Laboressen fürs Vaterland – Wie Robert F. Kennedy Jr. die gesunde Republik aus der Mikrowelle retten will

VonRainer Hofmann

Juli 10, 2025

Es war ein Werbevideo für die Ewigkeit – oder zumindest für das Archiv der politischen Selbstwidersprüche. Robert F. Kennedy Jr., Amerikas amtierender Gesundheitsminister und ewiger Mahner gegen alles, was auch nur nach Zusatzstoff riecht, steht in einer Produktionshalle in Oklahoma und lächelt. Vor ihm dampfen Styroporschalen mit Chicken-Bacon-Ranch-Pasta, künstlich aufgewärmte French Toast Sticks und industrielle Ham Patties. Und dann sagt Kennedy diesen Satz, der mit hoher Wahrscheinlichkeit bald in jedem satirischen Jahresrückblick zwischen „Bleach gegen Corona“ und „Tanks für die Bildung“ eingeblendet werden wird: „Das ist wirklich eine der Lösungen, um unser Land wieder gesund zu machen.“ Man reibt sich die Augen. Derselbe Mann, der unlängst behauptete, Amerika sei durch ultraverarbeitete Lebensmittel in eine „medizinische Diktatur des Stoffwechsels“ gestürzt worden, preist nun Fertigmahlzeiten an, deren Zutatenliste klingt wie ein Chemieabitur. Derselbe Kennedy, der Unternehmen aufforderte, künstliche Farbstoffe und Maissirup aus ihren Produkten zu verbannen, bewirbt nun ein Menü, das laut Expertin Marion Nestle „mit realem Essen ungefähr so viel zu tun hat wie ein Chicken Nugget mit einem Huhn“. Willkommen in der Ära der ernährungsphysiologischen Parallelwelten. Die Firma, der Kennedy seinen Segen gibt, heißt Mom’s Meals – ein Name wie aus dem Bauchgefühl eines Algorithmus für sentimentale Rentnerwerbung. Für sieben Dollar das Stück liefert sie „medically tailored“ Mikrowellengerichte an Medicare- und Medicaid-Empfänger, also an Kranke, Alte, Versehrte – und nun offenbar auch an die Moral. Kennedy nennt das „eine gesunde Alternative“, wohl in Relation zu dem, was in US-Supermärkten sonst so passiert. Die Wahrheit? In jeder Schale dieser Gesundheitsmission lauert ein Labor. Emulgatoren, Verdickungsmittel, Aromen mit E-Nummern, die in Europa längst verbannt wurden. Der einzige Stoff, der fehlt, ist Ironie – aber die kommt postwendend von Kennedy selbst.

Denn kaum jemand hat in den vergangenen Jahren so entschieden vor verarbeiteten Lebensmitteln gewarnt wie er. In Talkshows sprach er vom „langsamen Mord durch die Mahlzeit“. In seinen Reden bezeichnete er den Verlust traditioneller Esskultur als „Angriff auf das Immunsystem der Nation“. Und nun steht er da – mit glänzenden Augen vor dampfendem Konservengut – und sagt Danke. Für Mahlzeiten ohne Erdölfarbstoffe, immerhin. Es ist ein wenig so, als würde ein Anti-Atom-Aktivist das Kraftwerk loben, weil die Kantine jetzt vegetarisch kocht. Natürlich hat Kennedy eine Erklärung parat: Die Gerichte enthielten ja keine „typischen Zutaten“ ultraverarbeiteter Nahrung – keine Farbstoffe, keine Süßstoffe, kein Maissirup. Die Tatsache, dass sie trotzdem ultraverarbeitet sind, erklärt seine Sprecherin nicht. Wahrscheinlich, weil man im Kennedy’schen Ernährungsuniversum nur das verurteilen darf, was sich leicht auf Wahlplakate drucken lässt. „Kein Aspartam im Pudding“ zieht eben besser als „polymerisierte Maltodextrine im Bacon-Würfel“. Dabei verfolgt Kennedy eine höhere Mission – eine Rückkehr zur nationalen Gesundheit, seine Version von „Make America Healthy Again“. Die Bewegung heißt „MAHA“, ihre Anhänger sind ein bizarrer Mix aus Impfgegnern, Öko-Müttern und libertären Supersmoothie-Trinkern. Sie glauben an Selleriesaft, Lebertran und das Recht auf Rohmilch. Dass Kennedy nun Fertigmahlzeiten lobt, die man nur unter Schutzanzug in der Küche nachbauen könnte, bringt selbst eingefleischte Maharianer ins Grübeln.

Einmal mehr zeigt sich: Die amerikanische Politik ist längst kein Ort mehr für Kohärenz, sondern ein Spiegelkabinett aus Symbolik, Sehnsucht und Suggestion. Kennedy liebt die Rolle des Mahners, des Querdenkers, des Mannes gegen das System – selbst wenn er es gerade selbst verwaltet. Dass er als Gesundheitsminister nun das lobt, was er als Aktivist verteufelt hätte, ist keine Ausnahme, sondern ein Systemfehler mit Essenslieferung. Und während Millionen von Steuerdollar in Pasta mit Ranch-Dressing fließen, wächst der Zweifel: Ist das noch Ernährungspolitik – oder schon eine Essstörung im Amt? Kennedy sagt, es gehe ihm um die Freiheit. Die „Freiheit, gesund zu sein“. Doch diese Freiheit endet offenbar dort, wo die Tiefkühltruhe beginnt. Vielleicht sollte man ihn beim Wort nehmen. Vielleicht braucht es tatsächlich eine nationale Ernährungsoffensive. Eine, die echte Lebensmittel fördert statt Mikrowellenillusionen. Eine, die nicht von PR-Kampagnen, sondern von Bauernhöfen getragen wird. Und vielleicht – nur vielleicht – wäre dann auch Platz für eine neue Vision.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Es passt doch perfekt in die menschenverachtenden Politik der Tr*** Regierung..
Erst wird den vulnerabelsten Medicaid massiv gekürzt, dann gibt es das „gesunde Essen“.
Auf die Art sterben dann die wenigen Bezieher von Medicaid schneller weg.

Zynismus pur, aber sicher kein Versehen

Esther
Esther
3 Monate zuvor

Er ist ja selbst ein Versatzstück als Mitglied der Kenedy-Familie.
Wenn er seine „Weisheiten“ ohne diese Namen an das Stimmvolk bringen müsste hätte er nicht halbsoviel Zuspruch….

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