Blendgranaten im Viertel – Wie eine ICE-Razzia in San Diego die Angst zurückbrachte

VonRainer Hofmann

Juni 1, 2025

Am Abend des 30. Mai 2025 wurde die kalifornische Stadt San Diego Zeugin eines Einsatzes, der für viele Anwohner und Gäste in blankem Entsetzen endete: Gegen 18 Uhr stürmten Einheiten der US-Einwanderungsbehörde ICE das beliebte italienische Restaurant „Buona Forchetta“ im Stadtteil South Park – in voller Kampfmontur, mit gezogenen Waffen und unter dem Einsatz von Blendgranaten. Die Beamten drangen nicht nur in das Hauptrestaurant ein, sondern auch in die benachbarte „Enoteca Buona Forchetta“, während sich Gäste beim Abendessen befanden und Familien mit Kindern gerade Platz genommen hatten. Zeugen berichten, dass etwa 20 bis 25 schwer bewaffnete ICE-Agenten ohne Vorwarnung alle Mitarbeiter festsetzten, ihre Ausweisdokumente forderten und das Gelände abriegelten. Die ersten zehn Minuten, so sagte ein Gast gegenüber The Independent, habe niemand gewusst, was überhaupt vor sich gehe.

Mindestens drei Mitarbeitende – darunter laut Restaurantleitung Studierende mit noch nicht vollständig geklärten Aufenthaltsstatus – wurden abgeführt, nachdem sie keine gültigen Dokumente vorlegen konnten. Die unmittelbare Reaktion im Viertel war heftig. Augenzeugen filmten, wie Gäste und Nachbarn sich den Beamten in den Weg stellten, sie als „Faschisten“ beschimpften und ein nicht gekennzeichnetes ICE-Fahrzeug blockierten, das sich vom Einsatzort entfernen wollte. Erst nach dem Eintreffen der lokalen Polizei beruhigte sich die Lage – wobei die Polizei sich laut eigener Aussage nicht aktiv an der Razzia beteiligte.

Das Restaurant selbst blieb am gesamten Abend geschlossen. In einer ersten öffentlichen Reaktion nannte das Management die Situation „traumatisch“ und sprach davon, dass man alles dafür tun werde, die betroffenen Angestellten zu unterstützen – sowohl rechtlich als auch menschlich. Man habe bereits Anwälte kontaktiert und psychologische Betreuung für das Team organisiert. Die Einwanderungsbehörde ICE äußerte sich bislang nur vage zum Einsatz. Zwar wurde bestätigt, dass die Operation Teil der neuen Strategie „Operation Safeguard“ sei – einer breit angelegten Maßnahme der aktuellen US-Regierung, um gegen mutmaßlich undokumentierte Arbeitskräfte im Dienstleistungssektor vorzugehen –, doch blieb unklar, warum das Restaurant Ziel dieser besonders aggressiven Form des Zugriffs wurde.

In San Diego wächst unterdessen der Unmut. Die Sorge um eine zunehmende Militarisierung der Einwanderungspolitik nimmt zu, ebenso wie die Kritik an der fehlenden Verhältnismäßigkeit. „Das war kein Einsatz, das war ein Schockmoment für eine ganze Nachbarschaft“, sagte eine Anwohnerin, die die Szene mit ihrem Handy filmte. „Was soll das für ein Signal senden – dass niemand mehr sicher ist, nicht einmal beim Abendessen?“ Zivilgesellschaftliche Gruppen fordern nun umfassende Aufklärung. Menschenrechtsorganisationen sprechen von Einschüchterungstaktiken, die nicht nur undokumentierte Migrant:innen treffen, sondern das Vertrauen ganzer Gemeinden in den Rechtsstaat erschüttern. Auch Stimmen aus dem Stadtrat wurden laut – man wolle prüfen lassen, ob die Einsatzmethoden gegen lokale Vorschriften oder verfassungsrechtliche Standards verstoßen haben.

Was bleibt, ist ein Restaurant, das nach außen wieder geöffnet hat – doch innen noch tief erschüttert ist. Und eine Stadt, die sich fragen muss, was von ihrem Selbstverständnis als „Weltoffene Metropole“ noch übrig bleibt, wenn Behörden mit Blendgranaten auf Teller zielen.

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Thomas Böhm
Thomas Böhm
1 Monat zuvor

Irgendwo beginnt der Brand, aber dann breitet er sich schnell aus

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