Der Mann, der schwieg – und der sagte, er könne Trump zerstören

VonRainer Hofmann

November 13, 2025

Es gibt Momente, in denen die Vergangenheit zurück in das grelle Licht der Gegenwart springt, als hätte sie nur darauf gewartet, wieder Macht über die Gegenwart zu gewinnen, Abgründe eines Mannes, der sich selbst längst vor der Welt verurteilt hatte. Doch inmitten all dieser Geister aus einem verrotteten Leben zieht sich ein roter Faden, der leuchtet wie eine Warnsirene: Es ist der Name Donald Trump.

Epsteins Freundschaft zu Trump endete offiziell in den 2000er Jahren, aber für Epstein war sie nie vorbei. Er beobachtete ihn weiter, kommentierte jeden Schritt, protzte mit Wissen, das niemand überprüfen konnte, und inszenierte sich als einziger, der wirklich verstehe, wie dieser Mann funktioniere. „Der Hund, der nicht gebellt hat“, schrieb er 2011 an Ghislaine Maxwell, und meinte damit Trump – ein Hinweis auf ein Schweigen, das ihn irritierte, ja bedrängte. In dieser E-Mail behauptete Epstein, Virginia Giuffre habe „Stunden in meinem Haus mit ihm verbracht“, und dennoch sei Trumps Name „nie erwähnt worden“. Giuffre widersprach Jahre später entschieden: Trump habe sie niemals angefasst, nicht einmal angebaggert. Aber für Epstein war die Wahrheit nur Rohmaterial, das man nach Belieben kneten konnte.

In einem ungewöhnlichen Schritt ignorierte Trump nach der Unterzeichnung des Gesetzes wirklich jede einzelne Frage zu Jeffrey Epstein – und in Panik geratene Mitarbeiter des Weißen Hauses begannen, die Journalisten aus dem Raum zu drängen. Es war noch nie so offensichtlich wie jetzt. Trump steht mit dem Rücken zur Wand. Und das, was jetzt sichtbar wird, ist nur der Vorspann.

Die Dokumente zeigen einen Mann, der glaubte, Trump jederzeit treffen zu können, wenn er wollte – und der damit hausieren ging. Im Jahr 2012 schrieb Epstein an seinen Anwalt, man solle doch einmal Trumps Finanzen ausleuchten, den Kredit auf Mar-a-Lago, die ominösen 30 Millionen Dollar, von denen er behauptete, Trump erhalten zu haben. Wenig später bot er einem Reporter des New York Times Magazine Fotos an, die er möglicherweise gar nicht besaß: „Willst du Bilder von Donald und Mädchen in Bikinis in meiner Küche?“ Der Reporter bekam nie welche zu sehen. Aber in Epsteins Kopf reichte schon die Andeutung, um zu fühlen, dass er wieder Bedeutung hatte.

Je näher Trump dem Weißen Haus kam, desto mehr verwandelte sich Epstein in einen Chronisten seiner angeblichen Schwächen. Er schrieb, Trump sei „grenzwertig irre“, sprach von einer „Fassade“ aus erfundenem Reichtum und lästerte über den Präsidenten wie über einen Nachbarn, den man nie leiden konnte, über Casinos, Fluglinien, Bankrotte. Die Dynamik ist klar: Epstein suchte ein Druckmittel. Vielleicht suchte er sogar Erlösung.

In den Mails findet sich auch der bizarre Plan, dass Epstein selbst an die Öffentlichkeit gehen solle, als Gegengeschichte zu einem Enthüllungsbuch über seine eigenen Verbrechen. Der Buchautor Wolff empfahl ihm, ein Anti-Trump-Narrativ aufzubauen, um die Aufmerksamkeit umzuleiten. Epstein zögerte, doch die Idee gefiel ihm. Es wäre, so schrieb Wolff, „politischer Schutz“, den er dringend brauche. Und vielleicht glaubte Epstein, er könne sich damit sogar moralisch aufwerten – ein Gedanke, der nur in der Logik eines Mannes Sinn ergibt, der längst jede Bodenhaftung verloren hatte.

Je tiefer man in die Vergangenheit eintaucht, desto deutlicher wird, dass viele davon reine Angeberei waren. Doch manche Sätze stechen heraus. Im Dezember 2018, kurz bevor die Aufarbeitung seines alten Deals aus Florida wieder Fahrt aufnahm, schrieb ein Bekannter, die Ermittlungen seien in Wahrheit ein Versuch, „Trump zu erledigen“. Epstein antwortete: „Es ist verrückt … denn ich bin derjenige, der ihn erledigen kann.“ Wenige Monate später wurde Epstein am Flughafen von New Jersey verhaftet.

In einer weiteren Nachricht behauptete er, Trump habe „natürlich von den Mädchen gewusst“ und Ghislaine gebeten, „damit aufzuhören“. Trump bestreitet das vehement und sagt bis heute, er habe Epstein verstoßen, nachdem dieser Giuffre aus Mar-a-Lago weggeholt habe. Doch die E-Mails sprechen nicht über Fakten, sie sprechen über Vorstellungen – über Epsteins Überzeugung, dass er Wissen besitze, das ihn unantastbar mache.

Das vielleicht Bemerkenswerteste an dieser Lawine: Nirgends taucht eine einzige Antwort von Trump oder seinem Umfeld auf. Alles, was wir sehen, sind Epsteins Mails – seine Projektionen, seine Arroganz, sein Größenwahn. Ein Mann, der glaubte, Zugang zu allen Türen zu haben, obwohl er längst keiner mehr besaß. Ein Mann, der ständig davon sprach, Trump zu verstehen, ja Trump zerstören zu können, und der doch nur in seinem eigenen Spiegelkabinett herumirrte. Und ein Land, das jetzt, im Herbst 2025, erneut mit der Frage konfrontiert ist, wie eng diese beiden Männer wirklich standen – und welche Wahrheiten noch unter den Teppichen von Mar-a-Lago liegen.

Was bleibt, ist der Satz, den Epstein schrieb, als die Panik ihn bereits im Nacken packte: „Ich bin derjenige, der ihn erledigen kann.“ Er glaubte das wirklich. Und vielleicht ist genau das der tiefste Einblick, den diese Akten bieten – in die Selbstüberschätzung eines Mannes, der dachte, Macht sei etwas, das man durch Andeutungen kontrollieren könne. Doch am Ende blieb von seiner Macht nichts übrig außer E-Mails, die ihn entlarven. Und ein Schweigen, das lauter ist als alles, was er je geschrieben hat.

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Ela Gatto
Ela Gatto
22 Stunden zuvor

Da sieht man doch, wie nah Trump und Epstein im Geiste waren.

Schaumschläger.
Männer, die in ihrer eigenen Realität leben.
Gedanken als Fakten präsentieren.

Nur was bedeutet das in Bezug auf die Epstein Files?
Werden sie von den Republikanern als Ergebnis eines irren und realitätsfremden Mannes niedergemacht?
Eines Mannes, der nur im Selbstmord einen Ausweg sah?

Es bleibt sehr spannend.
Danke für diesen Bericht.

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