Es war ein kühler, nüchterner Satz, der die politischen Machtzentren in Tallahassee und Washington erschütterte: U.S. District Judge Kathleen Williams vom Southern District of Florida ordnete am Donnerstag die Schließung des umstrittenen Abschiebelagers „Alligator Alcatraz“ binnen 60 Tagen an. Zudem untersagte sie, dass auch nur ein einziger weiterer Migrant in die gigantischen Zeltanlagen am Rande des Big-Cypress-Nationalreservats gebracht wird. Das Urteil umfasst 82 Seiten, seine Begründung reicht weit über juristische Spitzfindigkeiten hinaus – es ist eine schonungslose Abrechnung mit dem Versuch, den Rechtsstaat durch politische Willkür auszuhebeln. Williams’ Entscheidung, Aktenzeichen Case No. 25-cv-21745-WILLIAMS, erging im Rahmen einer Klage, die von Umweltorganisationen und der Miccosukee-Tribe eingereicht wurde. Ihr Vorwurf: Der Bundesstaat Florida und die Trump-Administration hätten bei Errichtung des Lagers auf dem ehemaligen Dade-Collier-Flugplatz jede Form einer vorgeschriebenen Umweltprüfung ignoriert.

In ihrer Begründung verweist Williams explizit auf „irreparablen Schaden“ für das Land der Miccosukee sowie für bedrohte Tierarten wie den Florida-Panther und die seltene Florida-Fledermaus. Besonders die 800.000 Quadratfuß neu versiegelter Fläche und die grellen Lichtanlagen, die nachts aus 30 Meilen Entfernung sichtbar seien, hätten unmittelbare Folgen für das ökologische Gleichgewicht. Die Richterin zeichnete ein Bild, das an Deutlichkeit nichts vermissen lässt: ein Naturraum, der als „River of Grass“ seit Harry Trumans Widmung des Everglades-Nationalparks 1947 unter besonderem Schutz steht, werde durch politischen Opportunismus zum Schlachtfeld degradiert. Es war dieselbe Kathleen Williams, die bereits im Frühjahr Teile des neuen Einwanderungsgesetzes Floridas einkassierte und Generalstaatsanwalt James Uthmeier wegen Missachtung des Gerichts in Contempt erklärte. Nun also der nächste Schlag: Die Zelte von Alligator Alcatraz, noch am 1. Juli im Beisein von Donald Trump, Ron DeSantis und Kristi Noem feierlich eröffnet, sollen verschwinden – mitsamt Stromaggregaten, Abwassergruben und Betonfundamenten. Einen entscheidenden Anteil hatten Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie investigative Journalistinnen und Journalisten, die akribisch alle Verstöße wie auch fragwürdige Abrechnungen aufgedeckt, weitergeleitet und öffentlich gemacht haben. Siehe unter: https://kaizen-blog.org/ein-ort-namens-ochopee-wie-alligator-alcatraz-millionen-verschlingt-menschen-quaelt-und-dafuer-sehr-gut-belohnt-und-bezahlt/


Der Bundesstaat reagierte prompt. Floridas Regierung legte umgehend Berufung beim United States Court of Appeals for the Eleventh Circuit ein und sprach von einer „unlawful decision“. Jeremy Redfern, Sprecher des Attorney General, warf Williams vor, ihre Zuständigkeit zu überschreiten, und verwies auf ein paralleles Verfahren vor Richter Rodolfo A. Ruiz II, der eine Klage wegen angeblicher Rechtsverletzungen von Inhaftierten an das Middle District of Florida verwiesen hatte. Doch Williams machte deutlich: Die Fälle seien „grundverschieden“. Während Ruiz über Fragen des Verfahrensrechts urteilte, stand bei ihr die ökologische und verfassungsrechtliche Dimension im Mittelpunkt. Für die Kläger ist das Urteil ein Meilenstein. Eve Samples von „Friends of the Everglades“ sprach von einem „landmark victory“, einem historischen Sieg, der zeige, dass selbst mächtige Regierungen nicht über den Gesetzen stünden. Elise Bennet vom Center for Biological Diversity sprach von „großer Erleichterung für Millionen, die die Everglades lieben“. Auch Talbert Cypress, Vorsitzender der Miccosukee, unterstrich: „Wenn es um unser Land geht, gibt es keinen Kompromiss.“

Die politische Tragweite könnte kaum größer sein. Noch wenige Wochen zuvor hatten Trump und DeSantis die angeblich „vorbildliche Anlage“ gepriesen, ja sogar die Präsenz von Alligatoren als „natürliche Sicherheitsmaßnahme“ verhöhnt. Demokratische Abgeordnete reagierten mit Empörung und legten mit dem „No Cages in the Everglades Act“ ein Gesetzesvorhaben zur Streichung der Bundesmittel vor. Congresswoman Frederica Wilson kommentierte das Urteil mit den Worten: „ABOUT DAMN TIME!“ – höchste Zeit also. Die Bundesregierung versuchte sich derweil herauszureden. Das Lager sei ausschließlich durch den Staat Florida finanziert und betrieben worden, hieß es in den Schriftsätzen. Williams widersprach entschieden: Das Projekt sei von der Bundesregierung angestoßen, durch ICE-Standards und Bundesgelder flankiert, mit ICE-Beamten besetzt und diene ausschließlich der bundesrechtlichen Abschiebepolitik. Ihr Fazit ist schneidend: „Wenn es wie eine Ente läuft, wie eine Ente quakt und wie eine Ente aussieht, dann ist es eine Ente.“

Ob die Berufung vor dem Elften Bundesberufungsgericht Erfolg hat, bleibt offen. Klar ist jedoch: Mit der Entscheidung vom 21. August 2025 hat das Bundesgericht nicht nur die Schließung eines umstrittenen Lagers angeordnet, sondern auch einen Präzedenzfall gesetzt. Es hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass auch in Zeiten aufgeheizter Migrationspolitik Umweltgesetze, indigene Rechte und die Grundsätze des Rechtsstaats nicht zur Disposition stehen. So wird Alligator Alcatraz wohl weniger als „Musteranlage“ in Erinnerung bleiben, wie es Trump und DeSantis inszenierten, sondern als Menetekel – als Mahnung, dass politische Willkür dort endet, wo die Gewaltenteilung ihre Zähne zeigt. Ein Urteil, das weit über Ochopee hinaus wirkt, hinein in die Debatte um Demokratie, Menschenrechte und den letzten Schutzraum des amerikanischen Südens: die Everglades.
Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.
Bravo
😮
Eine sehr mutige Richterin!
Ich hoffe, dass ihr Urteil Bestand haben wird.
Den Micosuckee ist schon so viel genommen worden.
Das darf man bei all den Grausamkeiten in Alligator Alcatraz und den vielen Schicksalen nicht vergessen.
Leider stehen schon andere Rote Staaten bereit um weitere Detention Center dieser Art zu bauen.
Als Zwilling zu Florida in Lousianas Sümpfen.
Es sieht gut aus, das es Bestand haben wird und „D A N K E“