Chrupalla auf dem Müllhaufen der Diplomatie – und nennt es Politik

VonRainer Hofmann

November 25, 2025

Tino Chrupalla hat längst jede Anstandsschwelle verloren. Kaum legt Donald Trump seinen 28-Punkte-Plan vor, springt die AfD-Spitze darauf wie jemand, der auf ein Signal gewartet hat, um endlich sagen zu können: „Wir hatten recht.“ Nur, dass genau das Gegenteil stimmt. Dieser Plan zeigt nicht, dass die AfD irgendetwas verstanden hätte – er zeigt nur, wie weit Chrupalla bereit ist zu gehen, um eine komplette Kapitulation der Ukraine als diplomatische Meisterleistung zu verkaufen. Für ihn ist alles so einfach: Die Ukraine soll Gebiete abtreten. Punkt. Dazu ein eingeschränkter Zugang zum Schwarzen Meer – als wäre das ein großzügiges Geschenk und nicht die schleichende wirtschaftliche und sicherheitspolitische Erstickung eines Landes. Chrupalla redet darüber, als handle es sich um eine Verwaltungsreform. In seiner Darstellung klingt selbst die schwerste geopolitische Selbstaufgabe wie ein technischer Vorgang, der sich mit einer Unterschrift erledigt.

Er tut so, als sei dieses Ergebnis die logische Konsequenz westlicher „Fehler“, als wären nicht Russland und Putin die treibende Kraft dieses Krieges, sondern Brüssel. Und obwohl die USA jahrelang jede ernsthafte europäische Initiative ausgebremst haben, verkauft Chrupalla den jetzigen Plan als Triumph amerikanischer Vernunft. Als hätte Washington jemals irgendetwas gefördert, das für Kiew wirklich sicher war. Die USA haben in dieser Frage ständig gebremst – und nun präsentiert er deren Kurs wie eine Offenbarung. Dann holt er Orbán ins Boot – der die EU als „Kriegsmafia“ bezeichnet – und zitiert ihn so, als sei das eine Art unbestreitbare Erkenntnis. Für Chrupalla ist Orbán der Wahrheitszeuge, obwohl der seit Jahren nichts anderes tut, als Putins Interessen in Europa zu verkleiden. Doch es reicht Chrupalla, dass jemand laut genug „EU schuld!“ ruft. Inhalt spielt keine Rolle, Hauptsache es passt ins eigene Weltbild.

Noch grotesker wird es, wenn er Trump erwähnt. Trump behauptet, die Ukraine hätte „besser nicht mit dem Krieg begonnen“. Eine Attacke Russlands wird auf einmal zu einer Entscheidung der Ukraine umgedeutet – und Chrupalla nennt das „überspitzt“. Aber er widerspricht nicht wirklich. Denn diese Verdrehung ist genau das, was er politisch braucht: Das Opfer muss schuld sein, damit der Täter als verhandlungsbereiter Partner erscheint. Merz soll nun „aufpassen“, den Plan nicht zu blockieren. Nach Chrupallas Logik wäre der CDU-Chef verantwortlich für eine mögliche Verlängerung des Krieges. Nicht Putin. Nicht Trump. Nicht die Forderungen nach Abgabe ukrainischen Territoriums. Nein – Merz. Chrupalla verschiebt die Verantwortung so weit, bis sie dort landet, wo sie ihm nützt. Dass die Ukraine mit diesem Plan geopolitisch verstümmelt würde, interessiert ihn nicht. Hauptsache, er kann mit dem Finger auf Berlin zeigen.

Europa habe „versagt“, sagt er, obwohl die EU die Einzige war, die überhaupt versuchte, einen Kurs zu finden, der Sicherheit garantiert, ohne ein Land zu opfern. Während Washington taktierte und Berlin zögerte, hat Brüssel verhandelt, unterstützt, gezahlt, stabilisiert. Aber Chrupalla braucht das Bild eines inkompetenten Europas, um den Anschein zu erzeugen, die AfD sei die einzige Kraft, die den Mut hat, „wirkliche Diplomatie“ zu erkennen. Dabei ist das, was er „Diplomatie“ nennt, nichts weiter als das Abnicken einer Forderungsliste, die Moskau seit Jahren vorbereitet. Die AfD spricht von Frieden, meint aber Unterwerfung. Sie spricht von Diplomatie, meint aber, dass die Ukraine sich fügen soll. Dieser Plan ist kein Fortschritt – es ist das Drehbuch eines erzwungenen Rückzugs. Und genau deshalb feiert ihn Chrupalla: Er selbst hat nie einen Funken Empathie für das Land gezeigt, das in diesem Krieg am meisten verliert. Er übernimmt Putins Argumente, Trumps Zynismus und Orbáns Verachtung für Europa – und verkauft das als kluge Weltpolitik.

„Hohl und hohl gesellt sich gern“

Die 28 Punkte zeigen vor allem eines: Wer sie feiert, hat mit Frieden nichts am Hut. Er hat nur Interesse daran, die Ukraine kleinzuhalten, Russland zu stabilisieren und Europa zu schwächen. Die AfD tut das mit beängstigender Lust. Und Chrupalla steht dabei an der Spitze – bereit, ein Land in den endgültigen Abgrund zu schieben und dann zu behaupten, es sei zum eigenen Wohl. Es ist fast schon logisch, dass Chrupalla ausgerechnet jetzt auf dem Titel eines Magazins landet, das man nicht vermissen würde, wenn es morgen verschwände. Dass ausgerechnet dieses Blatt ihn als „Friedensstifter“ verkauft, überrascht niemanden, denn gleich und gleich gesellt sich gern, hohl bis in den letzten Pixel.

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Mariann
Mariann
1 Stunde zuvor

Kommt mir nur noch in den Sinn, dass der eigentlich ein leuchtendes Beispiel für eine leere Hülle ist. Aussen fix und innen nix, heisst es doch bei euch, oder nicht?

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