Unter amerikanischer Kontrolle – Wie die USA abgeschobene Migranten in einem salvadorianischen Gefängnis festhalten

VonRainer Hofmann

Juli 8, 2025

Die Wahrheit kam nicht aus Washington, sondern von der salvadorianischen Regierung, Recherchen belegen das klar – und sie widerspricht allem, was das Trump-Regime bislang öffentlich behauptet hat. In einer offiziellen Antwort an den Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte hat El Salvador eingeräumt, dass die Vereinigten Staaten auch nach der Abschiebung die Kontrolle über venezolanische Migranten behalten, die in das Hochsicherheitsgefängnis CECOT in Tecoluca gebracht wurden. Juristisch und faktisch – so die Formulierung – liege die Verantwortung für diese Männer „ausschließlich bei den zuständigen ausländischen Behörden“. Gemeint: den Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist eine brisante Aussage. Denn sie steht im Widerspruch zu allem, was das Heimatschutzministerium, das Weiße Haus und das Justizministerium in den vergangenen Monaten gegenüber Gerichten, Medien und der Öffentlichkeit behauptet hatten: Dass die abgeschobenen Männer sich der amerikanischen Gerichtsbarkeit entzogen hätten, dass die USA keinen Zugriff mehr hätten – und dass eine Rückführung juristisch unmöglich sei. Doch nun belegt ein UN-Dokument, was Menschenrechtsorganisationen und unsere Recherchen von Anfang an vermutet hatten: Grundlage dieser Aussage ist eine offizielle Mitteilung der salvadorianischen Regierung an das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR), datiert auf Juni 2025. Damit ist erstmals aktenkundig, was zuvor nur vermutet wurde: Die Vereinigten Staaten behalten auch nach der Abschiebung faktisch und juristisch die Kontrolle über die Männer in salvadorianischer Haft.

MITTEILUNG ÜBER EIN DOKUMENT DER VEREINTEN NATIONEN

Die Kläger („Petitioners“) informieren dieses Gericht hiermit respektvoll über das beigefügte Dokument des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Arbeitsgruppe zu Verschwindenlassen durch staatliches Handeln oder mit staatlicher Billigung („WGEID“): ein Bericht über das erzwungene oder unfreiwillige Verschwinden in vier Fällen venezolanischer Männer, die am 15. März 2025 nach El Salvador gebracht wurden (Anlage 1). Die Kläger legen sowohl die Originalfassung auf Spanisch als auch eine englische Übersetzung vor.

Wie im beigefügten Bericht dargelegt, hat die Regierung von El Salvador auf die Anfrage der Vereinten Nationen zur Aufklärung des Verschwindens dieser vier Männer wie folgt geantwortet:

Der salvadorianische Staat stellt mit Nachdruck klar, dass seine Behörden die betreffenden Personen weder festgenommen noch überstellt oder verlegt haben, wie in den Mitteilungen der Arbeitsgruppe dargestellt.
Die Maßnahmen des salvadorianischen Staates beschränkten sich auf die Umsetzung eines bilateralen Kooperationsmechanismus mit einem anderen Staat, im Rahmen dessen die Nutzung salvadorianischer Gefängnisinfrastruktur für die Verwahrung von Personen ermöglicht wurde, die im Rahmen des Justizsystems und der Strafverfolgung dieses anderen Staates festgehalten werden.

In diesem Zusammenhang liegt die Zuständigkeit und rechtliche Verantwortung für diese Personen ausschließlich bei den zuständigen ausländischen Behörden, auf Grundlage international unterzeichneter Abkommen und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Souveränität und der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen.
In diesem Sinne sind die Handlungen, die dem salvadorianischen Staat zugeschrieben werden, auf seine Souveränität und territoriale Zuständigkeit begrenzt, und er kann nicht verantwortlich gemacht werden für die Missachtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung (non-refoulement) gegenüber den betroffenen Personen.

Besonders brisant ist der Fall von Kilmar Abrego Garcia, einem Vater dreier Kinder aus Maryland, der am 12. März 2025 von ICE festgenommen und kurz darauf ohne richterliche Anhörung in das CECOT-Gefängnis nach El Salvador geflogen wurde – trotz eines gültigen Gerichtsbeschlusses, der seine Abschiebung untersagte. Erst Wochen später wurde er zurück in die USA gebracht, nachdem das Berufungsgericht der Regierung mehrfach Verfassungsverstöße attestierte. Doch anstatt den Fehler einzuräumen, klagte das Justizministerium ihn nun wegen Menschenschmuggels an – auf Basis eines juristisch umstrittenen Strafverfahrens, das selbst Richterin Paula Xinis als fragwürdig bezeichnete. Noch bevor der Prozess überhaupt beginnt, hat die Regierung erklärt, man werde ihn bei Gelegenheit „erneut abschieben“. In einer Anhörung am 7. Juli fragte Richterin Xinis, ob die Regierung vorhabe, Abrego Garcia „mit derselben Geschwindigkeit“ außer Landes zu bringen, mit der sie derzeit andere Migranten deportiert. Die Antwort von DOJ-Anwalt Jonathan Guynn war eindeutig: Sollte er freikommen, werde er „wie jeder andere illegale Ausländer entfernt“. Auf Nachfrage ließ Guynn offen, ob das Ziel erneut El Salvador sei – oder ein „Drittstaat“. Schon jetzt mehren sich Hinweise, dass die USA systematisch rechtliche Verantwortung auslagern, um Migrantinnen und Migranten außerhalb des Schutzes der Verfassung zu halten. Die Kosten dafür sind nicht nur moralischer Natur. Im März unterzeichnete die Trump-Regierung ein Abkommen mit El Salvador, das vorsieht, dass die USA sechs Millionen Dollar zahlen, um bis zu 300 Migranten im berüchtigten Gefängnis CECOT unterzubringen – einem Ort, der für seine Brutalität, Überbelegung und Intransparenz international kritisiert wird. Die UN spricht von Menschenrechtsverstößen, das Human Rights Watch bezeichnete das Lager als „Zentrum willkürlicher Gewalt“. Dennoch hielt die US-Regierung an dem Deal fest – unter Berufung auf das Alien Enemies Act, ein Notstandsgesetz aus dem Jahr 1798, das ursprünglich zur Internierung von Feinden im Krieg diente, nun aber zur Massenabschiebung venezolanischer Männer eingesetzt wird, die man pauschal als „Gefährder“ einstuft.

Auch der Fall Abrego Garcia zeigt, wie willkürlich die Kriterien sind. In einem ABC-Interview behauptete Trump, der Mann habe „MS-13-Tattoos auf den Knöcheln“. Tatsächlich zeigen Fotos vier harmlose Symbole: ein Smiley, ein Kreuz, ein Totenkopf und ein Hanfblatt. Die angeblichen Gang-Symbole waren auf dem Bild digital eingefügt worden – als „Erklärung“ für Zuschauer, nicht als Beweis. Der Schaden war dennoch da. Abrego Garcia wurde isoliert, seine Familie hatte tagelang keine Kenntnis über seinen Verbleib. Erst als seine Frau Jennifer Vasquez Sura ihn auf einem Foto aus dem salvadorianischen Gefängnis wiedererkannte, wurde das ganze Ausmaß deutlich. Die Geschichte ist kein Einzelfall. Über hundert venezolanische Männer wurden laut Gerichtsdokumenten zwischen März und April außer Landes gebracht – viele davon ohne Verfahren, manche sogar trotz laufender Asylverfahren. Die ACLU und die Organisation Democracy Forward vertreten nun Dutzende Betroffene in einer Klage gegen das Abkommen mit El Salvador. Sie argumentieren, dass die gezielte Verlagerung von Migranten außerhalb der Reichweite amerikanischer Gerichte verfassungswidrig sei – ein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit selbst. Die Regierung hingegen schweigt. Das Weiße Haus, das Justizministerium und das DHS ließen sämtliche Presseanfragen unbeantwortet. Offiziell heißt es weiter, man habe keine Möglichkeit, die Männer zurückzuholen – dabei hat El Salvador das Gegenteil nun schriftlich bestätigt. Was bleibt, ist ein düsteres Bild: Ein Rechtsstaat, der seine Prinzipien umgeht, indem er sie ins Ausland verlagert. Und eine Regierung, die Gefängnisse mietet, um Verantwortung abzugeben. Die Betroffenen sitzen derweil in Zellen – aber sie sind nach wie vor in amerikanischem Gewahrsam. Nur ohne Recht, ohne Stimme, ohne Schutz.

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Ela Gatto
Ela Gatto
5 Monate zuvor

Warum wundert mich das jetzt nicht?

Aber es wird, wie alles, keine Konsequenzen für die Verursacher haben.

Menschen werden, selbst mit legally Status, ohne Prozesse ohne Rechte abgeschoben.

MAGA jubelt, endlich all die kriminellen illegalen (die Biden zu Millionen ins Land lies.. Ironie) abgeschoben.
Ein Präsident, der sich um die Sicherheit amerikanischer Bûrger kümmern. (Das glauben 80 der Republikaner wirklich)

Adrian
Adrian
5 Monate zuvor

Wichtig das es euch gibt. Nicht mehr viele haben die Courage sich so einzusetzen, so wie sehe, mehr für Gottes Lohn.

Benny79
Benny79
5 Monate zuvor

Macht ja weiter so !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Carola Richter
Carola Richter
5 Monate zuvor

Die MAGAS zahlen bestimmt auch für den Aufenthalt. Was für eine verlogene Welt.

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