Wie wir bereits in unseren Recherchen im Juni und Juli 2025 aufgezeigt hatten, war der Gefangenendeal zwischen Washington, Bukele und Maduro ein politischer und moralischer Skandal. In unserem Artikel vom 3. September hatten wir die Hintergründe des Deals beschrieben, Dahud Hanid Ortiz war zu diesem Zeitpunkt nicht auffindbar.

Heute nun das Update – und wie zu erwarten, ist nichts geschehen. Ortiz ist weiterhin auf freiem Fuß. Von Texas über Orlando, Florida war er auch nach New Mexico weitergereist, weiterhin ohne Überwachung, ohne Auflagen, ohne neue Festnahme. Es macht einen fassungslos: Dort verlor sich leider seine Spur. Ein Mann, der drei Menschen in Madrid mit dem Messer ermordete, das Büro anzündete, um Spuren zu verwischen, und dafür zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde, spaziert unbehelligt durch die Vereinigten Staaten. Normalerweise das perfekte Ziel für Trumps ICE-Razzien – aber nichts passierte.

Die Bilder aus San Antonio wirken wie aus einer anderen Welt: lachende Gesichter, wehende US-Flaggen, ein Präsident, der sich als Befreier inszeniert. Zehn US-Bürger, in Venezuela inhaftiert, kehren heim – „Freiheit“, jubelte Außenminister Marco Rubio. Auf X schrieb er: „Dank der Führung des Präsidenten sind zehn Amerikaner, später sprach das Weiße Haus nur noch von 9 unschuldigen Männern, die in Venezuela inhaftiert waren, auf dem Weg in die Freiheit.“ Rubio dankte dem State Department und dem salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele für den Deal. Was will man da noch sagen?

Donald Trump selbst schwieg. Kein Tweet, kein Truth-Social-Post, kein Auftritt. Stattdessen überließ er Rubio die Jubelbotschaften – ein kalkulierter Schachzug, der den Präsidenten feiern lässt, ohne ihn angreifbar zu machen. Der Austausch selbst war choreografiert wie eine internationale Inszenierung. Zuerst ließ Maduro die zehn Amerikaner aus venezolanischen Gefängnissen holen, darunter Ortiz. Statt sie direkt in die USA zu schicken, wurden sie nach El Salvador geflogen – ein politisches Schaulaufen, bei dem Präsident Nayib Bukele sie persönlich willkommen hieß und die Kameras laufen ließ. Von dort ging es weiter nach Texas, wo die Maschine auf der Joint Base San Antonio Lackland landete und man bei der Ankunft Spalier stand. So wurde aus einem heiklen Gefangenentransfer eine PR-Show, bei der alle drei Regierungen als Sieger dastanden: Bukele als harter Sheriff, Maduro als pragmatischer Verhandler, Trump als Befreier. Doch unter den Heimkehrern war eben Dahud Hanid Ortiz – ein 54-jähriger ehemaliger US-Marine, Purple-Heart-Träger, der aus dem Irakkrieg mit physischen und psychischen Verletzungen zurückkehrte. Nach seiner unehrenhaften Entlassung aus den Streitkräften 2014, weil er Dokumente gefälscht hatte, lebte er mit seiner Frau in Würzburg, nahe der US-Basis Schweinfurt. Als die Beziehung zerbrach, eskalierte die Lage: Ortiz entwendete das Telefon seiner Frau, rief Víctor Salas an und drohte: „Ich bin ausgebildet zu töten, und ich werde dich töten.“




Am 20. Juni 2016 setzte er sich ans Steuer eines alten silbernen VW Golf und fuhr über 1.200 Kilometer bis nach Madrid. Zwei Tage später, am 22. Juni, betrat er das Anwaltsbüro von Salas im Madrider Stadtteil Usera. Salas war nicht da. Stattdessen tötete Ortiz die beiden Mitarbeiterinnen Maritza Osorio und Elisa Consuegra sowie den Mandanten Pepe Castillo, den er fälschlich für Salas hielt. Danach setzte er das Büro in Brand und fuhr zurück nach Deutschland. Mit Hilfe seines Freundes Adytia Dolontelide legte er ein Alibi: Telefon, Bankkarte, Fitnessstudio – alles sollte belegen, er sei nie weg gewesen.

Die Grupo V de Homicidios der Policía Nacional rekonstruierte den Tatablauf minutiös, wertete Überwachungskameras, DNA-Spuren und Telefonverbindungen aus. Doch der Ermittlungsrichter Juan Carlos Peinado verfolgte zunächst eine falsche Spur und glaubte an ein mexikanisches Kartell. Erst ein Jahr nach der Tat erließ er den internationalen Haftbefehl – da war Ortiz längst über Kolumbien nach Venezuela geflohen. Von dort terrorisierte er weiter seine Frau. „Ich habe alle Zeit der Welt, keine Angst, ein Ziel und viel Information“, schrieb er, unterzeichnet mit „The horrible human being“. Er drohte mit Suizid, nahm Drogen, schickte der Schwester seiner Frau Mails, in denen er schrieb: „Ich habe Schreckliches getan, ohne es zu wollen. Ich hoffe, ich verschwinde langsam aus euren Leben.“
2018 wurde Ortiz in Puerto Ordaz verhaftet, kurz nachdem ein Drohnenattentat auf Präsident Maduro fehlgeschlagen war. Er wurde als möglicher US-Spion verhört, misshandelt und schließlich an die Militärgeheimdienste überstellt. Spanien beantragte seine Auslieferung, Venezuela lehnte ab. Nach einem mehrfach verschobenen Prozess wurde Ortiz am 9. Januar 2024 in Caracas zu 30 Jahren Haft verurteilt – der Höchststrafe. Zwei Berufungen scheiterten, zuletzt im Mai 2025.

Dass er nun im Kreise von Rückkehrern posiert, strahlend die Stars-and-Stripes hochhält, ist für die Angehörigen der Opfer eine Zumutung. Víctor Salas, der Anwalt, der eigentlich das Ziel war, lebt bis heute mit Polizeischutz und sagte gegenüber El País, er sei „entsetzt, dass dieser Mann nach so kurzer Zeit frei ist“. Auch Juan Carlos Consuegra, Vater von Elisa, sprach von einer „Verhöhnung des Rechtsstaats“ und forderte gemeinsam mit Salas, dass die spanische Justiz reagiere.

Unsere Recherchen haben schon im Sommer gezeigt, letztmalig unser Artikel vom 3. September unter dem Link: https://kaizen-blog.org/der-menschenhandel-der-moderne-und-der-kalte-wert-der-moral/ – dass dieser Deal mit Caracas kein humanitärer Akt war, sondern ein Geschäft: Washington zahlte Bukele dafür, 252 mutmaßliche Mitglieder der Bande „Tren de Aragua“ aus seinem Cecot-Gefängnis freizulassen, die zuvor ohne Verfahren aus den USA deportiert worden waren. Bukele kassierte politische Punkte, Maduro konnte seine Propaganda bedienen, und Trump inszenierte einen außenpolitischen Triumph – auf Kosten der Gerechtigkeit.

Für jeden abgeschobenen Venezolaner zahlt das Trump-Regime Geld an El Salvador – Dollar, die direkt in Bukeles System fließen. Doch ein Großteil der Inhaftierten, größtenteils unbescholtene Menschen, dienten längst nicht mehr der öffentlichen Sicherheit, sondern nur noch einem politischen Kalkül. Sie waren Teil eines geplanten Tauschhandels, der letzten Monat bzw teils schon im Juli 2025 vollzogen wurde – was bedeutet: Bukele kassierte Geld für Menschen, die er jetzt freigelassen hat, da das Geschäft zustande kam. Es wäre fast komisch, wenn es nicht so eiskalt, so zynisch, so perfide wäre, Bukele hat richtig abgeräumt. Nayib Bukele bestätigte bereits im April mit einem Tweet, der mehr enthüllte als beabsichtigt. Es war kein diplomatisches Schreiben, keine vertrauliche Note zwischen Staatenlenkern. Es war ein öffentlicher Post auf X, wo der Präsident El Salvadors mit kalkulierter Kälte den moralischen Tauschhandel verkündete: 252 venezolanische Migranten, abgeschoben aus den USA und ohne Prozess in El Salvador inhaftiert, im Austausch gegen 252 politische Gefangene in Venezuela.
Europa, Madrid, Berlin, Brüssel, Washington – sie alle schweigen. Kein Protest, keine diplomatische Note, keine Debatte. Wenn selbst ein dreifacher Mord nicht mehr genügt, um rote Linien zu ziehen, was bleibt dann von der europäischen Idee von Rechtsstaatlichkeit? Es geht nicht nur um Gerechtigkeit für drei unschuldige Opfer, sondern um die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats. Wer sich hier wegduckt, signalisiert: Mord kann verhandelbar sein. Es wäre fast komisch, wenn es nicht so brutal wäre: Ein Präsident kauft politische Punkte mit Menschenleben, ein anderer macht Kasse, und ein verurteilter Mörder reist quer durchs Land. Wer noch glaubt, dass dieser Deal sicher war, sollte mit Víctor Salas sprechen. Er erinnert sich an den Prozess 2022 in Caracas, als er Ortiz direkt ins Gesicht sagte: „Du wirst im Gefängnis enden.“ Ortiz lachte nur. Heute wirkt dieser Satz wie Hohn.
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Seine Frau und deren Familie leben nun wieder in großer Angst.
Wann taucht er auf und tötet erneut?
Leider ist der Tausch von Schwerverbrechern gegen normale Geiseln gar nicht selten.
Ich erinnere mich an den „Tiergartenmörder“, den russische Waffenhändler…. und wer weiß, was noch unterm Radar gemauschelt wurde.
Trump inszeniert lieber alles und lässt sich Feiertag.
Stars and Stripes mit Auszeichnjngen wiegen schwerer als ein dreifacher Mord.
Zumindest wenn man Weiß und hetero ist ….
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…man war nah an ihm dran, jetzt muss man wieder schauen, aber der weiss wie man untertaucht…