Eine investigative Recherche tief im MAGA-Zirkel zeigt, wie Loyalität zur Waffe wurde, wie Intrigen die Bewegung von innen aushöhlen und wie Marjorie Taylor Greene und Charlie Kirk zu Symbolfiguren eines bröckelnden Imperiums wurden. Er war der jugendliche Hass-Prediger im Maßanzug, der die Sprache der Campus-Bühnen beherrschte wie kein anderer. Charlie Kirk, Gründer der rechtskonservativen Turning Point USA, verwandelte Vorlesungssäle in Arenen, baute ein Netzwerk auf, das binnen weniger Jahre zum dominierenden Sprachrohr der konservativen Jugend wurde und sammelte Spenden in dreistelliger Millionenhöhe. Parallel dazu zog er ein massives Spendernetz an sich – vor allem in evangelikalen Kreisen. Großspender und Family-Office-Kanäle aus dem Uihlein-/Friess-Umfeld sowie zahlreiche mittlere Stiftungen lenkten Mittel in Kirks Event- und Campus-Programme. Was im Bannonschen Lager lange als eigene Domäne galt – Zugang zu Predigern, Megakirchen und „values“-Fundraising – wanderte nun im großen Stil zu TPUSA. Aus Kreisen um Bannon war deshalb seit Monaten von einem „Abfluss“ die Rede, der andere Projekte austrockne; die Missgunst wuchs mit jedem ausverkauften Summit. Für Donald Trump wiederum war Kirk damit die entscheidende Brücke zur Generation Z – solange er nützlich blieb. Doch während er im Rampenlicht stand, wuchs hinter den Kulissen ein Schattenreich aus Eifersucht, Misstrauen und Rivalität.

Steve Bannon, der alte Stratege im Halbdunkel, sprach in vertraulichen Runden von einem Emporkömmling, der Spender abzog, die früher seine Kanäle gefüllt hatten. Roger Stone, der zynische Architekt zahlloser Intrigen, nannte ihn einen Karrieristen, der mit Selfies und Konferenzen sein eigenes Denkmal errichten wollte. Und selbst in der jungen Garde – Matt Gaetz, Madison Cawthorn – regierte offener Neid. Während sie Skandale sammelten, füllte Kirk Stadien. Während sie Schlagzeilen produzierten, gewann er Evangelikale. Kirk beanspruchte die Marke „MAGA Youth“ als exklusives Label, und das war in einer Bewegung, die absolute Loyalität verlangte, mehr als nur ein Affront. Es war ein Angriff auf die innere Rangordnung.

Im Trump-Clan selbst blieb die Distanz spürbar. Donald Trump Jr. pflegte die Jagdausflüge und die höflichen Gesten, doch hinter verschlossenen Türen galt Kirk als zu eigenständig, zu sehr vernetzt mit evangelikalen Geldgebern, die ihm eine Machtbasis verschafften, die nicht vom Familiennamen abhing. Für eine Bewegung, die totale Ergebenheit in den Mittelpunkt stellte, war diese Selbstständigkeit ein Makel. Kirk war nützlich, aber nie wirklich Teil des inneren harten Zirkels. Das Paradox bestand darin, dass Kirk nach außen wie das Symbol absoluter Loyalität wirkte, während er im Inneren zum Reizkörper wurde. Er war der junge Mann, der Trumps Reden ins TikTok-Format brachte, der Trump in Talkshows sekundierte, der Megakonferenzen organisierte, die wie Revival-Meetings anmuteten. Doch in den Hinterzimmern galt er als Störfaktor, als Konkurrent, als Empfänger von Neid und Hass. In Bannons Kreisen wurde er verspottet, im Establishment misstrauisch beäugt, von ultrareligiösen Hardlinern als zu weich verschrien. Und so wurde aus dem Gesicht der Loyalität eine Zielscheibe. Kirk wollte die Bewegung erneuern, professionalisieren, kommerzialisieren – und schrieb sich damit in eine Geschichte ein, die ihn zwischen alle Fronten stellte: Alte Strippenzieher, junge Rivalen, ein Familienclan, der keine Konkurrenz duldete, und dogmatische Puristen, die in jeder Abweichung einen Verrat witterten.
Die Gedenkfeier für Charlie Kirk war keine nüchterne Trauerveranstaltung, sondern eine Masseninszenierung. Sie glich einem Gedenkrevival mit Zügen eines evangelikalen Erweckungsgottesdienstes, einem politischen Trauergottesdienst, in dem Glaube und Politik ununterscheidbar ineinanderflossen. Für viele wirkte sie wie eine Kultfeier, eine Inszenierung der Märtyrerverehrung. Die Führungsschicht der Bewegung erzählte den Anhängern eine einzige Geschichte: Kirk als gefallenes Opfer, als Held der reinen Loyalität. Dass er im Inneren der MAGA-Welt erbitterte Gegner hatte, dass Neid, Intrigen und Rivalitäten sein Imperium untergruben, wurde ausgeblendet. Was die Anhänger erlebten, war eine emotional gesteuerte Ersatzwahrheit – Musik, Gebete, Tränen und große Worte, aber keine Spur der inneren Zersetzung, die Kirk schon zu Lebzeiten umgab. Die Gedenkfeier glich weniger einem Trauergottesdienst als einem politischen Exorzismus – eine Inszenierung, in der die Führung ein Bild vorlog, das von Reinheit und Opferbereitschaft sprach, während hinter den Kulissen längst Intrigen und Zersetzung herrschten.

Während Kirk noch als Symbol aufgeladen wurde, war Marjorie Taylor Greene längst an einem Punkt angelangt, an dem sie die Loyalität selbst in Frage stellte. Die Abgeordnete aus Georgia, die 2021 als QAnon-Provokateurin ins Repräsentantenhaus einzog und bald zur eifrigsten Kriegerin Trumps wurde, hat in diesem Jahr den offenen Bruch vollzogen. Sie ließ es sich nicht gefallen, vom Weißen Haus bedroht zu werden, weil sie für die Veröffentlichung der Epstein-Akten stimmte. „Ihr habt mich nicht gewählt. Ich arbeite nicht für euch“, schleuderte sie einem hochrangigen West-Wing-Mann entgegen. „Fickt euch“, setzte sie nach. Worte, die in ihrer Klarheit keinen Zweifel ließen: Die Zeit der bedingungslosen Gefolgschaft war vorbei.

Der Bruch zog sich durch alle großen Fragen. Im Sommer nannte Greene als erste Republikanerin den Krieg in Gaza einen „Genozid“. Sie versuchte, Militärhilfe für Israel zu kürzen, scheiterte krachend, aber machte damit unübersehbar, dass sie nicht mehr bereit war, die Linie zu halten. Als Trump den Befehl zum Angriff auf iranische Nuklearanlagen gab, sprach sie vom Verrat an den Wählern, auch Kirk sprach sich dagegen aus. Als er Waffenlieferungen an die Ukraine wiederaufnahm, stellte sie ihn öffentlich bloß. Und als Trump die KI-Industrie per Erlass auf rasantes Wachstum ohne nennenswerte Schutzmechanismen setzte, sprach sie von ‚brandgefährlicher Verantwortungslosigkeit‘ – eine Warnung, die ihr prompt den Zorn von Peter Thiel und J. D. Vance einbrachte.

Die Folge war Isolation – in der eigenen Partei, in der Lobbywelt, im Trump-Lager. AIPAC erklärte sie praktisch zum Abschuss frei, während Trumps Team sie mit angeblich „gefälschten Umfragen“ demütigte, die sie weit hinter Senator Ossoff sahen. Doch Greene wirkte unerschrocken. „Ich lebe in einem Staat, in dem die ‘Good Old Boys’ das Sagen haben“, sagte sie. „Und ich fühle mich nicht wertgeschätzt. Diese Typen sind sauer, weil ich ihnen keine Schecks ausstelle. Ich bin doch nicht blöd.“ Ihre Analyse für die kommenden Wahlen klang inzwischen wie ein demokratisches Wahlprogramm: Gesundheitskosten, Lebenshaltung, Strom- und Lebensmittelpreise. „Das sind die Themen, die die Leute ruinieren. Und wir reden im Kongress über die Grenze und Immigration.“ Es war mehr als eine rhetorische Abweichung – es war die Absage an eine Partei, die sie selbst groß gemacht hatte.

Was Charlie Kirk und Marjorie Taylor Greene verbindet, ist die Erkenntnis, dass Loyalität im Reich MAGA immer nur eine Fiktion war. Kirk, der jugendliche rechte Star, konnte Hallen füllen und Millionen mobilisieren, doch im Inneren der Hardliner war er der Fremdkörper, der Neid und Hass auf sich zog. Greene, die fanatische Soldatin, die sich jahrelang vor Trump verbeugte, hat begriffen (wie lange weiß man natürlich nicht), dass Drohungen, Manipulationen und Demütigungen das einzige waren, was ihr aus dem Weißen Haus entgegenschlug. Beide Geschichten zeigen, dass es in dieser Bewegung keine Partner gibt – nur Konkurrenten, nur Figuren im endlosen Wettlauf um Einfluss, nur Opfer einer Loyalität, die nie erwidert wird. So entsteht das Bild einer Bewegung, die nach außen unerschütterlich wirkt, im Inneren aber längst in Stücke gefallen ist. Kirk, der Märtyrer einer Jugendbewegung, die ihn nie wirklich akzeptierte. Greene, die Rebellin im Kapitol, die den Bann bricht und offen sagt, was alle wissen: Die Loyalität zu Trump ist ein leeres Versprechen. Die MAGA-Revolution frisst ihre eigenen Kinder, und jeder neue Tag zeigt, dass das Ende der Loyalität längst begonnen hat.
Fortsetzung folgt …
Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.
Unterstützen bitte auch Sie unseren journalistischen Kampf gegen Rechtspopulismus und Menschenrechtsverstöße. Wir möchten uns nicht über eine Bezahlschranke finanzieren, damit jeder unsere Recherchen lesen kann – unabhängig von Einkommen oder Herkunft.