Die Bilder sprechen für sich. Minneapolis’ Bürgermeister Jacob Frey und Polizeichef Brian O’Hara sagen nichts, während auf einer Leinwand zu sehen ist, wie Bundesbeamte einen jungen Mann gegen eine Metalltür drücken, ihn im Schnee in einen Würgegriff nehmen und zu Boden zwingen. Der Mann heißt Mubashir. Er ist 20 Jahre alt. Er ist Somali-Amerikaner. Und er ist US-Staatsbürger. Die Aufnahmen stammen aus dem Stadtteil Cedar-Riverside. Sie zeigen, wie Mubashir auf offener Straße von maskierten Beamten angegangen wird. Die Männer identifizieren sich nicht als ICE. Mubashir sagt ihnen mehrfach, dass er US-Bürger ist. Er ruft, dass er seinen Ausweis dabei hat. Er fragt, was los ist. Es interessiert niemanden.
Stattdessen wird er in den hinteren Treppenaufgang eines Gebäudes gedrückt, immer wieder gefragt, warum er renne. Umstehende filmen, Menschen rufen durcheinander, protestieren. Mubashir schreit: „Ich bin Bürger“, „Ich habe meinen Ausweis“. Ein Beamter mit ICE-Weste legt ihm den Arm um den Hals, drückt ihn in den Schnee und bringt ihn in ein ziviles Fahrzeug.
Danach wird Mubashir in das Bishop Henry Whipple Federal Building in Fort Snelling gebracht. Ihm werden Fußfesseln angelegt. Er wird in eine Zelle gesperrt. Erst dort, nach der Festnahme, nach dem Freiheitsentzug, wird geprüft, wer er ist. Fingerabdrücke werden genommen. Erst dann darf er seinen Ausweis zeigen. Der Nachweis ist eindeutig. US-Staatsbürger. Rund zwei Stunden später wird er freigelassen. Keine Entschuldigung. Keine Erklärung.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal vor all diesen Kameras und Mikrofonen stehen würde, aber was mir passiert ist, darf nicht stillschweigend hingenommen werden“, sagte Mubashir auf einer Pressekonferenz. Er schilderte die körperlichen und seelischen Folgen davon, wie ein Krimineller behandelt worden zu sein, nur weil er Somali-Amerikaner ist. „Ich fühlte mich, als würde ich angegriffen. Als würde ich entführt.“
Bei der Pressekonferenz im Rathaus bestätigen Bürgermeister Frey und Polizeichef O’Hara öffentlich, dass Mubashir amerikanischer Staatsbürger ist. Frey findet klare Worte. Man könne niemanden zu Boden werfen, nur weil er somalisch aussehe. Man könne jemanden nicht wegen Einwanderung festsetzen, wenn er ein vollständig legaler amerikanischer Bürger sei. Der Grund für den Zugriff sei einzig und allein sein Aussehen gewesen.
Der Hintergrund ist eine groß angelegte Aktion der Bundesbehörden. Unter dem Namen „Operation Metro Surge“ haben Bundesbeamte in den vergangenen Tagen die Twin Cities überzogen und Menschen festgenommen, die sich illegal im Land aufhalten oder Straftaten begangen haben sollen. Das Heimatschutzministerium erklärt, man konzentriere sich auf Kriminelle. Stadtvertreter und Anwohner berichten etwas anderes. Sie sehen gezielte Zugriffe auf Latino- und Somali-Communities. Und sie sehen, dass dabei auch Bürger festgenommen werden, die keinerlei Straftat begangen haben. ICE äußert sich zunächst nicht zu dem Vorfall. Mubashir selbst schildert, wie ein maskierter Mann plötzlich auf ihn zulief, ohne sich vorzustellen. Er war gerade in der Mittagspause. Er war erst Sekunden draußen, sagt er, als jemand mit voller Geschwindigkeit auf ihn zugerannt sei. Er habe sofort gesagt, dass er US-Bürger ist. Es habe niemanden interessiert.
Der Fall steht nicht allein. Familien, Journalisten, Bürgerrechtsgruppen und lokale Politiker schlagen seit Tagen Alarm, weil immer häufiger Menschen von ICE festgenommen werden, die keine Straftaten begangen haben – und in einigen Fällen nicht einmal ausländerrechtlich betroffen sind. In Minneapolis wurde auch eine 55-jährige Frau festgenommen, die lediglich eine ICE-Aktion beobachtete und sich weigerte, den Ort zu verlassen.
„Ich begann zu schreien: ‚Hilfe!‘, weil ich entführt wurde“, sagte sie. Die Beamten sagten ihr, sie solle sich „in Acht nehmen“ – sonst würden sie Pfefferspray einsetzen. „Kurz darauf warfen sie mich zu Boden, legten mir Handschellen an und steckten mich in ihren unmarkierten Wagen.“ Susan Tincher sagt, sie habe stets in Hörweite der Beamten gestanden und nichts getan, um sie zu „behindern, einzuschüchtern oder in irgendeiner Weise zu stören“.
Minnesotas Gouverneur Tim Walz spricht von ernsthaften Sorgen um die Bürgerrechte und das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Bundesbehörden. In einem Schreiben fordert er Heimatschutzministerin Kristi Noem auf, die Verfassung zu achten, die Einsätze zu überprüfen und Beamte, die rechtswidrig gehandelt haben, beurlauben zu lassen.
Auch politisch hat der Vorfall Folgen. Der Stadtrat von Minneapolis berät über eine Verschärfung der städtischen Trennungsregelung, die es Stadtbediensteten untersagt, bei der Durchsetzung von Bundes-Einwanderungsrecht zu helfen. Künftig sollen alle städtischen Mitarbeiter geschult werden. Einsätze, bei denen die Polizei bei Bundesaktionen für Ordnung sorgt, sollen dokumentiert werden. Ratsmitglied Jason Chavez sagt offen, warum das nötig sei: weil Somali-Menschen in Minneapolis von einer feindseligen Bundesregierung festgesetzt würden und Familien auseinandergerissen werden. Der Fall Mubashir zeigt, wie schnell es gehen kann. Ein falscher Zugriff. Ein Blick auf die Hautfarbe. Ein Moment, in dem niemand zuhört. Dass er freikam, ist kein Zeichen von Milde. Es zeigt nur, wie spät geprüft wird.
Für uns hat sich Weihnachten 2025 damit erledigt. Man kann nicht Weihnachten feiern und gleichzeitig akzeptieren, dass Menschen in ICE-Haft sitzen – oder zu Boden geworfen werden –, obwohl sie nichts getan haben. Man kann nicht sagen: „Hey, da müsst ihr jetzt durch, wir feiern gerade.“ Das geht nicht. Wer da noch wegschauen, bitteschön, wir nicht. Auf Weihnachten sind viele ICE-Aktionen geplant, weil bekanntlich viele Familien sich zusammen mit anderen Angehörigen an einem Platz aufhalten. Das Warnsystem funktioniert ganz gut, auch wenn ICE darauf Druck macht und mit empfindlichen Strafen droht – Ganz ehrlich: „Sollen sie doch“ – Weihnachten 2025, es wird die Hölle und wir werden aus dieser berichten, auch als Warnung an die Welt, wie menschenunwürdig Rechtspopulismus wird, wenn man diesen wählt. Also, Hände weg von der AFD, oder man sieht sich wieder in der Hölle.
Wenn selbst US-Staatsbürgerschaft erst in der Zelle zählt, dann ist klar, wie brüchig der Schutz geworden ist. Das kann jedem passieren, auch IHNEN.
Investigativer Journalismus braucht Mut – und Ihre Unterstützung.
Investigativer Journalismus ist wichtig, weil er dort recherchiert, wo andere nicht mehr hingehen, und damit dafür sorgt, dass öffentlich wird, was für das Verständnis der Wirklichkeit entscheidend ist. Unterstützen Sie uns dabei, dem entgegenzutreten, was derzeit auf der Welt geschieht, und den betroffenen Menschen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie dringend benötigen.
Unabhängig – Kritisch – Für alle
Danke, dass Sie unsere unabhängige Arbeit möglich machen.
Updates – Kaizen Kurznachrichten
Alle aktuellen ausgesuchten Tagesmeldungen findet ihr in den Kaizen Kurznachrichten.
Zu den Kaizen Kurznachrichten In English
Es ist empörend wenn Rassisten und Faschisten das Sagen haben……
Ich erkenne Amerika nicht wieder – ein böser Traum der nicht enden will!