Was hier gerade passiert, ist weniger eine kulturpolitische Entscheidung als eine Machtdemonstration. Ein Präsident, der ein Gremium nach eigenen Vorstellungen umbaut, Kritiker entlässt, loyale Parteigänger einsetzt und sich anschließend von genau diesem Kreis ehren lässt, gibt sich überrascht und geehrt. Dass Donald Trump erklärt, er sei „überrascht“ gewesen, als das Kennedy Center nach ihm benannt wurde, wirkt nicht nur unglaubwürdig, sondern offenbart ein erstaunliches Maß an Realitätsverzerrung – oder eine bemerkenswerte Kaltschnäuzigkeit im Umgang mit öffentlichen Institutionen.

Der Widerstand kommt ausgerechnet aus der Familie Kennedy selbst. Kerry Kennedy, Präsidentin des Robert & Ethel Kennedy Human Rights Center, stellt unmissverständlich klar, dass Donald Trump für das Gegenteil jener Werte steht, für die John F. Kennedy politisch und moralisch eingetreten ist. Gerechtigkeit, Frieden, Gleichheit, Würde, Vielfalt und Mitgefühl seien keine dekorativen Begriffe, sondern gelebte politische Haltung gewesen. Trump hingegen habe im vergangenen Jahr gezielt Kunstschaffende, Journalistinnen, Journalisten und Komiker angegriffen, freie Ausdrucksformen eingeschränkt und historische Leistungen anderer aus dem öffentlichen Gedächtnis gedrängt. Sein Name, so Kennedy, habe an dieser Stelle nichts verloren.

Kerry Kennedy (@KerryKennedyRFK)
(1/2) Präsident Trump und seine Regierung haben im vergangenen Jahr die freie Meinungsäußerung unterdrückt, Künstlerinnen und Künstler, Journalistinnen und Journalisten sowie Komiker ins Visier genommen und die Geschichte von Amerikanerinnen und Amerikanern ausgelöscht, deren Beiträge unser Land besser und gerechter gemacht haben.
(2/2) Präsident Kennedy stand mit Stolz für Gerechtigkeit, Frieden, Gleichheit, Würde, Vielfalt und Mitgefühl für jene, die leiden. Präsident Trump steht im Gegensatz zu diesen Werten, und sein Name sollte nicht neben dem von Präsident Kennedy stehen.

Auch Maria Shriver findet deutliche Worte. Es sei jenseits jeder Vorstellungskraft, dass Trump glaube, seinen Namen an ein Denkmal für ihren Onkel heften zu können – und ebenso befremdlich, dass er dies offenbar für legitim hält. Ihr Bruder Tim Shriver nennt die Umbenennung eine Beleidigung für einen Präsidenten, der Kultur nicht instrumentalisierte, sondern förderte. John F. Kennedy habe die Künste ins Weiße Haus geholt, nicht, um sich selbst zu erhöhen, sondern um ihnen Raum zu geben. Dass Trump womöglich als Nächstes den internationalen Flughafen in New York oder andere Gedenkstätten umbenennen wolle, ist als Gedankenspiel bitter genug, um nicht ganz abwegig zu wirken.

Tim Shriver (@TimShriver)
Vielleicht ist dem Board nicht bewusst, dass das Kennedy Center DAS Denkmal für den Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, ist. Würde man das Lincoln Memorial umbenennen? Oder das Jefferson Memorial? Das wäre eine Beleidigung großer Präsidenten. Das hier ist ebenfalls eine Beleidigung eines großen Präsidenten.
Ungeachtet dieses kurzsichtigen Handelns ist und bleibt es das John F. Kennedy Center for the Performing Arts.
Die Kritik beschränkt sich nicht auf die Familie. Derrick Johnson, Präsident und CEO der NAACP, stellt die entscheidende Frage: Welche Leistung rechtfertigt es überhaupt, Donald Trump auf eine Stufe mit John F. Kennedy zu stellen? Kennedy habe das Land zum Mond geführt, zentrale Bürgerrechtsgesetze vorangebracht und die Welt am Rand eines Atomkriegs stabilisiert. Trump hingegen betreibe vor allem Selbstvermarktung. Er heize internationale Konflikte an, schüre gesellschaftliche Spaltung und treibe Lebenshaltungskosten sowie Arbeitslosigkeit nach oben. Seinen Namen an eine Institution wie das Kennedy Center zu setzen, sei schlicht beschämend.

„Nationales Denkmal“
„Abschnitt 11. Das John F. Kennedy Center for the Performing Arts, wie es durch dieses Gesetz bestimmt wird, soll das alleinige nationale Denkmal für den verstorbenen John Fitzgerald Kennedy innerhalb der Stadt Washington und ihrer Umgebung sein.
Abschnitt 2. Zusätzlich zu den durch den ersten Abschnitt dieses Gesetzes vorgenommenen Änderungen gilt, dass jede Benennung oder Bezugnahme auf das Nationale Kulturzentrum in jedem anderen Gesetz, jeder Karte, Verordnung, jedem Dokument, Register oder sonstigen Schriftstück der Vereinigten Staaten als Benennung oder Bezugnahme auf das John F. Kennedy Center for the Performing Arts zu verstehen ist.“
Unterschriften:
John W. McCormack
Sprecher des RepräsentantenhausesCarl Hayden
Präsident pro tempore des SenatsBild oben links: Der erste Spatenstich durch Präsident Lyndon B. Johnson am 2. Dezember 1964 – Die Eröffnung war aber erst im Jahr 1971.
Auch politisch ist der Vorgang hoch umstritten. Der demokratische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, nennt die Umbenennung eine Schande und weist darauf hin, dass das Gremium dazu ohne parlamentarische Grundlage gar nicht befugt sei. Dass sich Mitglieder eines von Trump handverlesenen Boards einem Präsidenten unterwerfen, der landesweit an Zustimmung verliert und dessen Regierungsbilanz zunehmend infrage steht, sei ein Armutszeugnis. Jeffries spricht von Unterwerfung – und von einem Machtverständnis, das Institutionen nicht respektiert, sondern benutzt.
Trump selbst reagiert, wie so oft, mit Selbstlob. Das Gremium sei „sehr angesehen“, er fühle sich geehrt. Dass er dieses Gremium zuvor gezielt umgebaut, missliebige Mitglieder entlassen und loyale Verbündete eingesetzt hat, blendet er aus. Ebenso, dass er sich anschließend selbst zum Vorsitzenden wählen ließ. Der Ablauf ist transparent, die Behauptung der Überraschung wirkt geradezu absurd.
Am Ende bleibt ein Vorgang, der mehr über Donald Trump aussagt als über das Kennedy Center. Es geht nicht um Kunst, nicht um Erinnerung, nicht um Geschichte. Es geht um Besitzanspruch. Um das Bedürfnis, selbst dort den eigenen Namen zu platzieren, wo er weder hingehört noch erwünscht ist. Dass ausgerechnet das Andenken an John F. Kennedy dafür herhalten soll, macht den Vorgang nicht nur größer – sondern demütigend.
Updates – Kaizen Kurznachrichten
Alle aktuellen ausgesuchten Tagesmeldungen findet ihr in den Kaizen Kurznachrichten.
Zu den Kaizen Kurznachrichten In English