Der letzte Maßstab – Wenn ein Präsident scheinbar den Verstand verliert

VonRainer Hofmann

Mai 27, 2025

Es gibt Momente in der Geschichte, in denen sich die Welt kollektiv an den Kopf fasst – nicht aus Faszination, sondern aus Fassungslosigkeit. Einer dieser Momente ist nun wieder eingetreten. Donald J. Trump, Präsident der Vereinigten Staaten, hat öffentlich erklärt, Kanada könne sich Milliarden Dollar sparen, wenn es aufhöre, eine eigene Nation zu sein – und stattdessen als 51. Bundesstaat der USA beitrete.

Das ist kein schlechter Witz. Es ist die reale Äußerung eines Mannes, der über Atomcodes verfügt.

Trump spricht vom „fabulous Golden Dome System“, einer Art Verteidigungsarchitektur, deren Inhalt ebenso nebulös bleibt wie seine geopolitischen Fantasien. Für Kanada, so seine Logik, koste dieses System 61 Milliarden Dollar – es sei denn, man beuge sich Washington, streiche die Ahornflagge und akzeptiere den Sternenbanner über Ottawa.

Was sich liest wie eine Mischung aus Satire und Größenwahn, ist bittere Realität. Es sind nicht mehr bloß Grenzverletzungen der politischen Rhetorik – es sind akute Ausfälle des politischen Verstands. Denn wer beginnt, souveräne Staaten mit wirtschaftlichem Druck zur politischen Unterwerfung zu bewegen, der spielt nicht mehr mit den Regeln der Diplomatie – sondern mit dem Feuer der Lächerlichkeit und des autoritären Wahns.

Die Frage, die sich mit wachsender Dringlichkeit stellt, ist nicht mehr: „Was hat er gesagt?“ – sondern: „Wann wird das beendet?“ Wann, endlich, findet die amerikanische Demokratie den Mut, das Offensichtliche auszusprechen? Dass ein Präsident, der solche Drohgebärden zum Alltag macht, der politische Gegner entmenschlicht, der Recht beugt und Verfassung verspottet, schlicht und einfach nicht mehr tragbar ist?

Es geht längst nicht mehr um einzelne Ausfälle, um Tweets oder Eitelkeiten. Es geht um eine fundamentale Aushöhlung des demokratischen Bewusstseins. Wenn politische Macht zum Selbstzweck wird und die Realität zum Spielball des eigenen Größenwahns, dann hat der Moment des Einschreitens längst begonnen.

Wir leben in einer Zeit, in der politische Psychologie nicht länger Nebendisziplin, sondern Überlebensfrage ist. Donald Trump hat jedes Maß verloren. Er verachtet das Völkerrecht, die Würde von Institutionen, die Intelligenz seiner Wähler – und ersetzt sie durch ein Weltbild, das nur noch in Superlativen, Sanktionen und Symbolpolitik funktioniert.

Dass Kanada nun – ironischerweise – „über das Angebot nachdenkt“, ist die letzte Pointe eines absurden Theaters. Und wie so oft in Trumps Welt, verschwimmen Ironie und Ernst zu einer bedrohlichen Melange aus Wahnsinn und Macht.

Was bleibt, ist die Erkenntnis: Wer zu lange lacht, gewöhnt sich an den Zynismus. Doch Demokratie verlangt Klarheit – und Konsequenz. Dieser Präsident ist nicht nur eine Zumutung. Er ist eine Gefahr.

Und die Zeit zu handeln war gestern.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x