Boston – Draußen prasselt Regen auf den Asphalt von Boston, drinnen wartet ein Land auf ein Urteil. Im Gerichtssaal des United States District Court for the District of Massachusetts sitzt Richterin Indira Talwani über Akten, die über das Leben von Millionen Menschen entscheiden. Es geht um das SNAP-Programm – die staatliche Lebensmittelhilfe, auf die über 40 Millionen Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner angewiesen sind.
Die Trump-Regierung will die Zahlungen stoppen. Das Landwirtschaftsministerium hat angekündigt, dass die Guthabenkarten ab dem 1. November nicht mehr aufgeladen werden – weil der Staat angeblich kein Geld hat. Für Familien, die jeden Dollar dreimal umdrehen müssen, bedeutet das schlicht: kein Essen. Doch an diesem Abend in Boston wird die politische Kälte spürbar, die hinter dieser Entscheidung steht. Richterin Talwani macht unmissverständlich klar, dass man Armut nicht einfach abschalten kann, nur weil die Regierung sich im eigenen Stillstand verheddert. „Wenn man kein Geld hat, schnallt man den Gürtel enger“, sagt sie. „Aber man lässt nicht alle verhungern, nur weil irgendwo ein politisches Spiel läuft.“
25 Bundesstaaten, fast alle demokratisch regiert, haben gegen Washington geklagt, um die Finanzierung zu sichern. Sie fordern, dass die Regierung auf bestehende Notfallfonds zurückgreift – rund 5 Milliarden Dollar, die eigentlich genau für solche Situationen vorgesehen sind. Die Trump-Administration verweigert das und beruft sich auf Formalien. Statt Verantwortung zu übernehmen, beruft sie sich auf Haushaltsrecht – und lässt Menschen ohne Brot zurück. Unsere Recherchen unter dem Titel „Die gewollten Hungerspiele – Wie Trump den Ärmsten das Brot verweigert“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-gewollten-hungerspiele-wie-trump-den-aermsten-das-brot-verweigert-eine-bedrueckende-investigative-recherche/ haben bereits gezeigt, wie gezielt diese Politik betrieben wird und das gegen geltendes Recht verstossen wird. Es ist kein Zufall, es ist Absicht: Programme, die den Ärmsten helfen, werden systematisch blockiert, um politische Stärke zu demonstrieren.
„Es fällt mir schwer zu verstehen, dass dies kein Notfall sein soll, wenn kein Geld da ist und viele Menschen auf ihre SNAP-Leistungen angewiesen sind“, sagt Talwani. Ihre Stimme bleibt ruhig, aber sie trifft ins Mark. Während Republikaner wie Senatsführer John Thune im Kongress blockieren, versuchen einzelne Bundesstaaten, das Schlimmste abzufangen. In New Mexico etwa kündigte Gouverneurin Michelle Lujan Grisham an, 30 Millionen Dollar aus Landesmitteln bereitzustellen, um Familien nicht im Stich zu lassen. „Wir werden niemanden hungern lassen, nur weil Washington versagt“, sagte sie am Mittwoch in Albuquerque. In Illinois hat Gouverneur J. B. Pritzker 20 Mio. USD staatliche Mittel freigegeben, um Lebensmittelbanken zu unterstützen und die Lücke durch die mögliche Einstellung von SNAP-Leistungen ab dem 1. November zu lindern.
SNAP kostet die USA rund 8 Milliarden Dollar im Monat. Es ist kein Luxusprogramm, sondern das Rückgrat der sozialen Sicherheit. Ein Viertel aller Kinder im Land hängt direkt oder indirekt davon ab. Als im Oktober bekannt wurde, dass die Zahlungen eingestellt werden sollen, reagierten die Foodbanks mit Entsetzen. Die Lager leeren sich, die Schlangen werden länger, immer mehr Menschen stehen nachts in der Kälte an. Die Kläger warnen, dass der Wegfall der Unterstützung nicht nur Familien trifft, sondern auch Schulen, Krankenhäuser und kleine Läden. Wenn Eltern hungern, lernen Kinder schlechter, steigen Krankheitsfälle, und lokale Wirtschaftskreisläufe brechen weg. Eine vierköpfige Familie darf 2025 nicht mehr als 31.000 Dollar netto im Jahr verdienen, um SNAP zu bekommen. Rund zwei Drittel der Empfänger sind Familien mit Kindern.

Richterin Indira Talwani vom U.S. District Court for the District of Massachusetts zeigte sich in einer Anhörung zu einer Sammelklage von 22 demokratischen Generalstaatsanwälten und drei Gouverneuren entschieden gegenüber der Trump-Regierung. Sie stellte klar, dass das Landwirtschaftsministerium verpflichtet sei, auf vorhandene Notfallfonds für das SNAP-Programm zuzugreifen, um die Lebensmittelhilfe für Millionen Amerikaner trotz des anhaltenden Regierungsstillstands fortzusetzen.
Talwani, die von Barack Obama ernannt wurde, betonte, sie könne nicht auf den Kongress warten und müsse sich auf geltendes Recht stützen. Der Kongress habe ausdrücklich vorgesehen, wie in Fällen ohne Haushaltsmittel zu verfahren sei – und die Regierung müsse das bereitliegende Geld nun „strecken“. Juristische Ausflüchte akzeptiere sie nicht: „Ich will eine Maßnahme der Behörde, keine Anwaltstaktik“, sagte sie. Damit signalisierte die Richterin deutlich, dass sie eine Anordnung zur Auszahlung von Notfallmitteln an die Bundesstaaten in Betracht zieht, um eine Unterbrechung der Lebensmittelhilfe ab Samstag zu verhindern.
Vor dem Gericht in Boston ist dieser Hunger plötzlich kein abstraktes Thema mehr. Es geht um Leben, um Würde, um das, was vom Versprechen eines Staates übrig bleibt, der die eigenen Bürger hungern lässt. Richterin Indira Talwani will ihr Urteil in den nächsten Stunden verkünden. (Stand Boston, 23:20 Uhr, 30.10.2025) – Und für Millionen Menschen hängt davon ab, ob der November leer bleibt – oder ob Amerika sich wenigstens für einen Moment daran erinnert, dass Mitgefühl kein Luxus ist.
Fortsetzung folgt …
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Wie kalt muss man sein um hungernde Kinder im eigenen Land als Druckmittel für die eigene politische Agenda zu missbrauchen?
Darüber verlieren die Medien hier kaum ein Wort.
Warum nicht?