Der Schatten des Staates – Wie eine Ehefrau gegen die Entmenschlichung ihres Mannes kämpft

VonRainer Hofmann

April 17, 2025

Es war ein Mittwoch im April, als die Wahrheit sich wieder einmal in die kalten Schatten der Propaganda verirrte. Auf der Regierungsplattform X, wo Worte zu Waffen werden und Dokumente gezielt gestreut werden wie Flugblätter in einem Krieg der Deutung, veröffentlichte die Trump-Administration den Ausschnitt eines privaten Familiendramas – nicht als Suche nach Gerechtigkeit, sondern als rhetorischen Sprengsatz. Die Frau, Jennifer Vasquez Sura, hatte vor vier Jahren einen zivilen Schutzantrag gegen ihren Ehemann, Kilmar Abrego Garcia, gestellt – eine Handlung aus Angst, nicht aus Hass. Aus Vorsicht, nicht aus Verachtung. Und nun sollte genau dieses Relikt einer überwundenen Krise zur Anklageschrift gegen einen Mann werden, den die Regierung widerrechtlich deportierte und dessen Ruf sie nun systematisch vernichtet.

Kilmar Abrego Garcia – kein Krimineller, kein Angeklagter, kein Verurteilter. Und doch zum öffentlichen Feind erklärt. In einer Epoche, in der Unschuld kein Schutz mehr ist und eine Schutzanordnung zum Urteil wird. „Angesichts des Sensationalismus vieler Menschen in diesem Raum könnte man meinen, wir hätten einen Kandidaten für den Vater-des-Jahres-Preis abgeschoben“, höhnte Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, während die Fernsehkameras aufblitzten und die Empathie im Saal erlosch. Es war kein zufälliger Satz, sondern ein gezielter Akt der Entmenschlichung – so routiniert und skrupellos, wie es in totalitären Systemen gelehrt wird.

Doch Jennifer Vasquez Sura antwortete mit Würde. Inmitten der organisierten Vernichtung ihrer Ehe und ihres Mannes erklärte sie Journalisten, dass sie in einer früheren Beziehung Gewalt erlebt hatte, dass sie damals vorsichtig war – zu Recht – aber dass es mit Kilmar niemals zu Eskalationen gekommen sei. Keine Anklage. Kein Verfahren. Kein Urteil. Der Schutzantrag wurde nie verhandelt, weil sie ihn zurückzog. Stattdessen suchte das Paar Hilfe. Therapie. Zeit. Und die Ehe überlebte – nicht trotz der Krise, sondern durch sie. In einem Land, das sich gerne „pro-family“ nennt, wurde diese Wahrheit nicht gewürdigt, sondern zur Gefahr erklärt. Was zählt schon eine private Versöhnung, wenn sie dem großen Narrativ im Weg steht? Was wiegt eine Ehefrau, die Gnade fand, gegen einen Staat, der sich zur absoluten Autorität aufgeschwungen hat?

Der Fall von Abrego Garcia ist exemplarisch für das neue Gesicht des amerikanischen Autoritarismus. Hier wird nicht Recht gesprochen, sondern Angst verbreitet. Es gibt keine Richter, nur PR-Berater; keine Tatsachen, nur inszenierte Schuld. Die Veröffentlichung des Schutzantrags war kein Versehen – sie war ein Signal an alle: „Wir werden finden, was wir brauchen, um dich auszulöschen.“ Noch gravierender ist die Rolle der Justiz selbst. Der zuständige Bundesrichter hat das Justizministerium mehrfach aufgefordert, belastende Informationen oder Anklagen vorzulegen. Doch nichts wurde geliefert. Der Anwalt des Justizministeriums, Erez Reuveni, musste später gehen. Vielleicht, weil er nicht bereit war, aus einem Schutzantrag einen Schuldspruch zu zimmern. Vielleicht, weil er, in einem kurzen Moment der Wahrheit, den wir live erlebten, erklärte: „Die Regierung hat hier die Entscheidung getroffen, keine Beweise vorzulegen“.

Und während die Beweiskette weiter leer bleibt, marschiert die Propagandamaschine weiter – flankiert von Mordfällen wie dem von Rachel Morin, einer jungen Frau, deren Tod tragisch war, aber nichts mit Abrego Garcia zu tun hat. Leavitt nutzte ihren Namen wie ein Banner im Kampf um die öffentliche Meinung. „Niemand weiß das besser als die Frau, die zu meiner Rechten steht, Patty Morin,“ sagte sie und verband geschickt Emotion mit Abschiebepolitik. So wird aus Einzelfall Rache, aus Einwanderung ein Kriegsakt, aus Jennifer Vasquez Sura eine unerwünschte Stimme.

Doch ihre Stimme blieb klar: „Das ist keine Rechtfertigung dafür, dass ICE ihn entführt und in ein Land abgeschoben hat, aus dem er eigentlich Schutz genießen sollte.“ Ein Satz, still und kraftvoll. In ihm liegt mehr Rechtsstaatlichkeit als in der gesamten Inszenierung der Regierung. Wenn man in diesen Tagen durch Amerika geht, begegnet man vielen Mauern – unsichtbaren wie sichtbaren. Doch die gefährlichste Mauer ist diejenige, die zwischen Mensch und Mensch gezogen wird: Die Linie, die trennt zwischen „wir“ und „die da“, zwischen „würdig“ und „illegal“. Diese Linie hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Sie ist eine Waffe – und Kilmar Abrego Garcia ist ihr neuestes Opfer.

Was bleibt, ist ein Ruf: nicht nach Mitleid, sondern nach Wahrheit. Ein Staat, der Menschen entführt und dann Akten gegen sie streut wie Asche auf einem Scheiterhaufen, hat das Recht verloren, sich Hüter der Moral zu nennen. Und Jennifer Vasquez Sura? Sie steht immer noch da, fest in ihrer Überzeugung. Nicht, weil ihr Mann perfekt sei – sondern weil keiner es ist. Und weil genau, das die Menschlichkeit ausmacht, die dieser Staat zu zerstören versucht.

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