Der Tag, an dem Trump endgültig jede Grenze verlor

VonRainer Hofmann

November 20, 2025

Es gibt Auftritte, bei denen selbst erfahrene Beobachter nicht mehr sicher sind, ob sie einer politischen Rede folgen oder dem freien Fall eines Mannes zusehen, der längst jeden Kontakt zur Realität verloren hat. Der Tag des Saudi Investment Forum in Washington war genau so ein Moment. Trump stand auf der Bühne zwischen Kronprinz Mohammed bin Salman, Milliardären, CEOs und Investoren – und versank in einer Folge von Sätzen, die so wirkten, als bräuchte er dringend jemanden, der ihm sagt, wo oben und unten ist.

Er begann mit einer Behauptung, die man nicht einmal in einer Comedy-Show ernst nehmen würde. Seine Umfrageleute hätten ihm gesagt, selbst wenn George Washington und Abraham Lincoln gemeinsam aus dem Grab steigen und als Präsident und Vizepräsident gegen ihn antreten würden, würde er sie „mit 25 Punkten schlagen“. Keine Ironie, keine Distanz. Er meinte es genau so. Für Trump ist Geschichte formbar, Realität ein Werkzeug, und am Ende geht es nur darum, wie großartig er sich selbst findet.

Dann holte er zum nächsten Ausflug in seine private Fantasiewelt aus. Er bezeichnete das Heimatschutzministerium als „dumm“, weil dort hunderte südkoreanische Arbeiter einer Batterieanlage festgenommen worden waren. Und er erzählte diese Episode, als hätte er persönlich den heroischen Befehl gegeben, das Chaos zu stoppen: „Ich sagte: Hört auf. Seid nicht dumm.“ Keine Fakten, keine Einordnung. Nur eine Selbstinszenierung, die den Raum füllte wie eine warme Luftblase.

Doch der Tag erreichte seinen bizarrsten Moment, als er über Susie Wiles sprach, seine Stabschefin und eine der einflussreichsten Personen in seinem Apparat. Trump erklärte, sie sei „die mächtigste Frau der Welt“ und könne „ein Land mit einem einzigen Telefonanruf zerstören“. Der Satz war eine Mischung aus Größenwahn und unfreiwilliger Offenbarung. Denn er verriet vor allem, wie Trump Macht denkt: nicht als Verantwortung, sondern als Drohkulisse. Wiles, geboren 1957, jahrzehntelang im politischen Betrieb, arbeitet nüchtern, organisiert, strategisch. Doch in Trumps Kopf wird sie zur Bond-Figur, die Nationen auseinanderbrechen lässt – ein Spiegelbild seiner eigenen Fantasie von absoluter Kontrolle.

Zwischendurch bemühte er sich kurz um Bescheidenheit, die sofort in sich zusammenfiel. „Ich will immer so bescheiden sein, wie ich kann“, sagte er – um im nächsten Satz zu verkünden, seine ersten neun Monate im Amt seien „die besten neun Monate, die ein Präsident je hatte“. Es war der alte Rhythmus: ein Hauch Demut, gefolgt von einer Lawine Selbstlob.

Und es ging weiter. Über Jerome Powell, den Vorsitzenden der Notenbank, sagte er, er würde dessen „Arsch nur zu gern feuern“. Powell müsse „gefeuert werden“, weil die Zinsen zu hoch seien. Für Trump ist die Federal Reserve kein unabhängiges Organ, sondern ein lästiger Gegner, der seine Launen nicht erfüllt. Und sein Finanzminister Scott Bessent, so Trump, mache nur einen Fehler: er habe die Notenbank nicht in den Griff bekommen.

Dann begann die große Zahlenzauberei. Vor den versammelten Wirtschaftsgrößen erklärte er, Joe Biden habe in vier Jahren weniger als eine Billion an Investitionen ins Land geholt, während er selbst in neun Monaten „achtzehn Billionen“ gesichert habe. Der Saal klatschte höflich, vielleicht verwundert, vielleicht amüsiert. Niemand im Raum konnte diese Zahl ernst nehmen. Doch Trump präsentierte sie als großen Triumph. Bis Jahresende, sagte er, werde es „über zwanzig Billionen“ sein. In seiner Welt entsteht Wohlstand durch die Kraft eines Satzes.

Zum Schluss verkündete er, die USA hätten Saudi-Arabien offiziell zum „wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten“ erklärt. Er wiederholte mehrfach, wie „groß“ diese Entscheidung sei. Es war sein selbsternannter Abschluss eines Tages, an dem er wirkte wie ein Mann, der von Satz zu Satz weiter abdriftet.

Was bleibt, ist der Eindruck einer Präsenz, die nicht führt, sondern taumelt. Ein Präsident, der historische Figuren in seine Erzählungen einbaut, als wären sie Statisten in seinem persönlichen Film. Der seine engsten Mitarbeiter zu allmächtigen Schattenherrschern überhöht. Der wirtschaftliche Zahlen erfindet, als könne er sie durch bloße Willenskraft herbeizaubern. Und der sich selbst in einer Rolle sieht, die schon lange nichts mehr mit dem zu tun hat, was außerhalb seiner Bühne existiert. Es war kein politischer Auftritt. Es war die Offenlegung eines geistigen Zustands, der immer schwerer zu übersehen ist. Ein Mann, der vor einem internationalen Publikum nicht Stärke zeigt, sondern Entgleisung. Und ein Moment, in dem klar wurde, dass seine Selbstinszenierung längst zum Ersatz für jede Form von Wirklichkeit geworden ist.

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Observer
Observer
1 Stunde zuvor

Sehr gut geschrieben!

Peter Schlenger
Peter Schlenger
11 Minuten zuvor

Fantastischer Artikel und sehr gut alles beschrieben.

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