Es war ein Moment der Selbstfeier in Washington. Marco Rubio, Außenminister unter Donald Trump, trat vor die Kameras und erklärte mit zufriedenem Blick das Ende von USAID. Die amerikanische Behörde für internationale Entwicklungshilfe, einst gegründet von John F. Kennedy als Ausdruck friedlicher Verantwortung, ist Geschichte. „Diese Ära staatlich geförderter Ineffizienz ist vorbei“, schrieb Rubio auf Substack – und er klang dabei, als hätte er ein Missverständnis ausgemerzt. Tatsächlich aber hat er einen globalen Schutzschild zerschlagen. Einen Tag zuvor erschien im Lancet eine Studie, die kaum drastischer hätte sein können: Die Auflösung von USAID und der Rückzug der USA aus der internationalen Entwicklungshilfe könnten bis zum Jahr 2030 über 14 Millionen zusätzliche Todesfälle verursachen – darunter mehr als 4,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Das Ausmaß dieser Entscheidung, so die Autoren, entspreche einer weltweiten Pandemie oder einem Krieg. Nur sei es diesmal keine Naturkatastrophe. Es sei politisch gewollt. Die Vereinigten Staaten haben sich abgewendet. Von der Bekämpfung von HIV, Malaria und Tuberkulose. Von Impfprogrammen, Ernährungsinitiativen, Wasserprojekten. Von ihrer eigenen Geschichte als Schutzmacht, die in Jahrzehnten Millionen Leben rettete. USAID war der verlängerte Arm der humanitären Außenpolitik, das moralische Rückgrat einer Supermacht, die behauptete, mehr zu sein als bloß ein Markt.
Jetzt heißt es: Handel statt Hilfe. Investitionen statt Solidarität. Effizienz statt Ethik. Die Entwicklungshilfe wird – wo sie überhaupt noch existiert – in das Außenministerium integriert und unter das Dogma gestellt, dass sie sich rechnen muss. Nur noch Staaten, die „die Fähigkeit und den Willen zeigen, sich selbst zu helfen“, sollen Hilfe erhalten. Alles andere gilt als sentimental, verschwenderisch, schwach. Die Abwicklung erfolgte mit der Wucht einer innenpolitischen Säuberung. Das unter Elon Musk geschaffene „Department of Government Efficiency“ ließ innerhalb weniger Monate über 1.400 Projekte beenden, Zugangsdaten sperren, Büros räumen. Mitarbeiter:innen erfuhren per Massenmail, dass ihre Dienste nicht mehr benötigt würden. Einige weinten. Andere verstummten. Die Öffentlichkeit? War beschäftigt mit anderen Dingen. Und doch regt sich Widerstand. In einer internen Abschiedskonferenz, von der später Ausschnitte veröffentlicht wurden, meldeten sich zwei ungewöhnliche Stimmen zu Wort: Barack Obama und George W. Bush. Der Demokrat und der Republikaner, verbunden durch das Bewusstsein, dass USAID mehr war als eine Behörde. Obama sprach von einem „monumentalen Fehler“. Bush erinnerte an PEPFAR, das von seiner Regierung geschaffene HIV-Programm, dem 25 Millionen Menschen ihr Leben verdanken. „Ist es nicht in unserem nationalen Interesse, dass diese Menschen leben?“, fragte er in die Runde.
Auch der Sänger Bono war dabei. Er war der Überraschungsgast, trug Sonnenbrille und Mütze, doch seine Worte waren glasklar. „Sie nannten euch Verbrecher. Dabei wart ihr die Besten von uns.“ Ein Satz, der bleibt. Vielleicht als Grabinschrift für eine Ära, die noch glaubte, dass humanitäres Handeln kein Luxus ist. Das Außenministerium wiegelte ab. Studien wie die im Lancet seien übertrieben. Vieles werde fortgeführt, nur eben effizienter, strategischer, marktnäher. Doch wer in den Lagern von Giharo, Gaza oder Khartum nach Medikamenten sucht, wird diese Rationalisierung nicht spüren. Was bleibt, ist ein Loch. Ein strukturelles, aber auch ein moralisches. USAID war nicht perfekt. Aber es war da. Es brachte Essen, Wasser, medizinische Versorgung, demokratische Infrastruktur. Es verwandelte Krisen in Prozesse, Verzweiflung in Hoffnung. Seine Abwesenheit wird man messen können – in Epidemien, in Mangelernährung, in Gräbern. Bis zu vierzehn Millionen Menschen könnten sterben. Und in Washington applaudieren sie sich selbst.