Washington, 27. Juni 2025 – Es war ein Freitag der Erschütterungen: Während Donald Trump auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz seine „erfolgreichste Woche als Präsident“ erklärte, zerfiel das Fundament der amerikanischen Bürgerrechte und zugleich das Verhältnis zu einem der engsten Verbündeten. In einer Serie von Ankündigungen – flankiert von Social-Media-Posts, Gerichtsurteilen und Rücktritten – wurde nicht nur das Geburtsrecht angegriffen, sondern auch der Außenhandel mit Kanada faktisch auf Eis gelegt. Trumps Entscheidung, „alle Handelsgespräche mit Kanada mit sofortiger Wirkung zu beenden“, ist eine direkte Reaktion auf die Digitalsteuer, die Ottawa auf große US-Technologiekonzerne erhebt. Die Steuer war bereits 2024 beschlossen worden, doch dass Trump sie nun zum Vorwand für wirtschaftliche Repressalien macht, zeigt, wie eng Wirtschaftspolitik und persönlicher Groll in dieser Präsidentschaft verwoben sind. In einer Erklärung schrieb Trump: „Aufgrund dieser ungeheuerlichen Steuer beenden wir hiermit ALLE Gespräche über Handelsabkommen mit Kanada – mit sofortiger Wirkung.“ Binnen sieben Tagen solle Kanada erfahren, „welchen Zoll es zahlen muss, um mit den Vereinigten Staaten Geschäfte zu machen“. Der Tonfall erinnerte weniger an diplomatische Kommunikation als an ein Ultimatum. Und während der Präsident außenpolitisch mit Zöllen droht, wankt im Innern die rechtliche Ordnung. Die Entscheidung des Supreme Court, einstweilige Verfügungen landesweit künftig auszuschließen, hat nicht nur Proteste ausgelöst – sie hat einen juristischen Brandbeschleuniger auf die Auseinandersetzung über das Geburtsortsprinzip gegossen. Anwälte, NGOs und Bürgerrechtsgruppen kämpfen nun gegen ein Dekret Trumps, das Kindern von Migrantenfamilien das Recht auf die amerikanische Staatsbürgerschaft verweigern will. Eine 30-tägige Gnadenfrist bleibt – danach könnte die Geburt auf amerikanischem Boden nicht mehr automatisch bedeuten, auch Amerikaner:in zu sein. Es ist ein Angriff auf das Herz der amerikanischen Verfassung – getragen von einem Präsidenten, der die institutionellen Sicherungen Schritt für Schritt zerschlägt.

Auch die Hochschulen bleiben nicht verschont. James Ryan, Präsident der renommierten University of Virginia, trat unter massivem Druck aus dem Trump-Justizministerium zurück. Der Vorwurf: mangelnder Gehorsam gegenüber föderalen Anordnungen zur Abschaffung von Diversity-, Equity- und Inclusion-Programmen (DEI). Es ist das erste Mal, dass eine öffentliche Universität Zielscheibe dieser politischen Offensive wird – bislang hatten sich Trumps Angriffe auf „Woke-Ideologie“ vor allem auf Elite-Unis wie Harvard oder Columbia konzentriert. Mit Ryans Rücktritt wird deutlich: Trumps Regierung verfolgt nicht nur mutmaßlich antisemitismusfreundliche Strukturen – sie nutzt diesen Vorwurf auch als Einfallstor für eine umfassendere, ideologisch motivierte Säuberungskampagne. Das Justizministerium selbst wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Hinzu kommt: Das Urteil des Supreme Court zur Altersverifikation für Internetinhalte alarmiert Bürgerrechtsgruppen. Samir Jain vom Center for Democracy & Technology warnt: „Das Urteil belastet nicht nur Erwachsene, es gefährdet jahrzehntelang gewachsene Grundsatzurteile zum Ersten Verfassungszusatz.“ Trump hingegen begrüßt die Entwicklung – ebenso wie das Urteil, das religiösen Eltern in Maryland erlaubt, ihre Kinder aus Schulstunden mit LGBTQ+-Inhalten abzumelden. Für ihn ist es ein „Sieg für die Normalität“ – und die Rückgabe der Kontrolle an „die Familien“. Doch was heißt Normalität in einem Land, in dem Grundrechte zur Verhandlungsmasse werden? In dem der Präsident Universitäten politisch neutralisieren will, der Supreme Court sich von den Schutzrechten der Verfassung entfernt – und ein Nachbarland mit Wirtschaftssanktionen bedroht, weil es die falsche Steuer erhebt? Die Antwort gibt ein kurzer Blick in ein anderes Ministerium.
Im vergangenen Jahr half eine kleine, bislang weitgehend unbekannte Behörde des Arbeitsministeriums – die Office of Federal Contract Compliance Programs – afroamerikanischen Arbeitern in Texas und Illinois, jeweils rund 900.000 bzw. 800.000 Dollar an entgangenen Löhnen zurückzuerhalten. Der Grund: rassistische Diskriminierung bei der Bewerbung um Jobs. Die Behörde war 1965 unter Lyndon B. Johnson geschaffen worden – als Teil jener Bürgerrechtsordnung, die Diskriminierung im öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz verbot. Heute, unter Trump, ist diese Behörde entmachtet worden. Der Angriff auf das Recht trifft dabei nicht nur die Gegenwart, sondern die Geschichte: Über 60 Jahre lang hat sie Schutz geboten – nun droht ein Zeitalter der ungebremsten Diskriminierung. Und während dieser Präsident sich feiern lässt, wird die Welt, Stück für Stück, dunkler. Dass ein einzelner Mann ein solches Erdbeben auslösen kann – und dafür noch von fast 50 % der Bevölkerung bejubelt wird –, zeigt, wie weit der Verfall bereits fortgeschritten ist. Vieles davon ist Bequemlichkeit – das größte Problem unserer Zeit. Man schimpft über Zensur, verteidigt die „Meinungsfreiheit“ der Rechten – und verbannt zugleich jene Organisationen, die aufklären, warnen, sich wehren. Die Dummen sind nicht die, die schweigen. Sondern die, die glauben, es werde schon jemand kommen, der später aufklärt. Aber so funktioniert das Spiel nicht. Es funktioniert nur für den Rechtspopulismus. Denn auf die Bequemlichkeit der anderen kann er sich verlassen.
