Der Alptraum im Ostkongo

VonRainer Hofmann

Februar 24, 2025

Der Alptraum im Ostkongo: Massaker, Vergewaltigungen, verbrannte Leichen – und die Welt schaut weg.

Mehr als 70 Leichen – Frauen, Kinder, ältere Menschen – werden in einer Kirche entdeckt. Mit Macheten enthauptet, die Hände auf den Rücken gefesselt. Ein weiteres Massaker im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK), ein weiteres Kapitel in einem Krieg, den die Welt längst vergessen hat. Aber für die Menschen dort ist dieser Horror Alltag.

Die Täter? Vermutlich die ADF (Allied Democratic Forces) – eine ursprünglich ugandische Miliz, die seit Jahrzehnten mordend durch den Kongo zieht und sich mittlerweile offen zum Islamischen Staat bekennt. Der ugandische Präsident schickt Truppen ins Nachbarland – offiziell, um die ADF zu bekämpfen, vielleicht aber auch, um die Offensive der ruandisch unterstützten M23-Rebellen zu kontrollieren oder sogar zu koordinieren. Ein Stellvertreterkrieg mitten in Afrika, während die Welt lieber auf andere Krisen blickt.


Goma fällt – und mit ihr jede Hoffnung

Währenddessen bricht in der Millionenstadt Goma die Hölle los. Die von Ruanda unterstützten M23-Rebellen haben die Stadt Anfang Februar eingenommen, Kongos Armee hat sich zurückgezogen – entgegen aller Beteuerungen der Regierung. Kaum waren die Soldaten weg, begannen die Massaker. Fast 3.000 Tote, sagen die Vereinten Nationen. 800, behauptet die M23-Führung – und dann auch nur „Kämpfer“.

Aber die Zahlen sagen nichts über das unermessliche Leid, das sich vor Ort abspielt. Vergewaltigungen sind ein fester Bestandteil dieses Krieges, eine systematische Kriegswaffe. Frauen werden verschleppt, missbraucht, versklavt – von allen Seiten.

Solange, 35 Jahre alt, ist eines der unzähligen Opfer. Zwei Dorfbewohner finden sie nach einer Gruppenvergewaltigung blutend im Gebüsch, bringen sie in eine Klinik, wo sie nicht einmal erfährt, welche der hastig verabreichten Pillen eine Schwangerschaft verhindern soll. Zwei Wochen später lebt sie in einem Notlager am Krankenhaus. Ihre Wunden sind tief, ihre Zukunft ungewiss. Ihr Mann wurde von der M23 ermordet, weil er sich weigerte, sich ihnen anzuschließen. Sein Name war Innocence – Unschuld.

Vergewaltigung als Kriegsstrategie – von beiden Seiten

Es wäre einfach, die Brutalität nur einer Kriegspartei zuzuschreiben, aber die Wahrheit ist düsterer. Nicht nur die M23-Rebellen setzen auf sexualisierte Gewalt – auch Kongos Regierungstruppen.

Das UN-Menschenrechtsbüro spricht von 52 Frauen, die allein in Süd-Kivu von Soldaten der kongolesischen Armee vergewaltigt wurden – Gruppenvergewaltigungen eingeschlossen. Seit Jahrzehnten werden Frauen im Ostkongo Opfer dieser systematischen Gewalt, doch in den letzten Monaten ist das Ausmaß besonders erschreckend. Ein Krieg, in dem Frauen nicht nur als Opfer, sondern als Zielscheibe dienen.

Das Grauen im Gefängnis von Goma – verbrannt, nachdem sie vergewaltigt wurden?

Doch es geht noch tiefer. Am 27. Januar nehmen die M23-Rebellen Goma ein – und in der Stadt bricht sofort Chaos aus. Kongos Soldaten fliehen, werfen ihre Uniformen weg, um unterzutauchen. Rumänische Söldner, die die Regierung als Söldnertruppen angeheuert hatte, verschanzen sich auf UN-Gelände.

Und dann ist da noch das Zentralgefängnis von Goma. Dort spielt sich eine weitere Katastrophe ab. Ein Feuer bricht aus, über 90 Frauen sterben in den Flammen. Manche Berichte sprechen davon, dass männliche Insassen zuvor Massenvergewaltigungen begangen haben, bevor sie flohen. Andere sagen, die Frauen hätten das Feuer selbst gelegt, um Akten zu verbrennen oder einen Ausbruch zu erzwingen.

Die Wahrheit? Kaum noch nachvollziehbar. Die verkohlten Leichen werden elf Tage später in Leichensäcke gepackt, während ein Gefängniswärter mit leerem Blick zuschaut.

Weltweite Gleichgültigkeit – ein Flächenbrand droht

Der Krieg im Kongo ist kein Bürgerkrieg. Es ist ein Stellvertreterkrieg, angeheizt durch geopolitische Interessen, durch den Ressourcenhunger fremder Länder und Regierungen, durch das systematische Versagen der internationalen Gemeinschaft. Und während die Menschen vor Ort in nackter Angst leben, während Frauen massenhaft vergewaltigt, verstümmelt oder ermordet werden, während Leichen in Kirchen gestapelt werden, bleibt das internationale Echo erschreckend leise.

Wie lange noch? Wie lange wird die Welt wegsehen, bevor dieser Konflikt – wie so viele zuvor – in einem blutigen regionalen Flächenbrand endet?

Solange hofft nur, dass sie überlebt. Für ihre Kinder. Für eine Zukunft, die ihr Mann nicht mehr hat. Und während wir hier lesen, verbluten irgendwo im Kongo die nächsten Opfer eines Krieges, den keiner aufhalten will.

Das letzte Opfer: Sein Name war Innocence. Unschuld

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