einwanderungsbehörde ICE, warum sie binnen drei Tagen zwei Ford Mustang GT kaufen musste – zum stolzen Preis von 121.450 Dollar. Es sei „außergewöhnliche Dringlichkeit“ geboten gewesen, eine „vollständige Ausschreibung“ nicht möglich, nur ein Händler in Maryland habe sofort liefern können. Und wofür das Ganze? Für Rekrutierungsvideos. Für die Inszenierung einer Bundesbehörde, deren Image nicht mehr durch Recht und Ordnung getragen wird, sondern durch Lack, PS und die Ästhetik eines Präsidenten, der Politik mit Entertainment verwechselt.

Schon der Einstieg in die Rechtfertigung liest sich wie Satire. Die Anforderung kam, so heißt es, „direkt vom Weißen Haus“. Am 7. August 2025. Frist: drei Tage. Der Zweck: Der Fuhrpark müsse erweitert werden, um in den nächsten zwei Haushaltsjahren Nachwuchs für Inspektoren, Ermittler, Vollstreckungs- und Abschiebebehörden zu gewinnen. Der Paragraphenapparat nennt es „Recruitment Initiative“, die politische Realität ist klarer: ICE soll junge Menschen mit Glamour ködern. Und was verkörpert diesen Glamour besser als ein Mustang GT, aufpoliert, getunt, hergerichtet im Stil wie Trumps Privatjet.

Es ist ein Fall von ästhetischer Politik, die in die Verwaltung einsickert. ICE, eine Behörde, deren Name für viele längst mit Angst, Willkür und Härte verbunden ist, will mit Werbespots um Vertrauen werben – und dabei gleichzeitig Härte und Prestige ausstrahlen. Was früher Jobmessen, Gespräche und sachliche Information leisteten, übernehmen nun Motorengeräusche und Kamerafahrten. Die Mustang GT werden zu Requisiten, zu Symbolen einer neuen Staatsästhetik: jung, aggressiv, durchgestylt.

Die Kosten sind so absurd wie die Begründung. 121.450 Dollar für zwei Fahrzeuge, die im regulären Handel deutlich günstiger zu haben wären. In den Akten heißt es lapidar, der Preis sei „fair und marktüblich“. Doch wer jemals die Basiskosten eines Mustang GT nachgeschlagen hat, weiß, dass die Differenz Spielraum lässt für Speziallackierungen, Sonderumbauten, Innenausstattung – all das, was nötig ist, um einen Dienstwagen zum rollenden Werbefilm zu machen. Dass die Autos am Ende wie Trumps Jet aussehen, ist kein Zufall, sondern die logische Fortsetzung eines Personenkults, der längst in die Behördenstruktur eingewoben ist.

Trumps ICE gab 560.000 Dollar Steuergelder für aufgemotzte Trucks aus, um ein pompöses Rekrutierungsvideo zu drehen. Die Fahrzeuge wurden gekauft und so gestaltet, dass sie wie Trumps Privatjet aussehen.

Dabei hätte es Alternativen gegeben. Die Beschaffungsstellen verweisen auf die General Services Administration, die üblicherweise Fahrzeuge für Bundesbehörden bereitstellt. Doch die GSA, so ICE, habe erklärt, in der geforderten Frist könne sie nicht liefern. Also musste eine Ausnahme her, eine „offizielle Ausnahmegenehmigung“, die am 11. August 2025 erteilt wurde. Der Weg war frei für Banister Ford of Marlow Heights, einen Händler vor den Toren Washingtons, der zufällig sofort liefern konnte. Wettbewerb? Fehlanzeige. Transparenz? Fehlanzeige. Es reichte, das Etikett „dringend“ aufzukleben, und schon durfte eine Bundesbehörde Steuergeld in Imagepflege verwandeln. Die Absurdität dieses Vorgangs liegt nicht nur im Detail, sondern im Gesamtbild. Während Wissenschaftler entlassen werden, während die CDC in eine politische Beuteinstitution verwandelt wird, während Impfprogramme in Frage stehen und Klimaprojekte auf Eis gelegt werden, fließt Geld in Werbeautos. Zwei Mustangs als Symbole eines Staates, der nicht mehr auf Wissen und Vernunft setzt, sondern auf Show. Ein Staat, der glaubt, man könne Polizeibehörden wie eine Reality-Show vermarkten.

Und die Mustangs sind nicht einmal die einzigen Ausgaben. Auszüge zeigen, dass das DHS zeitgleich weitere Fahrzeuge für denselben Zweck beschaffte:

  • Für 86.380 Dollar wurde bei Hertrich Fleet Services ein GMC Yukon AT4S beschafft – ausdrücklich „für Rekrutierungszwecke“.
  • Bei Northside Automotive in West Virginia orderte man einen weiteren GMC Yukon AT4S, diesmal für 101.660 Dollar, ebenfalls mit dem Vermerk „für Rekrutierungszwecke“.
  • Und am teuersten: Für 196.220 Dollar kaufte das DHS bei Banister Ford of Marlow Heights gleich mehrere Ford Raptor 4×4 Light Duty Pick-Up Trucks – wieder „für Rekrutierungszwecke“.

Damit ist klar: Die Mustangs sind nur der sichtbarste Teil einer ganzen Fahrzeugflotte, die ausschließlich der Selbstdarstellung dient. SUVs, Trucks, Sportwagen – jeder Kauf begründet mit demselben Satz, jeder Posten aus Steuergeld bezahlt. Man kann sich die Bilder schon ausmalen: Junge Rekruten posieren neben einem Mustang in Metallic-Lack, ICE-Logos spiegeln sich in Chromleisten, Kameras fangen das Röhren des Motors ein. Dahinter ein Voiceover, das Stärke und Patriotismus beschwört. Es sind Bilder, die perfekt in die Logik eines Präsidenten passen, der seit Jahren Politik als Inszenierung begreift, als Mischung aus Showgeschäft, Reality-TV und Branding. Die Mustangs sind keine Fahrzeuge, sie sind Bühnenbilder.

Und es bleibt nicht bei der Ästhetik. Die rechtliche Konstruktion ist genauso brisant. Die Berufung auf „außergewöhnliche Dringlichkeit“ war nie dafür gedacht, Imageprojekte zu beschleunigen. Sie wurde geschaffen, um im Katastrophenfall, bei Terroranschlägen oder Naturkatastrophen, schnell reagieren zu können. ICE missbraucht sie für PR. In den Akten steht ausdrücklich: Diese Maßnahme habe nichts mit Naturkatastrophen oder Angriffen zu tun. Sie ist reine Symbolpolitik. Damit aber wird ein Präzedenzfall geschaffen: Wenn die Regierung jede PR-Maßnahme als „dringend“ definieren kann, dann ist das Tor für Missbrauch weit geöffnet. Die Verteidigung, die ICE liefert, ist entlarvend. Man habe Marktforschung betrieben, heißt es. Mehrere Händler seien kontaktiert worden. Aber nur einer habe die Spezifikationen erfüllt. Dass die Spezifikationen so eng gefasst waren, dass faktisch nur ein Anbieter infrage kam, erwähnt niemand. Dass die „Spezifikationen“ auch optische Effekte, Farbvarianten und Zusatzfeatures enthalten könnten, die eher in den Showroom als in den Behördenfuhrpark passen, bleibt im Dunkeln.

So zeigen unscheinbare Dokumente, wie weit die politische Kultur verfallen ist. Die Beschaffungsbürokratie, einst Garant für Transparenz und Fairness, wird zum Erfüllungsgehilfen eines Personenkults. ICE-Agenten fahren bald Mustangs im Trump-Look, während das Land über explodierende Mieten, zusammenbrechende Krankenhäuser und eine Klimakrise diskutiert. Der Widerspruch könnte größer nicht sein.

Am Ende bleiben Autos – und Dokumente, das mehr über den Zustand der US-Regierung aussagt als jede Rede. „Ich bestätige, dass die Daten nach bestem Wissen korrekt und vollständig sind“, unterschreibt der Vertragsbeamte. Ein Satz, der in seiner Banalität alles sagt: Hier werden Fakten korrekt dokumentiert – und gerade deshalb ist der Skandal so erschütternd. Denn manchmal reicht es, die Verwaltung selbst sprechen zu lassen, um die Absurdität einer Politik bloßzulegen, die längst nur noch eine Bühne ist.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

ICE bekommt ALLES, was ICE will.
ICE ist Trumps Lieblingsprojekt, seine Reality-Show

Nun wissen wir, warum DOGE so viel Geld einsparen sollte, weil es an ICE geht.

Aber das ist ein Groschengrab.
Ein schwarzes Loch.

So werden weiter Steuergelder, die eigentlich vom Kongress für andere Bereiche frei gegeben waren, gestoppt.
Dann reicht man beim Supreme Court Klage ein, dass es doch legitim sein muss, Gelder nach „Notwendigkeit“, letztlich am Kongress vorbei, zu verteilen.

MAGA jubelt.
Weil diese Dummen nicht raffen, dass es ihre Steuergelder sind.
Ihre eingesparten Gelder bei Foodstamp, Medicaid etc.

Trump versprach Milliarden an Kosten einzusparen.
Ja, hat er erstmal… aber nur um diese Gelder und noch mehr Geld in ICE zu stecken.

Wie Hitler in sein Prestigeobjekt SS.

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