Camp 57, Mustang-Republik, Alligator Alcatraz und der Kreuzzug der Abschreckung

VonRainer Hofmann

September 5, 2025

Die Kulisse könnte nicht symbolträchtiger sein: Stacheldraht, glühender Rasen, darüber die Flagge, davor Gouverneur Jeff Landry, flankiert von Heimatschutzministerin Kristi Noem. Auf den Bildern, die seine Pressestelle verbreitet, glänzen schwarze Ford Raptors und GMC Yukons mit goldenem ICE-Logo, als sei dies die Premiere eines neuen SUV-Modells und nicht die Eröffnung eines Internierungslagers. Doch genau darum geht es: Camp 57 – jetzt offiziell „Louisiana Lockup“ – ist das neue Aushängeschild von Donald Trumps Migrationspolitik. Hier, mitten im Louisiana State Penitentiary, besser bekannt als Angola, sollen über 400 Männer interniert werden, „die schlimmsten der schlimmen“, wie Noem es formuliert.

„Eine Show der abartigsten Art – inszeniert von Menschen, die irgendwo zwischen Religionswahn, blanker Menschenverachtung und geistiger Armseligkeit verharren. Es ist weniger Politik als ein düsteres Ritual, das Demut vorgibt und Grausamkeit feiert.“

Angola ist ein Ort mit schwerer Geschichte. Die 18 000 Acres große Anlage trägt den Namen des afrikanischen Herkunftslands jener Versklavten, die auf diesen Feldern arbeiten mussten. Später war Angola berüchtigt als „blutigstes Gefängnis des Südens“. 1962 war die Zahl der Messerattacken so hoch, dass der Spitzname sich landesweit einprägte. In den 1970er-Jahren klagten Insassen gegen Zwangsarbeit, in den 2020er-Jahren dokumentierten Menschenrechtsgruppen, dass Häftlinge bei über 40 Grad Celsius Gemüse per Hand ernten mussten – für Centbeträge. 2021 stellte ein Bundesrichter fest, dass die medizinische Versorgung verfassungswidrig mangelhaft war. Statt aus dieser Geschichte Konsequenzen zu ziehen, macht Landry sie zum Markenkern. Noem sagte es offen: „Dieses Gefängnis ist berüchtigt. Genau deshalb haben wir es gewählt.“

Das Projekt ist nicht isoliert. In Florida betreibt die Trump-Regierung das „Alligator Alcatraz“ – ein umfunktioniertes Flugfeld mitten in den Everglades. Eine Bundesrichterin hatte dessen Schließung angeordnet, doch ein Berufungsgericht setzte das Urteil jüngst aus. In Nebraska entsteht der „Cornhusker Clink“, in Indiana der „Speedway Slammer“. Es ist eine regelrechte Franchise-Politik: Abschiebelager mit Marketingnamen, die Härte als Lifestyle verkaufen. Landry formulierte es bei der Eröffnung drastisch: „Louisiana wird ein Beispiel für den Rest des Landes sein. Wer hier illegal ist, dessen Zeit in Amerika endet.“

Im Wahn vereint Jeff Landry und Kristi Noem (rechts), die einst ihre Hund „Cricket“ erschoss, weil er ungehorsam war.

Doch während die Regierung Härte inszeniert, bleiben die Menschenrechte auf der Strecke. Camp 57 wird in einem Teil des Gefängnisses errichtet, der früher „The Dungeon“ hieß, weil dort fast ausschließlich Isolationshaft verhängt wurde. Internationale Standards wie die UN-Mindestregeln für die Behandlung von Gefangenen („Nelson-Mandela-Regeln“) warnen vor solcher Praxis, weil sie als unmenschlich gilt. Nun werden Menschen, die oft noch nicht einmal verurteilt sind, an genau diesen Ort gebracht. Kritiker sprechen von einem modernen „Black Site“ – nur ohne Geheimhaltung.

Zu dieser Mischung aus Straflust und PR passt die Fahrzeugflotte, die ICE für seine Show beschafft hat. Interne Dokumente, die wir einsehen konnten, tragen den nüchternen Titel „Justification & Approval“ J&A-25-0306. Darin erklärt ICE, warum binnen drei Tagen zwei Ford Mustang GT für 121 450 Dollar beschafft werden mussten – ohne Ausschreibung, angeblich wegen „außergewöhnlicher Dringlichkeit“. Der Zweck: Rekrutierungsvideos. Parallel wurden zwei GMC Yukon AT4S für zusammen fast 190 000 Dollar bestellt und mehrere Ford Raptor 4×4 Light Duty Pickups für 196 220 Dollar – alles mit dem Vermerk „für Rekrutierungszwecke“. Am 29. August 2025 veröffentlichten wir unsere Recherchen dazu unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-mustang-republik-wie-ice-steuergelder-in-trumps-showcars-verbrennt/

Die eingefangenen Aussagen zum neuen Gefängnis in Louisiana sind entsprechend wütend: „Andere Länder feiern Innovationen. Wir feiern neue Gefängnisse.“ – „Das ist ein Konzentrationslager, nennt es, was es ist.“ – „Wie viele Millionen Steuerdollar fließen in diese Videos?“ Und ein Mann aus St. Francisville brachte die politische Ökonomie dahinter auf den Punkt: „Es geht nicht darum, schlechte Menschen einzusperren, sondern Betten zu füllen, damit das System Profit macht.“

Besonders zynisch wirkt die religiöse Choreografie von Jeff Landry, die ihn als tugendhaften Christen inszenieren soll. Am Mississippi ließ er Trompeten vor einem überdimensionalen Kreuz erklingen, Gebete sprechen und stand mit gesenktem Kopf da, während um ihn herum Republikaner mit Cowboyhüten das gleiche Ritual vollzogen – ein Schauspiel, das Frömmigkeit zur Lächerlichkeit einer Politik macht. Für seine Anhänger ist er der „christliche Gouverneur“, der Recht und Ordnung verteidigt. Für Kritiker ist es blanker Religionswahn: Gnade predigen, während man Menschen in ein Gefängnis mit Zwangsarbeit schickt.

Camp 57 ist damit mehr als eine neue Haftanstalt. Es ist das Symbol einer Politik, die Abschreckung ästhetisiert, Menschenrechte relativiert und sich selbst feiert. Es verbindet die Geschichte der Sklaverei mit der Gegenwart der Massenabschiebungen, PR-Strategien mit Strafvollzug, und lässt am Ende die Frage offen, ob dies wirklich Sicherheit bringt – oder nur eine neue Normalität der Entmenschlichung.

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Josef Sanft
Josef Sanft
1 Monat zuvor

Einfach nur abartig, diese Szenerie mit den Trompetern vor dem Kreuz und der religiösen Show. Manchmal hat man wirklich das Gefühl, einen schlechten Science-Fiction-Film zu schauen, der mich immer wieder an “ The Handmaids Tale “ erinnert.

Gabi
Gabi
1 Monat zuvor

Konzentrationslager 2.0 das ist die neue 🇺🇸. Wer anders ist, eine andere Hautfarbe hat als weiss, ist nicht willkommen! Wer nicht absolut loyal mit MAGA ist ebenso nicht!
Project 2025 wird rasend schnell umgesetzt, und wenn das Volk es endlich kapiert, dann ist es vermutlich schon viel zu spät! Der American Dream ist zu einer Nightmare verkommen… während das amerikanische Volk sich viel zu zaghaft und leider auch zu wenig organisiert in Widerstand übt…. Das Erwachen wird brutal sein
Unterdessen ist die Regierung mit realitätsfernen Ideologien beschäftigt, während sich im asiatischen Raum ein Pakt formt, der uns allen noch das Fürchten lernen wird…

Danke für Euren Artikel 🙏🏼, wie immer sehr gut recherchiert und sehr lesenswert.

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Die Entmenschlichung mit „christlichen“ Segen.
Ja, das kann die Pro Life Partei sehr gut.

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ein Berufungsgericht den Abbau von Alligator Alcatraz angeordnet hat.
Darüber berichtet die Medien hier nicht.

Die republikanische Staaten fühlen darum, wer das mieseste und grausamste Detention Center hat.
Da fließen Milliarden an Steuergeldern rein.
Und ein paar wenige private Investoren machen richtig Kohle mit diesem faschistischen Treuben.

Hätte es 1933 schon Social Media etc gegeben, hätte Hitler seine Konzentrationslager auch mit Begeisterung angepriesen.
Nur ohne die religiöse Komponente.

Wie tief muss man sinken, dass man bei solchen Aktionen nachts noch schlafen kann?

Das wird immer schlimmer und schlimmer

Zuletzt bearbeitet 1 Monat zuvor von Ela Gatto
Franky
Franky
1 Monat zuvor

Toller Artikel. Danke

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