Abgeschoben ins Herz der Diktatur, der geheime Pakt mit Teheran und unsere Wut

VonRainer Hofmann

September 30, 2025

Ein Flugzeug voller Menschen, die Schutz suchten, ist zur Waffe politischer Machtspiele geworden. Rund hundert iranische Männer und Frauen wurden Anfang der Woche in eine von den USA gecharterte Maschine gesetzt, die von Louisiana über Katar nach Teheran flog. Was wie ein nüchterner Verwaltungsvorgang klingt, ist in Wahrheit ein brutales Signal: Washington hat seine Abschiebe-Agenda so weit getrieben, dass sie zum Instrument internationaler Diplomatie und geopolitischer Gefälligkeiten wurde.

Es handelt sich bei vielen der knapp 100 Abgeschobenen nicht um gewöhnliche Migrantinnen und Migranten, sondern vorwiegend um Regimegegner: Aktivistinnen und Aktivisten, Journalistinnen, Konvertierte, Frauenrechtlerinnen, Menschen aus der LSBTIQ-Gemeinschaft, Menschen, die dem iranischen Sicherheitsapparat längst als „gefährlich“ notiert sind. Wir haben seit Wochen das Problem schon kommen sehen, versucht den Leuten zu helfen. Ab wo fängst du an, wo hörst du auf, dafür sind wir alle zu klein, finanziell zu schwach. Diese Menschen zurückzuschicken heißt nicht nur, sie in ein repressives System zurückzuführen — es bedeutet, sie faktisch in den Tod zu schicken. In Iran stehen öffentliche Hinrichtungen, Schauprozesse, Folter und das Verschwindenlassen Andersdenkender auf der Tagesordnung. Wer dort auf einer schwarzen Liste steht, hat kaum eine Chance, einem Urteil oder staatlicher Repression zu entgehen.

Die Deportation ist eingebettet in einen diplomatischen Korridor, dessen Ränder nach Jerusalem reichen. Der von Trump propagierte „Waffenstillstand“ zwischen Israel und Iran — die offiziellen Eckpunkte sind offiziell nicht bestätigt, doch mehrere Verhandlungsebenen deuten auf ein Dreieck ab: Israel soll seine direkten Angriffe auf iranische Stellungen in Syrien und dem Irak aussetzen; Iran soll im Gegenzug die Aktivitäten seiner Stellvertreter im Libanon (Hisbollah), im Jemen (Houthi) und in der Region drosseln. Parallel werden informelle Wirtschafts- und Humanitätskanäle skizziert: Lieferungen von Medikamenten und Energie, begrenzte Erleichterungen für bestimmte Handelsgüter, eventuell sogar stille Zugeständnisse bei Nachrichtendienstinformationen. Für Washington ist die Deportation ein Hebel — ein Beweis dafür, dass es bereit ist, konkrete Gefälligkeiten zu erbringen, um politische Zugeständnisse zu erzielen. Für Teheran ist die Aufnahme der Rückkehrer ein innenpolitisches Signal: Die Führung demonstriert Souveränität und die Fähigkeit, mit alten Feinden Vereinbarungen zu treffen, ohne ihre Machtbasis preiszugeben.

Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Gewahrsam der iranischen „Sittenpolizei“, weil sie angeblich ihr Haar nicht ordnungsgemäß bedeckt hatte

In den USA versuchen Journalisten wie auch wir, Anwälte, NGOs jetzt verzweifelt, wenigstens einzelne dieser Menschen herauszuholen oder ihre Fälle weiter öffentlich zu machen. Doch die Mittel sind minimal, die bürokratischen Hürden gigantisch, und jeder Tag zählt. In unseren Redaktionen und Netzwerken macht sich Wut breit: Wie kann es sein, dass in wohlhabenden, gebildeten Ländern Golfprofis sich über Trump lustig machen, für einen Titelbericht genügt, während Aktivistinnen und Oppositionelle in den Tod geflogen werden? Wie kann es sein, dass Universitäten Studien darüber finanzieren, warum sich Menschen in KI-Chatbots verlieben, dafür die verdammte Kohle da – „Künstliche Intelligenz als perfekter Partner“ –, während für elementare Menschenrechte jeder Cent erbettelt werden muss? Für jeden absurden Trend ist Geld da, aber wer für Freiheit kämpft, muss es wie ein Hund tun, mit eigener Kraft, gegen ein System aus oftmals Gleichgültigkeit und Zynismus.

Langsam scheint in 2025 aber jeglicher Schwachsinn gesellschaftfähig zu werden – Augen aufmachen, rausgehen, mit Freunden treffen oder einfach einen Kaffee in der Natur. Das was alle als Fortschritt bezeichnen, nannte man vor 20 Jahren Einsamkeit

Die Realität vor Ort ist grauenvoll konkret: Anwälte berichteten von Fällen, in denen Asylverfahren abgebrochen oder verschleppt wurden, von Menschen, die unter Druck „freiwillig“ unterzeichnet haben, weil monatelange Haft, Isolation und Perspektivlosigkeit jede Wahl zur Farce machten. NGOs, die sich nun gegen die Rückführungen stemmen wollen, sehen sich mit verschlossenen Botschaften, fehlenden Akten und der Tatsache konfrontiert, dass diplomatische Absprachen zwischen Staaten Rechte einzelner Menschen überlagern. Juristisch lässt sich vieles erst in Gang setzen, wenn die Fälle öffentlich sind — doch Geheimhaltung und politische Interessen verengen den Raum für solidarisches Handeln. Der Weg wird in den Iran führen, das ist man denen Menschen schuldig, die niemanden etwas getan haben Was bleibt, ist der Versuch, mit allen verfügbaren Mitteln zu helfen: Notfallpetitionen bei internationalen Gremien, das Zusammentreiben von Unterstützungsnetzwerken, die Suche nach politischen Fürsprecherinnen und Fürsprechern, die Fällen sichtbar machen. Es ist ein Kampf gegen Zeit, Bürokratie und politisches Kalkül. Und es ist ein Kampf gegen die Verrohung des Blicks auf der fast ganzen Welt: Wenn Gesellschaften, die sich gebildet nennen, ihre Ressourcen eher in Trends, Luxus und Technik investieren als in den Schutz Verfolgter, dann hat das moralische Folgen. Diese Maschine hätte niemals starten dürfen.

Wir dokumentieren weiter, wir sammeln Namen und Beweise. Und wir werden die Öffentlichkeit daran erinnern: Staaten mögen Deals schließen, Diplomaten mögen Absprachen treffen, aber die Verantwortung für Menschenleben liegt bei uns allen. Wenn es eine letzte Hoffnung gibt, dann ist es die, diesen Fall nicht still und leise vorbeigehen zu lassen. Wir tragen Wut.

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Ela Gatto
Ela Gatto
1 Stunde zuvor

Mir schließen gerade Tränen in die Augen.
Die armen Menschen.
Spielbälle von ihren Machthabern denen es nur um Macht und Einfluss geht.

MAGA jubelt, wieder muslimische Gefährder abgeschoben.
Sie wollen die Schicksale nicht sehen.
Hauptsache das Narrativ Muslim = Terrorist wird bedient.

Ich verstehe Eure Frustration.
Es ist schlimmer als gegen Windmühlen zu kämpfen.

Jedes einzelne Schicksal ist grausam.
Oft werdet ihr wohl nur noch über die Folter und den Tod der Menschen berichtet können.
Für jeden einzelnen Menschen müsste Trumps Regierung verklagt werden.
Aber, wie praktisch, USA hat sich dem Internationalen Strafgerichtshof nicht angeschlossen.

Im Gegenteil. Sie Sanktionieren Staatsanwälte, Richter und deren Familien.

Für Trump ist das Ganze ein Deal. Macht und der Israel/Gaza Frieden…. somit er doch endlich den Friedensnobelpreis bekommen muss (so denkt er sicher)

Und den armen Menschen steht im Iran ein grausames Schicksal bevor.

Carolina
Carolina
1 Stunde zuvor

Ich wünschte Trump und sein Geschmeiß, würden selbst Mal in so einer Situation stecken

Ingelein
45 Minuten zuvor

Trump ist ein Schlächter von Menschen – ohne sich blutige Hände zu holen.Mir sind auch bei dem Foto und dem Text die Tränen gekommen. Galten in USA nicht auch mal Bestimmungen, dass keine Abschiebungen oder Auslieferungen in Länder mit Todesstrafe erfolgen dürften?
Könnten andere Länder dazu bewegt werden, Trump solche unschuldigen Gefangene mit Aussichten auf einen sicheren Tod abzukaufen?
Was kann ich, was können wir tun? Riesige Mengen an Spendengelder sammeln?

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