Verhandlungen im Halbdunkel – Wie Trump, Putin und ein zerreißender Friedensplan Europa nervös machen

VonRainer Hofmann

Dezember 3, 2025

Die Welt sieht zu, wie in Moskau über einen Frieden verhandelt wird, der keiner ist. Fünf Stunden lang saßen Donald Trumps Sondergesandter Steve Witkoff, sein Schwiegersohn Jared Kushner und Wladimir Putin zusammen – am Ende stand ein Satz, der so kühl wie entlarvend klingt: Es gibt keinen Durchbruch. Yuri Ushakov, Putins wichtigster außenpolitischer Berater, sprach danach von einem Gespräch, das zwar lang war, aber kaum etwas löste. Man sei „nicht näher an einer Lösung“. Bei territorialen Fragen gebe es keine Annäherung. Genau diese Punkte sind seit Monaten der wunde Punkt aller Verhandlungen. Russland will den gesamten Donbas, obwohl die Ukraine Teile davon weiterhin kontrolliert. Kiew lehnt das ab, Europa ebenso. Und selbst in Washington ist längst nicht klar, wie weit Trump gehen würde.

Für Putin spielt Europa keine Rolle

Die Vorgeschichte dieser Gespräche ist bemerkenswert. Erst vor wenigen Tagen verkündete Wolodymyr Selenskyj in Dublin, die USA und die Ukraine hätten einen überarbeiteten Friedensentwurf mit 20 Punkten. Eine Art Gegenreaktion auf den 28-Punkte-Plan aus dem Trump-Umfeld, den Europa als Einladung an Russland empfand. Selenskyj erklärte, die neue Version sehe „besser“ aus, ohne aber zu sagen, was genau verändert wurde. Nun zeigt sich, wie brüchig diese Hoffnung ist. Ushakov ließ erkennen, dass manche amerikanischen Vorschläge „akzeptabel“ wirkten, aber vieles schlicht „nicht geeignet“ sei. Die Arbeit gehe weiter. Das heißt: Es gibt keine Einigung und keine greifbare Linie, auf die sich beide Seiten einigen könnten.

Witkoff und Kushner verließen den Kreml kurz nach Mitternacht und fuhren zur US-Botschaft. Es war ein symbolisches Bild: zwei Männer, die an einem Krieg rütteln sollen, der Europa und die Welt seit vier Jahren beschäftigt – ohne erkennbare Strategie, ohne diplomatische Erfahrung, ohne Rückhalt der internationalen Partner. Europa steht fassungslos daneben. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betont, ein Frieden könne nur zustande kommen, wenn Europa am Tisch sitzt. Die Europäer haben eigene Vorschläge vorgelegt, um zu verhindern, dass die Vereinigten Staaten ein Abkommen durchsetzen, das im schlimmsten Fall ukrainisches Territorium preisgibt.

Trumps Regierung wirkt währenddessen wie ein Geflecht konkurrierender Linien. Außenminister Marco Rubio fehlt beim aktuellen NATO-Treffen – offiziell wegen Termindrucks, inoffiziell, weil die Verhandlungen in Moskau politische Priorität haben. NATO-Generalsekretär Mark Rutte versucht die Abwesenheit herunterzuspielen, doch in europäischen Hauptstädten wächst die Sorge, dass Washington hinter verschlossenen Türen Entscheidungen trifft, die Europa später ausbaden muss. Ein hochrangiger NATO-Beamter berichtete zudem, die Lage an der Front sei dramatisch: Myrnohrad sei nahezu eingeschlossen, Pokrovsk zu mehr als 95 Prozent unter russischer Kontrolle, Versorgung teils nur noch per Drohne möglich. Die militärische Lage verschärft die politische. Je mehr die Ukraine militärisch unter Druck gerät, desto leichter kann Moskau Forderungen stellen.

Selenskyj warnte am Dienstag, er habe Angst vor „Spielen hinter dem Rücken der Ukraine“. Eine leise, aber klare Mahnung an Washington. Seine Aussage in Dublin, Amerika zeige „Interesse am diplomatischen Weg“, klang weniger als ein Lob als wie der Versuch, Druck zu mindern. Selten zuvor wirkte die ukrainisch-amerikanische Abstimmung so brüchig. Während der Gespräche schlug Putin einen Ton an, der in Europa Alarm auslöste. Man wolle keinen Krieg mit Europa, sagte er. Aber wenn Europa einen beginne, „gäbe es niemanden mehr, mit dem man verhandeln könne“. Es war eine Drohung, die tief in die Risse europäischer Debatten hineinwirkt: Wie lange kann man die Ukraine stützen, während Trumps Regierung gleichzeitig versucht, einen Deal zu formen, der Europas Sicherheitsinteressen ignoriert?

Europa hat sich selbst aus der Lösung für die Ukraine herausgenommen“ – so Putin. – Er betonte, dass die Europäer keine eigene Friedensagenda hätten und derzeit die amerikanischen Bemühungen für eine Einigung behinderten.

Gleichzeitig kam es zu neuen Angriffsberichten: Ein russischer Tanker soll vor der türkischen Küste von einer Drohne getroffen worden sein. Keine Opfer – aber ein Hinweis, wie weit dieser Krieg mittlerweile ausgreift. Auch in Italien knirscht es. Giorgia Melonis Regierung verschob ein Dekret über neue Militärhilfe, weil Partner in der Koalition die Unterstützung der Ukraine infrage stellen. Der Krieg frisst sich durch Regierungen, Budgets, Wahlprogramme.

In all diesem Druck entsteht ein gefährlicher Raum. Trump beschrieb den Krieg am Dienstag als „ein einziges Chaos“ und sprach von 25.000 bis 30.000 Toten im Monat. Es klang wie ein Präsident, der die Last nicht mehr tragen will und gleichzeitig kaum versteht, in welcher Lage Europa steckt. Er schickt Gesandte, die Putin seit Jahrzehnten kennt, aber keine Diplomaten sind. Menschen wie Witkoff und Kushner, die im Kreml an langen Tischen sitzen und ein Mandat vertreten, das sich täglich verändert. Es bleibt unklar, ob sie Verhandler sind – oder bloß Übermittler eines Präsidenten, der von einem Deal träumt, den er als Triumph verkaufen kann.

Nach dem fünfstündigen Treffen zwischen Wladimir Putin und Trumps Sondergesandtem Steve Witkoff im Kreml teilte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow mit, dass Moskau vier zusätzliche Dokumente erhalten habe, die über Trumps ursprünglichen 28-Punkte-Plan hinausgehen. Russland halte einige amerikanische Vorschläge für diskutierbar, andere jedoch für unakzeptabel. Ein Durchbruch wurde nicht erzielt, aber beide Seiten sehen Fortschritte nicht ausgeschlossen.

Uschakow betonte, dass Russland und die USA „nicht weiter voneinander entfernt“ seien als zuvor und dass die Gespräche konstruktiv und inhaltlich nützlich gewesen seien. Territorialfragen wurden angesprochen, aber nicht gelöst. Putin sandte über Witkoff freundliche Botschaften an Trump, während die US-Seite Grüße von Trump übermittelte. Zudem kritisierte Putin die Rolle Europas als destruktiv und sprach mit der US-Delegation über mögliche wirtschaftliche Zusammenarbeit. Weitere Gespräche sollen folgen, und ein mögliches Treffen zwischen Trump und Putin hängt vom Fortschritt auf Arbeitsebene ab.

Europa fürchtet inzwischen genau das: einen Frieden, der keiner ist. Einen Pakt, der Gewalt belohnt, Grenzen verwischt, internationale Verträge aushebelt. Sam Kiley, der internationale Leiter eines großen europäischen Mediums, schrieb am Dienstag, Europa müsse „endlich in diese Gespräche hineinbrechen“. Er beschreibt einen Präsidenten, der mit Putin verhandelt, als wäre die Ukraine ein Streitfall zwischen zwei Immobilienfirmen. Und einen Kreml, der genau weiß, wie man solche Verhandlungen für sich nutzt.

Putin sagte: „Wir haben nicht die Absicht, Krieg gegen Europa zu führen, aber wenn Europa kämpfen will und damit beginnt, sind wir ab sofort bereit.“ Er drohte damit, dass ein Krieg mit Europa „sehr schnell“ enden würde – für Europa mit Niederlage.

Nach fünf Stunden im Kreml steht eines fest: Es gibt keine Einigung, keine gemeinsame Linie, keinen Ausweg. Aber es gibt ungelöste Machtbereiche. Und wer dieses füllt, entscheidet am Ende, wie Europa aussehen wird.

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