Unser Treffen mit den Protestierenden von Fargo.
Es war ein klarer, windiger Nachmittag über der I-94, wo die Brücke wie ein stilles Band zwei Seiten einer zerrissenen Stadt verbindet. Und dort, genau auf dieser Brücke in Fargo, North Dakota, stehen sie: Judd und Wendy Hoff. Zwei Menschen. Zwei Körper gegen die Kälte. Zwei Stimmen gegen das Vergessen. In ihren Händen ein Schild mit vier schlichten Ziffern: 8647 – eine stille Botschaft, getragen von der amerikanischen Flagge, in Sichtweite der vorbeifahrenden Autofahrer.
Und plötzlich: drei Streifenwagen, Blaulicht, Uniformen. Keine Anklage, keine Vorwarnung. Nur Fragen. Drohgebärden. Und am nächsten Morgen: ein Anruf. Der Secret Service ermittelt.
Was wie eine absurde Überreaktion klingt, ist bittere Realität im Jahr 2025. Die Zahl 8647 – längst zu einem dezent codierten Protest gegen Donald Trump geworden – wird hier zum Gegenstand einer möglichen strafrechtlichen Untersuchung. Der Vorwurf? Unklar. Die Absicht? Einschüchterung.
Wir treffen Judd und Wendy am Rand eines staubigen Parkplatzes, nicht weit von der Brücke entfernt. Wendy trägt eine alte Cordjacke, ihr Blick ist wach, ruhig, fest. Judd wirkt wie jemand, der lieber beobachtet als spricht – aber wenn er spricht, dann mit Klarheit. „Wir wollen nur sagen, was gesagt werden muss“, sagt er. „Nicht mehr – aber auch keinen Satz weniger.“
Die beiden leben minimalistisch, fast schon nomadisch. Kein fester Wohnsitz. Kaum Besitz. Dafür ein unerschütterlicher Wille, von Stadt zu Stadt zu ziehen, Brücken zu suchen – physisch wie metaphorisch – und sich sichtbar gegen das zu stellen, was sie den „neuen Autoritarismus“ nennen. Ihre Demonstrationen sind still. Legal. Sichtbar. Und nun, durch einen bürokratischen Reflex, vielleicht strafbar.

Sie bitten nicht um Mitleid – sie bitten um Solidarität.
Ein Anwalt, der bereit ist, sie zu vertreten, verlangt 2.500 Dollar Kaution. Ein Betrag, der für Menschen wie Judd und Wendy eine Grenze markiert – zwischen Redefreiheit und Schweigen, zwischen Widerstand und Rückzug. „Wenn wir das Geld zusammenbekommen, reisen wir weiter. Wenn nicht, bleiben wir trotzdem laut“, sagt Wendy. Und sie meint es so.
Was uns berührt, ist nicht nur ihr Mut, sondern die Ruhe, mit der sie ihm begegnen. Kein Pathos. Keine Wut. Nur die feste Überzeugung, dass Protest kein Privileg sein darf – sondern ein Recht.
Und ja, sie sagen es auch direkt: Wenn eine Frau in Minnesota 500.000 Dollar bekommt, nur weil sie ein Kind rassistisch beleidigt hat, dann sollte es möglich sein, einen kleinen Bruchteil dieser Summe für Menschen aufzubringen, die ihre Freiheit riskieren, um der Demokratie ihre Stimme zurückzugeben.
Sie nennen es „furchtlosen Widerstand gegen den Faschismus.“ Ich nenne es Bürgermut.
Als wir uns verabschieden, steht die Sonne schon tief. Judd zieht die Kapuze hoch, Wendy hält das Schild fest. Hinter ihnen rollen die Trucks über den Highway. Und ich denke: Vielleicht beginnt der Widerstand nicht in großen Hallen oder über Social Media – sondern genau hier. Auf einer Brücke. Mit einem Schild. Und zwei Menschen, die stehen bleiben, wo andere längst wegsehen. Judd und Wendy, unterwegs für Gerechtigkeit – und für ein Amerika, das nicht verstummt.
