Es war ein Satz, der in der Geschichte amerikanischer Außenpolitik wie ein Sprengsatz wirkte – beiläufig ausgesprochen, aber mit tektonischer Wucht. „Ich habe es autorisiert“, sagte Donald Trump am Mittwoch im Oval Office, als ein Journalist ihn fragte, ob die CIA tatsächlich in Venezuela operiere. Kein Dementi, keine Umschweife. Nur eine kühle Bestätigung, dass der Präsident den Auslandsgeheimdienst beauftragt hat, „Maßnahmen“ auf venezolanischem Territorium durchzuführen – eine Aussage, die selbst in der langen Geschichte amerikanischer Interventionen bemerkenswert offen ist.
Trump bestätigte am Mittwoch, dass er der Central Intelligence Agency die Durchführung geheimer Operationen in Venezuela genehmigt habe – Wenn die CIA in Venezuela ohne Zustimmung der dortigen Regierung agiert, verstößt das gegen Artikel 2 der UN-Charta, der die Souveränität und territoriale Integrität anderer Staaten schützt. Eine solche Operation ist also völkerrechtswidrig, es sei denn, sie ließe sich durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats oder durch Selbstverteidigung nach Artikel 51 rechtfertigen – was hier eindeutig nicht der Fall ist.
Trumps Begründung klang, wie so oft, nach improvisierter Ideologie: Venezuela habe „seine Gefängnisse in die Vereinigten Staaten entleert“, und „eine Menge Drogen komme aus Venezuela, vor allem übers Meer“. Zwei Sätze, die mehr über das Denken des Präsidenten verraten als über die Realität eines südamerikanischen Landes, das seit Jahren unter einer humanitären, wirtschaftlichen und politischen Katastrophe leidet. Was Trump als nationale Selbstverteidigung darstellt, ist in Wahrheit der Beginn eines geheimen Krieges, geführt ohne Debatte, ohne Aufsicht, ohne Zieldefinition – und ohne moralische Hemmung.
Seit Anfang September haben US-Streitkräfte nach offiziellen Angaben mindestens fünf Boote im Karibikraum zerstört, angeblich mit „mutmaßlichen Drogenschmugglern“ an Bord. 27 Menschen starben, vier der Boote sollen aus Venezuela gekommen sein. Keine unabhängige Untersuchung, keine Beweise, keine Namen. Das Pentagon spricht von „präventiven Maßnahmen zur Sicherung amerikanischer Grenzen“, doch die Zahlen und Orte erzählen eine andere Geschichte: Es handelt sich um gezielte militärische Operationen außerhalb des US-Territoriums, ohne Kriegserklärung, gestützt auf eine juristische Grauzone, die der Exekutive nahezu unbegrenzte Vollmachten gewährt.
Die CIA war in der Vergangenheit selten zimperlich, wenn es um Lateinamerika ging. Von Guatemala 1954 über Chile 1973 bis Nicaragua in den 1980er Jahren – überall dort, wo Washington eine ideologische Bedrohung witterte, folgten Geld, Waffen und Schattenarmeen. Doch was Trump nun offen bestätigt hat, markiert eine neue Stufe. Nicht, weil es die erste Intervention wäre, sondern weil sie ohne jedes rhetorische Tarnmanöver daherkommt. Kein Gerede von „Demokratieexport“ oder „humanitärer Verantwortung“, keine wohlklingenden Floskeln über Freiheit. Nur nackte Machtpolitik, begründet mit Drogen und Migranten.
Damit verschiebt Trump die Logik amerikanischer Außenpolitik noch einmal grundlegend. Wo frühere Regierungen ihre verdeckten Operationen als „nationale Sicherheitsinteressen“ verkauften, erhebt Trump sie zum Akt der persönlichen Vergeltung. Seine Erzählung ist die eines bedrohten Vaterlands, das sich gegen Invasoren und Giftstoffe verteidigen muss – eine militarisierte Fantasie, die er seit Jahren in seinen Reden pflegt. Nun bekommt sie operative Konsequenzen.
Trumps spontanes Eingeständnis, dass die CIA offiziell die Genehmigung für verdeckte Aktionen in Venezuela erhalten habe, entblößt auch den Verfall der Geheimhaltungskultur, die einst als Schutzschild amerikanischer Machtpolitik galt. Dass ein Präsident offen zugibt, den Auslandsgeheimdienst zur Intervention in einem souveränen Staat beauftragt zu haben, ist nicht nur diplomatisch brisant, sondern völkerrechtlich schon fast einmalig.
Denn die Autorisierung solcher Operationen fällt unter das sogenannte „covert action finding“ – eine Anordnung, die der Präsident persönlich unterschreibt und die normalerweise geheim bleibt. Sie erlaubt der CIA, Maßnahmen zu ergreifen, die „nicht ausschließlich der Informationsbeschaffung dienen“, also Sabotage, Einflussoperationen, Waffenlieferungen oder Unterstützung bewaffneter Gruppen. Der Kongress muss darüber in geheimer Sitzung informiert werden, doch eine öffentliche Bestätigung – wie Trump sie jetzt gab – ist nahezu beispiellos. Dass diese Worte ausgerechnet in einer Phase fallen, in der Washingtons Beziehungen zu Lateinamerika ohnehin am Tiefpunkt sind, ist kein Zufall. Die Migrationswelle, die aus Venezuela über Kolumbien bis in die USA reicht, ist längst zum politischen Zündstoff geworden. Trumps Team benutzt sie, um militärische Präsenz im Karibikraum zu legitimieren – und um innenpolitisch Stärke zu demonstrieren. Die Droge in dieser Erzählung ist nicht Kokain, sondern Angst.
Venezuelas Regierung reagierte erwartungsgemäß mit Empörung. Außenminister Yván Gil sprach von einem „eklatanten Bruch des Völkerrechts“ und warnte vor „terroristischen Handlungen unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung“. Doch die Reaktionen aus Europa blieben wie immer ganz schwach, die UNO schweigt. Washingtons militärische Dominanz in der Region ist zu erdrückend, um Widerspruch zu riskieren. Dass Trump in demselben Atemzug „Landoperationen“ in Venezuela in Erwägung zieht, zeigt, wie fließend die Grenzen zwischen verdecktem und offenem Krieg geworden sind. Was heute als Geheimdienstmission beginnt, kann morgen als Militäreinsatz enden – und zwar ohne dass der Kongress je darüber abstimmt. Die Lehre aus Afghanistan und Irak, dass Interventionen selten mit einem klaren Ziel enden, scheint in diesem Weißen Haus keine Rolle mehr zu spielen.
Im Hintergrund läuft eine Maschinerie, die schon längst wieder in den Modus der 1980er Jahre zurückgefallen ist: verdeckte Finanzierung, Zusammenarbeit mit Exilgruppen, Informationskriege. Washingtons alte Rezepte, nur diesmal unter einem Präsidenten, der keine Skrupel hat, sie laut auszusprechen. Das Gefährlichste an dieser neuen Offenheit ist ihre Normalisierung. Wenn ein Präsident ohne Belege ganze Länder als Quellen von Drogen und Verbrechen diffamiert und daraus das Recht ableitet, dort militärisch zu agieren, dann verschiebt sich die Schwelle des Akzeptablen. Es ist nicht nur ein Eingriff in Venezuelas Souveränität – es ist ein Angriff auf die Idee internationaler Ordnung selbst.
Trumps Worte im Oval Office klangen beiläufig, fast gelangweilt. Doch in ihnen steckt der Kern seiner Machttechnik: die bewusste Verwischung der Grenzen zwischen innen und außen, zwischen Recht und Gewalt, zwischen Fakt und Behauptung. Was als Drogenbekämpfung etikettiert wird, ist in Wahrheit eine Demonstration des Prinzips, das seine Präsidentschaft prägt – dass Macht nicht begründet werden muss, sondern genügt, wenn sie ausgeübt wird. Und während in der Karibik Boote versinken und Menschen sterben, während die CIA wieder in den Schatten tritt, bleibt die Frage, wer diese Operation eigentlich kontrolliert. Vielleicht lautet die Antwort: niemand. Denn wenn ein Präsident beginnt, den geheimen Krieg offen zu führen, dann ist das eigentliche Geheimnis nicht mehr, was geschieht – sondern, wie lange die Welt noch so tut, als ginge sie das nichts an und sich mit einem Emoji beruhigt. Was sind das nur für Zeiten.
Fortsetzung folgt …
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