Die Stunde der Autokraten: Wie Putin und Kim vor dem Alaska-Gipfel ihre Karten neu mischen und damit alle Dimensionen sprengen

VonRainer Hofmann

August 13, 2025

In der eisigen Kälte Alaskas werden am Freitag zwei Männer aufeinandertreffen, deren Handschlag die Weltordnung erschüttern könnte. Donald Trump und Wladimir Putin wollen auf der Joint Base Elmendorf-Richardson über nichts Geringeres als die Zukunft Europas verhandeln – und möglicherweise über die Neuaufteilung ukrainischen Territoriums.

Joint Base Elmendorf-Richardson

Doch was sich als bilaterales Spitzentreffen inszeniert, ist in Wahrheit Teil eines vielschichtigen geopolitischen Schachspiels, bei dem die Figuren längst in Stellung gebracht wurden. Das jüngste Telefonat zwischen Putin und Kim Jong Un, nur 48 Stunden vor dem Alaska-Gipfel, sendet dabei ein unmissverständliches Signal: Moskau betritt die Verhandlungen nicht allein, sondern als Teil einer wachsenden Allianz der Autokraten.

Best friends
Stolz wie Kinder, leider sehr böse Kinder …

Die Choreografie dieses Telefonats war so präzise wie beunruhigend. Während Putin dem nordkoreanischen Diktator für den „Mut, Heldentum und selbstaufopfernden Geist“ seiner Soldaten in der ukrainischen Grenzregion Kursk dankte, versprach Kim im Gegenzug bedingungslose Unterstützung für „alle Maßnahmen, die die russische Führung auch künftig ergreifen wird“. Diese Formulierung ist in ihrer Unbedingtheit alarmierend – sie gleicht einem Blankoscheck für künftige Eskalationen. Besonders brisant: Putin informierte Kim über seine bevorstehenden Gespräche mit Trump, ein Detail, das Pjöngjangs Staatsmedien wohlweislich verschwiegen. Es offenbart die asymmetrische Natur dieser Partnerschaft, in der Nordkorea zwar militärisches Kanonenfutter liefert, aber von den großen diplomatischen Manövern ausgeschlossen bleibt.

Nordkoreaner an der Front für Russland

Recherchen zeigen, die Dimensionen der nordkoreanisch-russischen Militärkooperation sprengen dabei alle Vorstellungen dessen, was noch vor wenigen Jahren als undenkbar galt. Fünfzehntausend nordkoreanische Soldaten kämpfen nach südkoreanischen Geheimdiensterkenntnissen bereits auf russischem Boden gegen ukrainische Truppen – eine Zahl, die der Truppenstärke einer kompletten Division entspricht. Dazu kommen massive Waffenlieferungen, darunter Artilleriegeschütze und ballistische Raketen, die Russlands erschöpfte Arsenale auffüllen. Noch beunruhigender ist die Ankündigung, tausende nordkoreanische Bauarbeiter und Minenräumer in die umkämpfte Kursk-Region zu entsenden. Diese Männer werden nicht als reguläre Arbeiter kommen, sondern als Zwangsarbeiter eines totalitären Regimes, das seine Bürger wie Handelsware verschachert.

Treu bis in die Hölle

Diese militärische Verflechtung zwischen Moskau und Pjöngjang stellt einen fundamentalen Bruch mit allen Normen des Völkerrechts dar. Ein Staat, der unter schärfsten UN-Sanktionen steht und dessen Nuklearprogramm die regionale Stabilität in Ostasien bedroht, wird zum aktiven Kriegsteilnehmer in Europa. Die internationale Gemeinschaft, die jahrzehntelang versucht hat, Nordkorea zu isolieren und zu Verhandlungen zu zwingen, sieht sich nun mit der perversen Realität konfrontiert, dass Kim Jong Un seine Soldaten als Söldner an den Meistbietenden vermietet. Es ist ein Zynismus sondergleichen, wenn Putin diese Männer für ihren „Heldentum“ lobt – Soldaten, die keine Wahl hatten, die tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt in einem Krieg sterben, der nicht der ihre ist, für einen Diktator, der ihre Leben für Öl, Getreide und Technologie eintauscht.

Nordkoreanische Anti-Drohnen-Taktik unter Einsatz von „lebendem Köder“ – einem menschlichen Lockvogel.

Während Putin seine Allianzen festigt, ringen Europas Führer verzweifelt um Einfluss auf Trump. Die für Mittwoch angesetzte Videokonferenz unter Leitung von Bundeskanzler Friedrich Merz gleicht dem Versuch, einen Damm gegen die Flut zu errichten. Merz, Macron, Meloni und weitere europäische Spitzenpolitiker werden versuchen, Trump davon zu überzeugen, keine einseitigen Deals mit Putin zu schließen. Ihre Botschaft wird klar sein: Jeder Waffenstillstand muss mit einem vollständigen Stopp der Kampfhandlungen beginnen, jede territoriale Neuordnung bedarf der Zustimmung der Ukraine und Europas. Doch die Realität ist ernüchternd. Trump hat bereits von „Land-Swaps“ gesprochen, als handle es sich um eine Immobilientransaktion in Manhattan und nicht um die Souveränität eines europäischen Staates.

Merz und die EU sind Randerscheinungen in diesem geopolitischen Spiel nach den Regeln von Putin

Die Schwäche der europäischen Position offenbart sich in ihrer Abhängigkeit von amerikanischer Unterstützung. Ohne US-Geheimdienstinformationen, ohne amerikanische Waffensysteme und ohne Washingtons politisches Gewicht wäre Europa kaum in der Lage, die Ukraine weiter zu unterstützen. Diese Abhängigkeit macht Merz und seine Kollegen zu Bittstellern, die hoffen müssen, dass Trumps Eitelkeit und sein Wunsch nach einem historischen Deal ihn nicht zu voreiligen Zugeständnissen verleiten. Die Ironie ist bitter: Ausgerechnet jene europäischen Konservativen, die Trump einst als Hoffnungsträger begrüßten, müssen nun erleben, wie er möglicherweise über ihre Köpfe hinweg Europas Sicherheitsarchitektur demontiert. Besonders beunruhigend ist Trumps naive Selbsteinschätzung, er könne binnen Minuten erkennen, ob Putin es ernst meine. „Because that’s what I do. I make deals“, prahlte er vor Reportern – eine Aussage von geradezu erschreckender Selbstüberschätzung angesichts eines Gegenspielers, der seit einem Vierteljahrhundert an der Macht ist und jeden amerikanischen Präsidenten seit Clinton an der Nase herumgeführt hat. Trumps Ankündigung, er könne das Treffen jederzeit mit einem „Good luck“ beenden, klingt weniger nach souveräner Verhandlungsführung als nach der Drohung eines beleidigten Geschäftsmannes, der nicht begreift, dass Geopolitik anderen Gesetzen folgt als der Immobilienmarkt.

Trump ist Putin in nichts gewachsen

Die Wahl Alaskas als Treffpunkt ist dabei mehr als nur Logistik. Es ist symbolträchtig, dass Putin bereit ist, auf amerikanischen Boden zu reisen – auf eine Militärbasis noch dazu. Es signalisiert einerseits sein Selbstvertrauen, andererseits aber auch einen gewissen Verhandlungsdruck. Die russische Wirtschaft ächzt unter den Sanktionen, die Verluste an der Front sind enorm, und die Abhängigkeit von nordkoreanischen Söldnern offenbart die Erschöpfung der eigenen Ressourcen. Putin braucht einen Deal, aber er wird ihn nur zu seinen Bedingungen akzeptieren.

Parallel zu diesen diplomatischen Manövern läuft ein unsichtbarer Krieg im Cyberspace. Die Enthüllung, dass russische Hacker offenbar seit Jahren in das amerikanische Bundesgerichtssystem eingedrungen sind und hochsensible Dokumente kompromittiert haben, wirft ein grelles Licht auf Moskaus hybride Kriegsführung. Dass diese Sicherheitsverletzung just vor dem Gipfeltreffen öffentlich wird, ist kaum Zufall. Es ist eine Machtdemonstration, eine Erinnerung daran, dass Russland auf vielen Ebenen gleichzeitig agiert und Druckmittel besitzt, die weit über konventionelle militärische Macht hinausgehen.

Die Tragik dieser Situation liegt in ihrer Vorhersehbarkeit. Seit Jahren warnen Experten vor einer Achse autoritärer Regime, die sich gegen die liberale Weltordnung verbünden. Die Allianz zwischen Russland und Nordkorea, unterstützt durch Chinas wohlwollende Neutralität und Irans Drohnenlieferungen, ist die Manifestation dieser Warnung. Es ist eine Koalition der Parias, vereint in ihrer Feindschaft gegen den Westen und ihrer Verachtung für internationale Normen. Dass ausgerechnet Trump, der sich als starker Mann inszeniert, zum potenziellen Steigbügelhalter dieser Allianz werden könnte, ist eine Ironie von welthistorischem Ausmaß.

Zum Zuschauen verbannt …

Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident, wurde bezeichnenderweise nicht nach Alaska eingeladen. Diese Ausladung spricht Bände über Trumps Verständnis von Verhandlungen: Er sieht sich offenbar als Makler zwischen zwei Parteien, nicht als Verbündeter der angegriffenen Nation. Für die Ukraine könnte dies katastrophale Folgen haben. Ein Deal, der über Kiews Kopf hinweg geschlossen wird, würde nicht nur ukrainisches Territorium preisgeben, sondern auch das Prinzip untergraben, dass Grenzen nicht gewaltsam verschoben werden dürfen – ein Prinzip, das seit 1945 die Grundlage der europäischen Friedensordnung bildet.

Die kommenden Tage werden zeigen, ob Trump der Versuchung widerstehen kann, sich als großer Friedensstifter zu inszenieren, koste es, was es wolle. Die Geschichte lehrt uns, dass Appeasement gegenüber Aggressoren selten zu dauerhaftem Frieden führt. Ein fauler Kompromiss in Alaska würde Putin nicht besänftigen, sondern ermutigen. Er würde das Signal senden, dass militärische Aggression sich lohnt, dass die Allianz mit Schurkenstaaten Früchte trägt, und dass der Westen letztendlich bereit ist, seine Prinzipien für eine trügerische Ruhe zu opfern.

Die Verantwortung, die auf Trumps Schultern lastet, könnte größer nicht sein. In Alaska wird nicht nur über die Zukunft der Ukraine verhandelt, sondern über die Glaubwürdigkeit des Westens, die Stabilität Europas und die Frage, ob das 21. Jahrhundert von Demokratien oder Autokratien geprägt sein wird. Die Tatsache, dass diese Entscheidung in den Händen eines Mannes liegt, der Komplexität verabscheut und schnelle Deals liebt, ist zutiefst beunruhigend. Europa kann nur hoffen, dass Trump in Alaska begreift, was auf dem Spiel steht – nicht nur für die Ukraine, sondern für die gesamte freie Welt.

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Irene Monreal
Irene Monreal
2 Monate zuvor

„… dass Trump begreift…“
Weniger Hoffnung geht nicht mehr 🙁

Irene Monreal
Irene Monreal
1 Monat zuvor
Reply to  Rainer Hofmann

Ich könnte schon wieder auf die Barrikaden gehen! Armin Coerper heute im ZDF
„Trump will ein Atomraketen-Abkommen… … was seine Chancen auf den Nobelpreis erhöhen könnte…“
Was soll der Sch… im ZDF?! Wenn er wenigstens gesagt hätte, „… weil er (Trump) meint, dass das seine Chancen erhöhen könnte.
Trump bekommt niemals den Nobelpreis, was sollen diese schlampigen, verharmlosenden Formulierungen?! Wer auf die dürftige Berichterstattung der ÖRR vertraut, denkt sich, cool – Trump, Nobelpreis?

Helga
Helga
2 Monate zuvor

Trump wird auf biegen und brechen seine Deals durchsetzen wollen. Ob er das schafft hängt zum großen Teil von Europa ab. Ich sehe schwarz, leider.

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Wer Trump als Hoffnungsträger gesehen hat, ist nicht nur total naive, sondern richtig dumm.

Auf Trumps Schultern lastet nichts, außer seiner eigenen Eitelkeit.
Er fühlt sich darin, dass Europas Politiker als Bittsteller seine Füße küssen.

Trump macht, was er immer macht.
Etwas tun, was IHM nutzt.

Europa, Das Volk der USA, die Welt sind ihm egal.
Er ist Narzisst und Psychopath.
Außer sich selber und Geld/Macht interessiert ihn absolut nichts.

Vielleicht bietet man ihm ja im Vorfeld den Friedensnobelpreis, damit er die Ukraine weiter unterstützt?
Abwegig ist das derzeit nicht.

Putin bekommt eh was er will, die Ukraine.
Von Frieden will Putin nichts wissen.
Und dann wird er weitere Länder in Europa angreifen und wir haben dem nichts entgegen zu setzen.

Ingo D.
Ingo D.
1 Monat zuvor

Irre diese Allianzen.
Und wie verhält sich China dazu?

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