Es ist ein Schauspiel der politischen Zersetzung, das sich täglich auf dem Account von Alice Weidel abspielt – der Co-Vorsitzenden einer Partei, die sich längst nicht mehr mit demokratischem Anstand, sondern mit kalkulierter Eskalation inszeniert. Mit Rhetorik aus dem Giftschrank der Geschichte, mit Angst statt Argumenten, mit Hass statt Haltung. Die neue Erzählung der AfD ist nicht etwa eine Debatte über Sicherheit oder Migration – es ist eine Strategie der moralischen Verwüstung. In einer Rede, die sie am 25. Juni im Bundestag hielt, spricht Weidel davon, „ausländische Aufwiegler konsequent abzuschieben“ und „antisemitische Ausschreitungen hart zu bestrafen“. Das wäre in sich noch nicht das Problem, wenn nicht in ihrer Sprache eine perfide Doppelbotschaft mittransportiert würde: Wer auf die Probleme hinweist, wird zur Ursache erklärt. Wer fremd ist, wird zur Bedrohung gemacht. Und wer sich gegen rechtsradikale Narrative ausspricht, wird zum Feind der Nation erklärt. Weidel spricht vom „Existenzrecht Deutschlands“ – nicht als diplomatischer Begriff, sondern als Abwehrformel gegen alles, was nicht in ihr völkisches Weltbild passt. Implizit wird hier suggeriert, das „Existenzrecht“ der Bundesrepublik sei durch Migration gefährdet. Dass dies blanker Unsinn ist, geschenkt. Doch was sich hier zeigt, ist nicht Unwissen, sondern politische Absicht: die schleichende Verschiebung der Sprache hin zu einem neuen Autoritarismus.


Zwei Tage später postet Weidel eine weitere Botschaft: „90 % der Flüchtlinge können auch weiterhin ihre Familien nachholen.“ Sie spricht vom „Familiennachzug-Märchen“ – und wirft der CDU vor, die Öffentlichkeit mit einem angeblichen Stopp zu täuschen. Dass ihre Zahl in dieser Absolutheit falsch ist, ist längst belegt. In Wahrheit hängt das Recht auf Familiennachzug von Status, Herkunftsland, Sicherheitslage und Verfahren ab. Doch in Weidels Welt zählt nicht, was stimmt – sondern nur, was sich gut schreien lässt. Aus differenzierter Gesetzgebung wird eine Einheitslüge. Aus Schutz wird angeblich ein Kontrollverlust. Diese Methode ist alt – und brandgefährlich. Denn sie wirkt. Eine Umfrage zur Landtagswahl in Bayern zeigt, was das anrichtet: 99 % der AfD-Wähler sagen, die AfD habe besser als andere Parteien verstanden, „dass sich viele Menschen nicht mehr sicher fühlen“. 92 % geben an, sie wählen die AfD wegen deren Asylpolitik. Und 85 % bekennen offen: „Es ist mir egal, dass sie in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht.“ Hier liegt das eigentliche Desaster: Eine Partei, die sich durch ethnonationale Ausgrenzung und populistische Kampfbegriffe profiliert, wird von einer Mehrheit ihrer Wähler:innen nicht trotz, sondern wegen ihrer Radikalität gewählt. Und währenddessen suhlt sich die Parteispitze in einer selbstgebastelten Opferrolle.


„Stasi-Methoden in Bayern!“, heißt es auf einem weiteren Sharepic der AfD. Die CSU habe Mitglieder der Partei auf eine Liste gesetzt – „neben Al-Qaida und IS“. Was dabei unterschlagen wird: Es handelt sich um eine rechtmäßige Bewertung durch den bayerischen Verfassungsschutz. Eine Bewertung, die sich auf belegte Aussagen, Verbindungen und Strategien stützt. Aber statt sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen, reagiert die Partei mit Trotz: „Wir kämpfen weiter!“, schreibt der Abgeordnete Bastian Treuheit. Und: „Das ist kein Rechtsstaat mehr, das ist Gesinnungsjustiz!“ Es ist ein durchsichtiges Spiel: Wer Menschen gegeneinander aufhetzt, Pressefreiheit infrage stellt und demokratische Institutionen diffamiert, inszeniert sich am Ende selbst als das Opfer. Spätestens im direkten Vergleich mit Positionen echter Sozialpolitik wird das ganze Elend dieser Partei sichtbar. Der DGB Bayern stellt es unmissverständlich dar: Während der Deutsche Gewerkschaftsbund für Mindestlohnerhöhungen, faire Löhne, Gleichstellungspolitik und sozialen Zusammenhalt steht, spricht sich die AfD gegen all das aus. Sie will den Mindestlohn nicht erhöhen. Sie lehnt faire Löhne ab. Sie will weniger Europa – und sie bekämpft Gleichstellung mit dem Hinweis, diese würde „natürliche Unterschiede verwischen“. Die AfD ist also weder sozial noch wirtschaftlich gerecht – sie ist schlicht: billig. Billig in der Analyse. Billig in den Lösungen. Und vor allem billig im Menschenbild. Was Alice Weidel verkörpert, ist keine konservative Alternative – es ist eine kalkulierte Provokation. Eine Dauersendung aus Empörung, Angst und Ressentiment. Wer sie wählt, wählt nicht etwa „Protest“, sondern eine Zukunft, in der die Demokratie selbst zur Zielscheibe wird. In der Fakten relativiert, Institutionen untergraben und Minderheiten stigmatisiert werden. Die AfD ist nicht „die Stimme des Volkes“. Sie ist die Megafonverstärkung des Misstrauens. Und Alice Weidel? Sie steht an der Spitze einer Partei, die sich längst nicht mehr fragt, was wahr ist – sondern nur noch, was nützt.