Amerika blickt in den Spiegel – Die mediale Wende nach den „No Kings“-Protesten“

VonRainer Hofmann

Juni 15, 2025

Es gibt Sonntage, an denen nicht nur die Welt, sondern auch ihre Spiegelbilder ins Wanken geraten. Der 15. Juni 2025 war ein solcher Tag – und die amerikanische Presselandschaft hat es erkannt. Von Los Angeles bis Fairbanks, von Norfolk bis Pittsburgh setzten die Titelblätter ein Zeichen. Nicht für den Präsidenten. Nicht für die Parade. Sondern für jene, die ihre Stimme erhoben gegen eine drohende Tyrannei im demokratischen Gewand.

„It’s about honor“, titelte die Daily Press aus Virginia. Und zeigte nicht Soldaten, sondern Mütter mit Schildern, Kinder mit Stoffflaggen, Veteranen mit Tränen in den Augen. In Pittsburgh sprach die Post-Gazette von „Peaceful Dissent“, einem stillen Widerspruch, der lauter wirkte als Trumps Militärkolonnen. Und The Daily Sentinel aus Colorado ließ auf ihrer Front kein Zweifel daran: „Make our voices heard“ – dieser Ruf sei überfällig gewesen, zu lange schon unterdrückt.

Selbst die sonst nüchterne Chicago Tribune wich von ihrem gewohnten Ton ab: „We’re all people“, stand in riesigen Lettern über einem Meer aus Schildern, Bannern, Körpern. Es war kein Aufstand, sondern ein Aufwachen. Und das spürte auch die New York Times. „Military Might, Protest Power“ lautete dort die Überschrift – und das Bild darunter zeigte keine Panzer, sondern Transparente: „People over billionaires“. Es war, als hätte die Nation selbst erkannt, dass man mit Gleichschritt keinen Fortschritt gewinnt. Die Washington Post wiederum sprach von einer „Nation out of lockstep“. Parade und Protest nebeneinander – das sei keine Koexistenz mehr, sondern eine Zerreißprobe. Und in Alaska notierte die Fairbanks Daily News-Miner nüchtern: „No Kings in America“. Mehr als zweitausend Menschen in Fairbanks. Für Demokratie. Gegen Furcht.

Was diese Zeitungen einte, war nicht nur die Berichterstattung über ein Ereignis, sondern das Eingeständnis, dass dieses Ereignis größer war als Politik. Es war ein Moment des moralischen Aufbegehrens. Und die Presse, oft verspottet, oft verunsichert, fand für einen Augenblick zu sich selbst zurück. Denn wenn das Weiße Haus schweigt, wenn aus Pomp und Parade ein Schatten über die Republik fällt – dann braucht es jene, die das Bild wieder ins Licht rücken. Und sei es nur mit einer Schlagzeile.

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