Eskalation in Los Angeles – Mit Gummigeschossen und Ausgangssperren gegen den Protest

VonRainer Hofmann

Juni 11, 2025

Was mit Protesten begann, ist längst zu einem innerstaatlichen Ausnahmezustand geworden. In der Nacht zum Mittwoch setzte die Polizei von Los Angeles erstmals konsequent die von Bürgermeisterin Karen Bass verhängte Ausgangssperre im Zentrum der Stadt durch. Minuten nach deren Inkrafttreten wurden erste Demonstrierende festgenommen. Berittene Einheiten durchquerten die Straßen, während sogenannte „Crowd-Control“-Munition eingesetzt wurde, um die Menge zu zerstreuen. Die Szenerie erinnerte mehr an ein militärisches Manöver als an eine bürgerliche Maßnahme.

Hinter Plexiglasschilden formierten sich Nationalgardisten – bewaffnet, aber zunächst passiv. Der Befehl zur Eskalation kam offenbar von weiter oben. Präsident Trump hatte zuvor persönlich 2.000 weitere Gardisten sowie 700 Marines nach Los Angeles beordert – gegen den ausdrücklichen Willen von Gouverneur Gavin Newsom und Bürgermeisterin Bass. Newsom sprach von einem „militärischen Sperrnetz“ über seiner Stadt und warf Trump vor, gezielt Unruhe zu stiften.

Das neue Gesicht des Ausnahmezustands

Inzwischen begleiten bewaffnete Gardisten ICE-Beamte bei Festnahmen. Was als Sicherung von Bundesgebäuden begann, ist in den Augen vieler Kalifornier längst zur schleichenden Militarisierung des öffentlichen Raums geworden. Newsom beantragte beim Bundesgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Einsatz – doch bis zur Anhörung am Donnerstag können die Maßnahmen fortgesetzt werden.

Trump selbst hält sich mit martialischer Rhetorik nicht zurück. In einer Rede in Fort Bragg bezeichnete er Demonstrierende als „Tiere“ und „fremde Feinde“. Zugleich ließ er durchblicken, dass er den Insurrection Act aktivieren könnte – ein Notstandsgesetz, das dem Präsidenten erlaubt, das Militär im Inland zur Aufstandsbekämpfung einzusetzen. Es wäre ein weiterer Schritt in eine Richtung, die vielen in Kalifornien Angst macht.

Von der Protestbewegung zur polizeilichen Konfrontation

Was als Reaktion auf massenhafte ICE-Razzien begann, ist mittlerweile zu einem flächendeckenden Aufbegehren angewachsen – nicht nur in Los Angeles, sondern auch in Städten wie Dallas, Austin, Chicago und New York. In L.A. selbst wurde eine wichtige Autobahn blockiert, Autos gingen in Flammen auf. Die Polizei antwortete mit Tränengas, Gummigeschossen und Blendgranaten. Allein am Dienstag wurden 197 Menschen festgenommen – darunter 67 wegen der Besetzung des Highway 101.

Und obwohl sich die Proteste größtenteils friedlich abspielen, bleibt die Rhetorik der Bundesregierung radikal. Die Präsenz der Einwanderungsbehörde ICE ist weiterhin hoch – sogar bei Schulen, Tankstellen und Baumärkten. Eltern in Los Angeles wurden gebeten, Abschlussfeiern lieber per Livestream zu verfolgen – aus Angst vor Razzien.

Bürgermeisterin Bass erklärte den lokalen Notstand. „Wir haben einen Kipppunkt erreicht“, sagte sie – 23 Geschäfte seien geplündert worden. Der von ihr verhängte nächtliche Ausnahmezustand gilt zunächst für das Zentrum der Stadt, könnte aber ausgeweitet werden. Polizeichef Jim McDonnell rechtfertigte die Maßnahmen als Schutz der öffentlichen Ordnung. Zugleich bestätigte er, dass unter den Festgenommenen nicht nur Demonstrierende seien, sondern auch Personen wegen schwerer Delikte – darunter versuchter Mord durch den Wurf eines Molotowcocktails.

Verteidigungsminister Pete Hegseth kündigte unterdessen an, dass der Militäreinsatz im Inland weiter ausgedehnt werde. Das Verteidigungsministerium bezifferte die bisherigen Kosten mit 134 Millionen Dollar.

Was in Los Angeles geschieht, könnte bald zum Modellfall für den Rest des Landes werden. Oder, wie Gouverneur Newsom es formulierte: „Kalifornien mag das erste Ziel sein – aber es wird nicht das letzte sein. Andere Bundesstaaten folgen.“

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