Als das FBI an der Tür klingelte – und ein Handy alles auf Video festhielt

VonRainer Hofmann

Oktober 23, 2025

Zwei Männer, ein Türklopfen, ein Satz: „Ihr Name ist aufgetaucht.“ So zeigt sich, wie Trumps Amerika sein Verständnis von Terrorismus verschiebt – und wie leicht heute jemand in den Fokus des Staates geraten kann, ohne etwas getan zu haben. Mike, 26, Lehrer aus Tucson, hatte im Juni an einer Anti-ICE-Demonstration teilgenommen – friedlich, wie Hunderte andere auch. Am 17. Oktober 2025 stand das FBI vor seiner Tür. Die Agenten gaben sich als „James“ und „Keith“ aus, nannten keine Nachnamen, stellten höfliche Fragen. Doch alles an diesem Besuch war präzise, vorbereitet, kontrolliert. Das Video zeigt, was Einschüchterung heute bedeutet: kein Zwang, keine Gewalt, sondern Präsenz. Zwei Männer, deren Macht im Wissen liegt. Sie kennen seine Adresse, sein Auto, seine Online-Profile. Sie wissen, dass er am 11. Juni in Tucson vor dem ICE-Feldbüro stand – mit einem Schild in der Hand, auf dem „No cages for families“ stand.

„Wir gehen gerade ein paar Personen durch – und Ihr Name ist aufgetaucht“, sagt einer der Beamten ruhig . Ein Satz, der klingt wie Routine, aber in Wahrheit eine Warnung ist. Mike war nie verhaftet worden. Es gab keine Anzeige, keine Beweise für irgendetwas. Die Demonstration war größtenteils friedlich verlaufen. Doch der Besuch des FBI zeigt: In Trumps zweiter Amtszeit reicht die bloße Teilnahme, um verdächtig zu werden. Hintergrund ist Trumps Direktive NSPM-7 – ein Präsidialerlass, der „Extremismus im Zusammenhang mit Migration“ als Hinweis auf Terrorismus definiert. Justizministerin Pam Bondi ergänzte die Anweisung mit einer eigenen Weisung, die Anti-ICE-Proteste ausdrücklich als sicherheitsrelevant einstuft. Wer sich dort zeigt, landet potenziell in den Datenbanken der nationalen Terrorbekämpfung.

Die Befragung dokumentiert, wie diese Politik funktioniert. Die Agenten fragen, wer die Schilder hergestellt hat, wer sie verteilt hat, wer „dahintersteckt“. Sie notieren Namen, Bewegungen, Gesten. Als Mike sagt, er habe niemanden gekannt, bleibt einer der Männer reglos und sagt: „Wir wissen mehr über Sie, als Sie denken.“ Es ist ein Moment, der zeigt, wie sich Macht materialisiert: zwei Beamte, die nichts vorzeigen müssen, weil das System selbst ihre Legitimation ist. Kein Durchsuchungsbefehl, kein richterlicher Beschluss. Nur die implizite Drohung, dass sie wiederkommen könnten.

In Washington gilt das als präventive Sicherheitspolitik. In der Realität ist es Einschüchterung – sauber, höflich, digital dokumentiert. Trump selbst hatte schon zuvor behauptet, Proteste gegen ICE seien „koordiniert und finanziert“. Bei einem öffentlichen Auftritt zeigte er Plakate und erklärte, sie seien „aus wunderschönem, hochwertigem Papier mit Holzgriffen, alle gleich, sehr teuer“. Bondi wiederholte diese Linie bei Fox News: „Das sind vorgefertigte, organisierte Aktionen; jemand bezahlt dafür.“ Damit war das Narrativ gesetzt: Jeder Protest hat einen Drahtzieher. Jede Stimme eine Struktur.

Als die Agenten Mikes Grundstück verlassen, sagen sie, sie könnten nicht garantieren, dass dies ihr letztes Gespräch sei. Der Satz bleibt hängen. Das Video zeigt keine Sensation, keinen Skandal, keine laute Szene. Es zeigt Normalität, es zeigt das, vor dem George Orwell einst warnte – und genau das macht es so gefährlich. Wenn der Staat Bürger in deren eigen Zuhause, ohne Ankündigung, befragt, bevor sie etwas Falsches getan haben, ist das keine Sicherheit mehr, sondern Vorverurteilung. Wenn er es tut, während ein Handy alles aufzeichnet, es war nicht sein Handy, wird das Private zum Beweismittel. Mike ging danach nicht mehr zu Demonstrationen, auch wenn wir ihm versuchten Mut zu machen. Der nächste Protest in Tucson fand ohne ihn statt. Angst, das zeigen diese Bilder, ist in Trumps Amerika kein Ausnahmezustand mehr. Sie ist Politik. Das ist die neue Definition von Terrorismus: nicht Gewalt, sondern Widerspruch. Und die neue Definition von Mut: „An der Haustür von unschuldigen Menschen klopfen, um sie einzuschüchtern.“

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Gabi
Gabi
14 Tage zuvor

die USA auf der Überholspur in die Diktatur…. genau wie in den dreissiger Jahren in Deutschland. Es ist beängstigend, besonders wenn man Freunde hat die vor nicht allzu langer Zeit nach Washington DC gezogen sind, um dort eine bessere Schule für ihr hochintelligentes Kind zu bekommen…. die Schule gibt’s aber auch die bis an die Zähne bewaffneten und vermummten Soldaten auf den Strassen…

Ela Gatto
Ela Gatto
13 Tage zuvor
Antwort an  Gabi

Und die Schule wird sicher mehr und mehr Trumps Linie unterrichten.

Ela Gatto
Ela Gatto
13 Tage zuvor

Genau so funktioniert es.
SS, Gestapo, KGB …. auftauchen, Angst schüren und sicher sein, dass es wirkt.

Mike bleibt künftig still.
Es gibt viele Mikes.

Nach der No Kings Demo werden noch mehr Leute Besuch bekommen.
Und es werden noch mehr Mikes künftig daheim bleiben.

Und wenn Mikes weg bleiben (weiß, männlich, US-Bürger), wie mag sich da der Druck auf People auf color anfühlen?

Durch den Marionetten Supreme Court werden Bürgerrechte einkassiert.
Auch Gerichte unterhalb des Supreme Court urteilen oft im Sinne von Trump.

Wenn man es ehrlich und realistically betrachtet ist das nicht aufzuhalten.

Nazi Deutschland hätte ohne den Krieg vermutlich viel länger existiert.
Mit Stalin hatte Hitler einen Pakt.
Und weder die USA, noch UK wären ohne Angriffe in den Krieg eingetreten.

Und nun ist es die riesige USA, die dem Faschismus verfällt.
Wer soll da eintreten?

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