Gebrauchsanweisung für ein kaputtes Jahrhundert – Warum Sie das Democracy Repair Kit 2025 dringend brauchen

VonRainer Hofmann

Juli 12, 2025

Es beginnt, wie so viele Zusammenbrüche beginnen: mit einem leisen Knacken. Ein Riss im Parlament, ein loser Bolzen in der Verfassung, ein Splitter im Fundament der Rechtsstaatlichkeit. Man hört ihn kaum – bis das ganze Gebälk kracht. Und ehe man sich versieht, steht man vor den Trümmern einer Demokratie, die einmal als unerschütterlich galt. Für diesen Moment, so verspricht es IKEA mit gewohntem Pragmatismus, gibt es nun das passende Möbelstück: das Democracy Repair Kit. Preis: 299,95 Dollar. Enthalten: ein Stück Holz, ein bisschen Eisen – und die ganze Wut einer Epoche.
Der Aufbau, so sagt die beiliegende Anleitung, sei kinderleicht. Zwei Personen, ein Imbusschlüssel und der feste Wille zur politischen Neugestaltung genügen. Der Zweck? Offiziell: Reparatur. Inoffiziell: Katharsis. Denn was diese sardonische Satire aus Schweden wirklich liefert, ist kein Möbelstück, sondern ein Spiegel – für alle, die den Verlust von Mitbestimmung, Anstand und Aufklärung noch nicht mit Vorhängen aus Ignoranz bedeckt haben.

In einer Welt, in der demokratische Institutionen durch Dekrete ersetzt werden, Parlamente durch Plattformen und Gewaltenteilung durch Gewalt, stellt sich die Frage nicht mehr, ob ein solches Set nötig ist – sondern nur noch, wann. Der frühe Vogel sägt sich seinen Balken selbst. Und wer zu spät bestellt, bekommt nur noch den Versandaufkleber der Geschichte. Dabei kommt das „Democracy Repair Kit“ zur rechten Zeit: In den USA herrscht ein Präsident, der Richter austauscht wie Glühbirnen, in Ungarn hat man das Wort „Opposition“ längst aus dem Vokabular entfernt, und in Frankreich kann man sich nicht mehr sicher sein, ob der nächste Präsident mit Füllfederhalter oder Fackel in der Hand antritt. Demokratie, so scheint es, ist zur Reparatursache geworden – und wer keine Werkzeuge hat, wird zum Zuschauer der eigenen Enteignung.

Natürlich ist das Ganze eine Satire. Natürlich meint niemand ernsthaft, man könne mit einem Guillotine-Bausatz politische Probleme lösen. Aber gerade in dieser Übertreibung liegt der wahre Schmerz: dass uns ein Möbelhaus mit mehr Klartext entgegentritt als mancher Abgeordnete. Dass ein Scherz auf einem Werbeplakat ehrlicher ist als die Sonntagsreden zur Verfassung. Dass wir lachen – weil das Weinen uns längst hohl gemacht hat. Wer also noch an Demokratie glaubt, wer sich schämt für das Schweigen der Mehrheit und das Schreien der Minderheit, für algorithmische Aufmärsche und moralisches Wegducken – der sollte sich dieses Kit nicht kaufen, sondern verstehen. Als Weckruf. Als Mahnung. Als bitteren Witz, der genau deshalb wirkt, weil er auf erschreckend reale Schrauben zeigt, die längst locker sind.


299,95 Dollar – das ist billig. Die Alternative? Unbezahlbar.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Wirklich gut geschrieben

Melle
Melle
3 Monate zuvor

Wie geil ist das denn😂

Anna-Maria Wetzel
Anna-Maria Wetzel
3 Monate zuvor

Danke, das sollte man öfter lesen, damit man nicht verzweifelt, sondern aufsteht.

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