Der Raum wurde still

VonRainer Hofmann

Dezember 14, 2025

Es war kein Auftritt. Es war ein kalkulierter Moment für die Kameras. Donald Trump sprach, und im Raum veränderte sich etwas. Er redete nicht über Strategien oder Zeitpläne. Er redete über Tote. 25.000 Soldaten in einem einzigen Monat. Kein Rückblick, keine Relativierung. Eine Zahl, hingestellt wie ein Vorwurf. Dann kam der Satz, der hängen blieb. Ihr spielt weiter eure Spiele, sagte er. Und während ihr das tut, kommt der Dritte Weltkrieg näher. Das war keine Sprache für Verhandlungen. Das war Sprache für Druck. Für Angst. Für Unterordnung.

„Allein im letzten Monat sind 25.000 Soldaten gestorben. Ihr spielt weiter diese Spiele … und der Dritte Weltkrieg kommt.“

Was folgte, richtete sich klar an Europa. Fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Milliarden, die weiter in amerikanischen Fabriken landen. Waffen, Ausrüstung, Munition. Und am Ende Leichensäcke. Trump stellte diesen Zusammenhang nicht zur Diskussion. Er stellte ihn fest. Er sagte das ohne Regung. Kein Zögern. Kein Versuch, die Worte abzufedern. Genau das machte sie so schwer. Denn wer so spricht, rechnet nicht mehr mit Widerspruch. Er erwartet Gehorsam oder Konsequenzen. Der Krieg, so Trump, läuft nicht aus. Er wird größer. Unübersichtlicher. Brutaler. Europa, sagte er nicht ausdrücklich, aber deutlich genug, bewege sich schlafend in diese Richtung. Nicht, weil es das will, sondern weil es nicht stoppt. Was an diesem Moment beunruhigt, ist nicht nur die Drohung. Es ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie ausgesprochen wurde. Als wäre Eskalation kein Risiko mehr, sondern ein Mittel. Als wäre Krieg kein Versagen, sondern eine Entwicklung. Niemand im Raum widersprach. Vielleicht, weil niemand wusste, wie. Vielleicht, weil man längst daran gewöhnt ist, dass solche Sätze gesagt werden. Genau darin liegt die Gefahr. Geschichte scheitert selten an fehlenden Warnungen. Sie scheitert daran, dass man sie hinnimmt. Trump nannte es keine Empfehlung. Er nannte es keine Debatte. Er stellte es als letzte Gelegenheit dar. Zuhören oder zahlen. Nicht politisch. Menschlich. Mit Leben.

Fast zeitgleich, fast wie eine zweite Szene desselben Stücks, kam aus Moskau ein Satz, der in eine ganz andere Richtung zielte und doch in denselben Moment fiel. Wladimir Putin wandte sich ausdrücklich an die Bürger westlicher Länder und sagte, sie würden systematisch glauben gemacht, ihre heutigen Probleme seien das Ergebnis feindseliger Handlungen eines angeblich bösartigen Russlands. Sie sollten den Preis für den Kampf gegen eine erfundene russische Bedrohung aus eigener Tasche zahlen. Das alles, so Putin, sei eine Lüge. Die wahren Ursachen lägen in den Entscheidungen der eigenen Eliten, in jahrelangen Fehlern, Kurzsichtigkeit und Machtstreben. Diese Eliten, sagte er, dächten nicht daran, das Leben der Menschen zu verbessern. Sie seien fixiert auf ihre eigenen Interessen und auf übermäßige Gewinne.

„Ich möchte, dass die gewöhnlichen Bürger der westlichen Länder mir zuhören. Ihnen wird unablässig eingeredet, dass all Ihre heutigen Schwierigkeiten das Ergebnis feindseliger Handlungen eines bösartigen Russlands seien und dass Sie den Kampf gegen eine angebliche russische Bedrohung aus eigener Tasche bezahlen müssten. All das ist eine Lüge. Die Wahrheit ist, dass die Probleme, mit denen Sie jetzt konfrontiert sind, das Ergebnis jahrelanger Entscheidungen der herrschenden Eliten Ihrer eigenen Länder sind – ihrer Fehler, ihrer Kurzsichtigkeit und ihres Ehrgeizes. Sie denken nicht darüber nach, wie sie Ihr Leben verbessern können; sie sind besessen von ihren eigenen egoistischen Interessen und übermäßigen Profiten“

Zwei Stimmen, zwei mehr als fragwürdige Präsidenten, zwei Erzählungen. Und doch treffen sie sich in einem Punkt: Beide sprechen nicht von Hoffnung, nicht von Auswegen, sondern von Schuldzuweisungen. Für die Menschen, die zwischen diesen Fronten leben, bleibt vor allem eines spürbar – dass über sie gesprochen wird, selten mit ihnen.

Europa steht vor Entscheidungen, und Deutschland steht vor Entscheidungen, die man nicht mehr vertagen kann. Das ist kein Moment für Eitelkeiten, nicht für Dauerstreit, nicht für das Ausstellen eigener Rechthaberei. Die Gesellschaft muss zusammenrücken, und das beginnt im Miteinander, im Ton, im Willen, den anderen nicht sofort als Gegner zu betrachten. So wenig ideal die Wahl von Merz und einigen Ministern für viele erscheinen mag und man die rechten Tendenzen auch dort nicht übersehen darf, ist jetzt nicht die Zeit, alles infrage zu stellen. Jetzt ist die Zeit, eine Regierung zu unterstützen wo es vertretbar ist, kritisch, aber nicht taub, weil Instabilität in solchen Zeiten der falsche Weg ist. Merz hat in einem Punkt nicht unrecht, und dieser Punkt ist unangenehm, aber nicht unrealistisch: Wenn die Ukraine fällt, hört Putin nicht auf. Geschichte kannte selten finale Punkte.

Jetzt ist auch die Zeit, die AfD nicht weiter aufzuwerten. Nicht durch ständige Reaktionen, nicht durch im Überbieten von Teilen jeder noch so kleinen Mitteilung. Da sollten sich „Aufklärer“ hinterfragen, ob sie Verantwortung besitzen, oder einfach störrisch so weitermachen und dabei nicht bemerken, dass es kontraproduktiv ist, denn komischerweise findet man bei diesen Leuten eine Sache so gut wie nie: die aktuellen wöchentlichen Partei-Umfragen, weil es nur bestätigen würde, dass der Zug dieser Form von Aufklärung abgefahren ist. Die AFD spielt ein böses Spiel, und dieses Spiel lebt von Aufmerksamkeit. Ignorieren ist kein Wegsehen, es ist Entzug.

In den USA sitzt ein Mann, der mit Wahnsinn Politik macht, in Moskau ein Präsident, ein Kriegstreiber und Kriegsverbrecher. Dazwischen Gesellschaften, die sich in Nebensächlichkeiten verlieren, als wäre Zeit unendlich. In solchen Momenten müssen Dinge, über die man sonst streitet, zurücktreten. Nicht, weil sie unwichtig wären, sondern weil sie warten können. Verantwortung heißt nicht, alles gleichzeitig zu verhandeln. Auch die Medien stehen hier in der Pflicht. Zu oft entsteht der Eindruck, dass es sie antreibt, nicht aus dem Wunsch nach Aufklärung, sondern aus dem Reiz der Aufmerksamkeit. Reißerische Überschriften über dünne Inhalte bringen Reichweite, aber sie erklären nichts. Krieg taugt für Klicks, ja, künstlich und falsch dargestellte AFD-Reisen in die USA, ja. Aber wer so darüber schreibt, hat Krieg nie erlebt und Politik nicht verstanden. Wer Krieg erlebt hat, weiß, dass man dann anders spricht. Wenn Sprache so benutzt wird, verändert sie mehr als Stimmungen. Sie bereitet falsche Wege vor. Und dann ist es meist zu spät, so zu tun, als habe man es nicht kommen sehen.

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Observer
Observer
11 Stunden zuvor

👍🏼

christina hahn
christina hahn
8 Stunden zuvor

Einer eurer besten Artikel, danke!

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Stunde zuvor

Auf den Punkt gebracht.

Trump der sich als Retter darstellen will.
Wenn das nicht klappt, sollen gefälligst und ohne Widerworte, die europäischen Staaten 5% in die Verteidigung investieren.
Nicht in irgendeine Verteidigung, sondern in die Waffen aus den USA.
Menschen, Staaten… alles egal. Hauptsache der/die Deal(s) stehen und das Geld fließt in Trumps Taschen.

Blutin auf der anderen Seite kommt mit seiner Propaganda, die schon leider tausendfach Einzug in den Köpfen gehalten hat (insbesondere bei den ehemaligen DDR Bürgern…. 40 Jahre Gehirnwäsche haben immer noch Wirkung), Russland ist unschuldig, der Westen ist Schuld am Krieg und der Westen verbreitet Russophobie.

Und die AfD hüpft auf Putins Propaganda, nutzt Trumps Wahnsinn und tönt gegen alles, was nicht deutsch scheint.
Damit bedienen sie leider ein riesen Klientel.
Ein Klientel aus Holköpfen. Wir haben hier nicht mal den MAGA Kult, aber trotzdem rennen der AfD zu viele Menschen blindlings nach.

Europa hat lange geschlafen.
Nein, Europa schläft immer noch.
Europa hat sich meist auf Kkein-Klein konzentriert. Irgendwelche absurden Regulierungen (ich denke da nur an die Bananen).
Aber die großen Probleme hat man vertagt oder mit zig Ausschüssen tot diskutiert (erinnert mich stark an „wie man ein totes Pferd reitet).

Für solch unsinnige Politik ist keine Zeit.
Unsere Demokratie und Freiheit stehen auf dem Spiel.
Wer das nicht begreift ist naiv und dumm.
Wenn Europa sich jetzt nicht besinnt und Stärke zeigt, ist es zu spät.

Wenn Putin erstmal seine eiskalte Hand, über die Ukraine hinaus, ins Herz von Europa steckt, ist es zu spät.

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