Der Schatten unter dem Teppich – Wie Epsteins Akte die Trump-Regierung erschüttert

VonRainer Hofmann

Juli 12, 2025

Es war eine jener Wochen, in denen die Fassade zu bröckeln beginnt. Die Trump-Regierung hatte gehofft, mit einem kurzen Memo den Deckel auf dem Fass zu halten, doch was herausströmte, war Misstrauen, Wut – und eine tiefe Risslinie zwischen Justizministerium und FBI. Im Zentrum: die nie enden wollende Affäre um Jeffrey Epstein und das, was nie gefunden wurde – eine sogenannte „Kundenliste“, die nun offiziell gar nicht existiert. Am Montag veröffentlichte das Justizministerium gemeinsam mit dem FBI eine nüchterne Zwei-Seiten-Erklärung. Fazit: Es gebe keine Epstein-Kundenliste. Nichts auf Bondis Schreibtisch. Keine geheimen Namensreihen. Kein Dokument, das den Verschwörungserzählungen der radikalen Rechten Genüge tun würde. Damit aber geriet ein Gebäude ins Wanken, das sich Trump selbst errichtet hatte – aus Andeutungen, Versprechen und politischen Erzählungen über den „deep state“. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Auf Plattformen wie X explodierten die Kommentare. Aktivist:innen, Influencer und rechte Meinungsmacher, die sich monatelang an der Vorstellung einer riesigen Enthüllungskampagne berauscht hatten, fühlten sich getäuscht. Es war dieselbe Basis, die Trump einst mit der Aussicht gefüttert hatte, bald schon würden „alle Namen offengelegt“ – und nun war da nichts. Oder zumindest nichts Neues. Der Zorn war groß. Ob man ihn verstehen muss und gut finden sollte, muss jeder mit sich selbst ausmachen.

Die Situation eskalierte hinter verschlossenen Türen. Bereits am Dienstag trafen sich Donald Trump und seine Kabinettsmitglieder im Weißen Haus – doch im Hintergrund bereitete sich ein Sturm vor. Am nächsten Tag kam es zu einem offenen Streit zwischen Justizministerin Pam Bondi und dem stellvertretenden FBI-Direktor Dan Bongino. Bondi, die sich im Februar noch damit brüstete, „zehntausende Videos“ in Händen zu halten, stand nun als jemand da, der mehr versprochen hatte, als ihre Behörde liefern konnte – oder wollte. Bongino hingegen, selbst einst eine feste Größe der rechten Medienwelt, sah sich plötzlich in der Rolle des Sündenbocks. Auslöser war ein fragwürdiger Bericht des Senders NewsNation. Demnach habe das FBI die Epstein-Akten „schon vor Monaten“ veröffentlichen wollen, sei jedoch vom Justizministerium blockiert worden. Der Bericht zitierte keine Namen, aber einen „Vertrauten des Weißen Hauses“. Bondi, Todd Blanche (ihr Stellvertreter) und FBI-Chef Kash Patel dementierten – Bongino jedoch schwieg. Und das, so berichten Insider, brachte die Situation zum Überkochen. Die Konfrontation zwischen Bondi und Bongino wurde von einem angeblich anonymen Regierungsmitarbeiter als „konfrontativ und nachhaltig beschädigend“ beschrieben. Belege dafür gibt es aber keine. Es ging nicht nur um das Memo, sondern um Vertrauensverlust, persönliche Kränkungen – und um eine Basis, die auf Gerechtigkeit pochte und sich nun betrogen fühlte.

Denn was blieb, war wenig: eine Videoaufnahme aus Epsteins Zelle, die seinen Suizid belegen soll – jedoch mit einer mysteriösen, fehlenden Minute. Eine Akte mit dem Titel „Phase 1“, die konservativen Influencern im Februar stolz präsentiert wurde – jedoch nur bereits bekannte Informationen enthielt. Und ein sogenanntes „Little Black Book“, Epsteins berühmtes Adressverzeichnis, das ursprünglich 97 Seiten umfassen sollte – von denen allerdings nur 92 veröffentlicht wurden. Fünf Seiten fehlen, und das nicht am Ende, sondern mittendrin: Auf den Seiten 18, 36, 54, 83 und 91 klaffen auffällige Lücken. Warum diese Seiten fehlen, dazu äußert sich niemand. Offiziell heißt es, man wolle Opfer schützen – doch in den Augen vieler Kritiker nährt gerade diese Intransparenz den Verdacht, dass mächtige Namen bewusst unter Verschluss gehalten werden. Der Butler von Epstein, Alfredo Rodriguez, hatte angeblich bestimmte Seiten besonders markiert, von denen er glaubte, sie könnten kriminell relevante Kontakte enthalten. Laut FBI-Berichten von 2010 bezeichnete Rodriguez das Buch als „potenzielle Erpressungsliste“ – viele Namen seien mehrfach unterstrichen, eingekreist oder mit Randnotizen versehen worden. Eine Regierung, die versucht hatte, Erwartungen zu bedienen, die sie selbst nie hätte kontrollieren können, steht nun im Zentrum eines neuen Misstrauens. Die Öffentlichkeit hatte eine vollständige Aufklärung erwartet – und sieht sich nun mit einem Lückenwerk konfrontiert, das mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Am Freitag versuchte Blanche, die Wogen zu glätten. Auf X schrieb er, es gebe „keinerlei Differenzen“ zwischen FBI und Justizministerium – alle Beteiligten hätten das Memo gemeinsam verfasst, darunter auch Bongino. Doch letzterer, sonst omnipräsent in sozialen Netzwerken, blieb auffällig still. Laut der rechtsextremen Aktivistin Laura Loomer habe er am Freitag einen Tag freigenommen, um „über seinen Rücktritt nachzudenken“. Die Gerüchteküche brodelt weiter. Das Weiße Haus wiederum gab sich gelassen. Man arbeite geschlossen und entschlossen, erklärte Regierungssprecher Harrison Fields. „Jeder Versuch, Zwietracht in dieses Team zu tragen, ist haltlos.“ Nachgefragt: Aus sehr gut informierten Quellen wurde uns mitgeteilt: FBI-Vizedirektor Dan Bongino erwägt offenbar seinen Rücktritt und hat sich für heute den ganzen Tag freigenommen. Ob das sich wirklich so verhält, werden wir in den nächsten Tagen sehen.

Doch der Schaden ist längst da. Und vielleicht geht es gar nicht mehr nur um Epstein. Sondern um ein System, das sich in seiner eigenen Erzählung verfangen hat – und nun feststellt, dass es die Tür zum Keller aufgestoßen hat, in dem nichts liegt außer Fragen.

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Frank Schwalfenberg
3 Monate zuvor

Ja ja, fünf Seiten fehlen wegen dem „Opferschutz“. Sieht ziemlich nach „Täter-Opfer-Umkehr“ aus. Wenn die Adressen im Buch halbwegs alphabetisch sortiert sind, könnten auf der Seite 91 Namen stehen die mit „Tru-” anfangen. Könnten! Das ist jetzt reine Spekulation, aber wir wissen es halt nicht. Das Gegenteil kann so aber auch nicht bewiesen werden. 
Elon Musk wollte doch auch mal etwas zum Thema Epstein veröffentlichen.
Wahrscheinlich ist der Sumpf viel tiefer, als alle befürchten.
Und bei allem, was ich über Epstein erfahren habe, dürfte er „Video-Beweise“ gegen möglichst alle gesammelt haben, die ihm gefährlich werden könnten.

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Al Capone stolperte über ein Steuerproblem… nicht über seine vielen anderen Verbrechen.

Epstein hat das Potential das Gleiche für Trump zurück werden.
Aber wahrscheinlich werden alternative Beweise kreiert um diese Geschichte glaubhaft zu machen.

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