Es ist ein stiller Nachmittag in Manhattan. Mahmoud Khalil sitzt auf einem schmalen Sofa, sein zehn Wochen alter Sohn Deen in den Armen, die Augen auf den Boden gerichtet – und in seinem Blick liegt etwas, das man nicht leicht vergisst. Vielleicht ist es Erschöpfung. Vielleicht Trauer. Vielleicht das Wissen, dass selbst ein friedlicher Moment in dieser neuen Freiheit noch immer von der Erinnerung an jene Nacht durchdrungen ist, die alles veränderte: die Nacht in der kalten Zelle eines ICE-Gefängnisses in Louisiana, während in New York sein Sohn zur Welt kam. „Ich kann den Schmerz dieser Nacht nicht in Worte fassen“, sagt Khalil. „Das werde ich nie verzeihen.“

Nun, Wochen nach seiner Freilassung, erhebt der 30-jährige palästinensische Aktivist Anklage – nicht vor einem Gericht, sondern vor dem Gewissen einer Nation. 20 Millionen Dollar fordert er von der Trump-Regierung, als Wiedergutmachung für eine Inhaftierung, die nach Ansicht seiner Anwälte nicht nur rechtswidrig war, sondern Ausdruck einer Kampagne, die gezielt palästinensische Stimmen zum Schweigen bringen sollte. Khalil wurde nie eines Verbrechens beschuldigt, nie mit Terrorgruppen in Verbindung gebracht. Doch für das Weiße Haus war sein Engagement – vor allem an der Columbia University – Grund genug, ihn zur Zielscheibe zu machen. Die Vorwürfe sind deutlich: falsche Inhaftierung, böswillige Strafverfolgung, öffentliche Diffamierung. Namentlich angeklagt sind das Heimatschutzministerium, die Einwanderungsbehörde ICE und das Außenministerium – alles unter dem Dach einer Exekutive, die Khalil zu einem Exempel machen wollte. Der juristische Vorstoß erfolgt auf Grundlage des „Federal Tort Claims Act“, einem Bundesgesetz, das es erlaubt, Schadensersatzansprüche gegen staatliche Stellen geltend zu machen. Doch Khalils Motivation geht weit über finanzielle Entschädigung hinaus. „Sie missbrauchen ihre Macht, weil sie glauben, unangreifbar zu sein“, sagt er. „Solange niemand sie zur Rechenschaft zieht, wird das so weitergehen.“

Die Vorgeschichte liest sich wie ein kafkaeskes Lehrstück: Am 8. März wurde Khalil auf dem Heimweg von einem Abendessen mit seiner Frau Noor Abdalla von zivil gekleideten Beamten festgenommen – ohne Durchsuchungsbefehl, ohne Begründung. Er wurde nach Jena, Louisiana, gebracht, in ein entlegenes ICE-Gefängnis, dessen Standort seiner Familie und seinen Anwälten zunächst verschwiegen wurde. Dort wurde ihm die Medikation gegen ein Magengeschwür verweigert, das Licht brannte ununterbrochen, das Essen war kaum genießbar. Er verlor sieben Kilogramm Körpergewicht. „Ich kann mich an keine Nacht erinnern, in der ich nicht hungrig eingeschlafen bin“, sagt Khalil. Zeitgleich feierte die Regierung Trump seine Festnahme – als Schlag gegen „pro-terroristische, antisemitische und anti-amerikanische Aktivitäten“. Doch Khalil hatte sich immer gegen Antisemitismus ausgesprochen – vor und nach seiner Verhaftung. Die Diskreditierung diente einem anderen Zweck: dem Aufbau eines repressiven Narrativs, das Kritik an Israels Krieg gegen Gaza zur Bedrohung der nationalen Sicherheit umdeutet. Besonders zynisch erscheint dabei ein Memo, das während seiner Inhaftierung unterzeichnet wurde – ausgerechnet von Außenminister Marco Rubio. Darin wird eingeräumt, dass Khalil kein Gesetz gebrochen habe. Dennoch solle er abgeschoben werden – wegen „Überzeugungen“, die angeblich den außenpolitischen Interessen der USA widersprechen könnten. Gemeint ist sein offener Widerstand gegen Investitionen in Waffenhersteller, die Israels Militäroperationen in Gaza ermöglichen. „Ich will nicht, dass meine Steuern oder Studiengebühren ein Massaker finanzieren“, sagt Khalil. „So einfach ist das.“
In der Haft entwickelte Khalil sich zur Anlaufstelle für andere. Er hielt Sprechstunden für Mitgefangene ab, half bei Formularen, übersetzte Anträge. „Ich bin gut in Bürokratie“, sagt er lakonisch. Abends spielten sie russische oder mexikanische Kartenspiele. „Aber die Geschichten, die ich gehört habe, waren herzzerreißend. Viele wussten gar nicht, was ihnen rechtlich zustand. Sie wussten nicht einmal, ob sie überhaupt Rechte haben.“ Nach 104 Tagen wurde Khalil am 20. Juni auf Anordnung eines Bundesrichters freigelassen. Die versuchte Abschiebung aus außenpolitischen Gründen sei mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig, so das Urteil. Doch statt zur Ruhe zu kommen, sieht sich Khalil neuen Vorwürfen ausgesetzt: Er habe angeblich falsche Angaben bei seinem Green-Card-Antrag gemacht. Seine Anwälte bezeichnen das als „haltlos“ und „repressiv motiviert“. Eine Retourkutsche, weil er sich zur Wehr setzt. Die Zeit seit seiner Freilassung beschreibt Khalil als „gemischt“: Glück und Schmerz, Nähe zur Familie und Angst vor Überwachung. Er meidet große Menschenansammlungen, geht abends nicht mehr spazieren. Doch da ist auch die Erinnerung an Deens erstes Bad – ein Moment der zärtlichen Normalität. „Es war kein Vergnügen für ihn“, sagt Khalil und lächelt. Und doch denkt er nicht daran, seine Stimme leiser werden zu lassen. Gleich am Tag nach seiner Entlassung führte er einen Protestmarsch durch Manhattan an, gehüllt in eine palästinensische Flagge, flankiert von Sicherheitskräften. Die Zahlen aus Gaza lassen ihm keine Wahl: über 57.000 Tote, mehr als die Hälfte Frauen und Kinder – laut Gesundheitsministerium der Region. „Vielleicht hätten wir besser kommunizieren, mehr Brücken bauen können“, sagt Khalil. „Aber den Völkermord zu benennen – das ist eine moralische Pflicht. Das kann man nicht anders tun.“

Sein Kampf hat erst begonnen. Doch was auf dem Spiel steht, ist mehr als ein persönliches Schicksal. Es ist das Recht, aufzustehen. Das Recht, zu widersprechen. Und das Recht, als Mensch behandelt zu werden – selbst wenn man sich gegen die Macht stellt.




Ich fürchte, dass er mit einem konstruierten Gesetzesbruch wieder in den Knast geht.
Ihm die Greencard anerkannte und er deportiert wird.
Er ist der Stachel im Fleisch der MAGA.
Das wird leider nicht folgenlis für ihn bleiben.