Blutige Botschaft – Das Attentat am jüdischen Museum von Washington

VonRainer Hofmann

Mai 22, 2025

Es war ein lauer Maiabend in Washington, ein Abend, der hätte enden sollen mit Wein, Gesprächen und Hoffnung. Stattdessen endete er mit zwei tödlichen Schüssen. Zwei junge Menschen, Sarah Milgrim und Yaron Lischinsky, wurden vor dem Capital Jewish Museum erschossen – von einem Mann, der „Free, free Palestine“ rief, als die Polizei ihn abführte. Es war ein Attentat, das nicht nur zwei Leben auslöschte, sondern auch ein beunruhigendes Licht auf den Zustand der Welt warf – auf einen Konflikt, der längst nicht mehr nur im Nahen Osten tobt, sondern auch die Straßen Amerikas erreicht hat.


Ein Attentat mit politischem Echo

Sarah Milgrim, eine US-Amerikanerin aus Kansas, und Yaron Lischinsky, ein israelischer Diplomat, standen kurz vor ihrer Verlobung. Sie verließen gemeinsam eine Veranstaltung des American Jewish Committee, eine Art Empfang für junge Diplomatinnen und Diplomaten. Wenige Minuten später waren sie tot. Erschossen vor dem Eingang des Museums von einem Mann, der laut Polizeiangaben später als Elias Rodriguez identifiziert wurde – ein 31-jähriger aus Chicago, der offenbar gezielt auf jüdische oder israelische Zielpersonen abzielte.

Rodriguez wurde kurz nach der Tat festgenommen – nicht irgendwo, sondern im Inneren des Museums, wohin er nach den Schüssen flüchtete. Dort zog er einen roten Keffiyeh hervor und rief mehrfach „Free Palestine“, wie Augenzeugen berichten. Das Motiv? Noch nicht abschließend geklärt. Doch die Botschaft scheint klar – es war ein Akt des politischen Hasses, geboren aus einer Welt, in der Argumente längst von Gewalt verdrängt wurden.

Die Tat und die Reaktion

Donald Trump, der amtierende US-Präsident, nannte die Tat auf Truth Social „eine antisemitische Gräueltat, die JETZT enden muss“ – ein ungewöhnlich klarer Ton für jemanden, der oft mit rechtsradikalen Parolen flirtet. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sprach von einem „schockierenden Angriff“ und der „Fratze des Antisemitismus“. Die israelischen Vertretungen weltweit senkten die Flaggen auf Halbmast und verschärften ihre Sicherheitsmaßnahmen.

Die US-Bundesstaatsanwaltschaft in Washington wird den Fall übernehmen – unter der Leitung von Jeanine Pirro, einer früheren Fernsehmoderatorin und engen Verbündeten Trumps, die inzwischen Generalstaatsanwältin ist. Das FBI wertet die Tat bereits als gezielte Gewalttat.

Opfer mit Hoffnung – und Geschichte

Ted Deutch, der Vorsitzende des American Jewish Committee, beschrieb die beiden Opfer als lebensfrohe Menschen mit Visionen: Sarah – engagiert in der Friedensarbeit, warmherzig, einfühlsam. Yaron – Diplomat mit Herz, politischer Scharfsinn, voller Vorfreude auf das jüdische Wochenfest Schawuot mit seiner Familie in Israel. Es waren keine Repräsentanten einer Regierung – es waren zwei junge Menschen mit Träumen. Und sie wurden ermordet, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Oder, in den Augen des Täters: am „richtigen“.

Kalter Mord im Namen der Gerechtigkeit?

Yoni Kalin, der sich zum Zeitpunkt des Anschlags im Museum befand, beschreibt, wie der mutmaßliche Täter scheinbar verwirrt ins Gebäude kam. Besucher reichten ihm Wasser – sie dachten, er sei ein Opfer, nicht der Täter. Erst als die Polizei eintraf und er laut „Free Palestine“ rief, wurde klar, wen sie vor sich hatten.

Kalin sagte später: „Dieses Event war ein Abend der Verständigung – wie helfen wir Menschen in Gaza UND in Israel? Wie bringen wir Muslime, Juden und Christen zusammen? Und dann tötet jemand zwei junge Menschen in kaltem Blut. Das ist nicht Gerechtigkeit. Das ist Terror.“

Symbolischer Ort – Symbolische Eskalation

Das Capital Jewish Museum war erst wenige Tage zuvor mit einer halben Million Dollar zur Verbesserung seiner Sicherheitsinfrastruktur bedacht worden – auch wegen antisemitischer Drohungen und der neuen LGBTQ-Ausstellung, die laut Museumsleitung zusätzliche Risiken birgt. Die Leitung reagierte auf das Attentat mit einer nüchternen, aber klaren Stellungnahme: „Wir sind zutiefst erschüttert über diese sinnlose Gewalt.“

Der Angriff reiht sich ein in eine lange Liste antisemitisch motivierter Übergriffe auf israelische oder jüdische Einrichtungen weltweit – ein Schatten, der seit Jahrzehnten über der Diplomatie liegt. Von Buenos Aires bis Berlin, von Istanbul bis Paris: Diplomaten Israels sind immer wieder Ziel von Anschlägen, ob durch staatlich geförderte Terrornetzwerke oder Einzeltäter mit politischem Wahn.

Der größere Kontext: Gaza, Hass und eine verhärtete Welt

Dass dieses Attentat nicht isoliert betrachtet werden kann, liegt auf der Hand. Es fällt in eine Zeit, in der Israel eine neue Militäroffensive in Gaza führt – nach dem grausamen Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023, bei dem 1.200 Menschen starben und etwa 250 als Geiseln genommen wurden. Seitdem starben laut Angaben der Gesundheitsbehörden in Gaza über 53.000 Menschen, überwiegend Frauen und Kinder. 90 % der Bevölkerung wurden vertrieben. Es herrscht Hunger, Zerstörung – und Verzweiflung.

Diese Bilder brennen sich weltweit in Köpfe – und in manche Herzen offenbar so tief, dass sie zur Waffe greifen. Die Tat von Washington ist in diesem Kontext nicht das Ergebnis eines Konflikts – sondern seiner Eskalation, importiert und kanalisiert in Gewalt.

Zwei Menschen sind tot. Zwei Familien sind zerstört. Und ein Land – vielleicht sogar zwei – sehen sich erneut mit der Realität eines Hasses konfrontiert, der längst nicht mehr nur an den Rändern lodert. Das Attentat in Washington ist keine Ausnahme mehr. Es ist ein Symptom.

Ein Symptom für eine Welt, in der politische Konflikte immer häufiger in persönliche Racheakte münden. Für eine Gesellschaft, in der Solidarität und Diplomatie immer öfter an den Rand gedrängt werden – von Schreien, von Symbolen, von Blut.

Und für eine Generation, die lernen muss, dass Frieden nicht nur Worte braucht. Sondern Schutz. Und den Mut, ihm eine Bühne zu geben – bevor es wieder zu spät ist.

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