Zwischen Bücherregal und Barrikade – Zwei Richter setzen der Willkür der Trump-Regierung Grenzen

VonRainer Hofmann

Juni 20, 2025

Washington – Es war ein Tag, an dem das Recht atmete. Während im Osten die altehrwürdigen Gebäude Harvards im Frühsommerlicht glänzten, ratterten im Westen schwer gepanzerte Fahrzeuge durch die Straßen von Los Angeles. Zwei Orte, zwei Geschichten – und doch verbunden durch die Frage: Wie viel Macht darf ein Präsident haben? In Cambridge, Massachusetts, schritt Richterin Allison Burroughs ein. Sie stoppte per einstweiliger Verfügung den Versuch der Trump-Regierung, Harvard die Aufnahme internationaler Studierender zu verbieten. Ein Schritt, der – so Burroughs – „irreparablen Schaden“ angerichtet hätte. Trumps Heimatschutzministerium hatte dem Ivy-League-Institut gedroht, seine Zulassung im Student and Exchange Visitor Program zu entziehen. Angeblich aus formalen Gründen. In Wahrheit aber war es eine Bestrafung – für Harvards offene Kritik an der Regierungslinie, für die Weigerung, sich dem politischen Druck in der Nahostfrage zu beugen, für das Festhalten an Meinungsfreiheit und internationaler Vielfalt. Die Richterin stellte klar: Harvard darf weiterhin ausländische Studierende aufnehmen, während die Gerichte den Fall prüfen.

Zur gleichen Stunde, 4.000 Kilometer entfernt, ließ Richter Charles Breyer in San Francisco keinen Zweifel daran, wie ernst er die Lage in Kalifornien nimmt. Während Bundesgericht und Berufungsgericht sich ein juristisches Tauziehen um Zuständigkeiten liefern, stellte Breyer nun eine Frage, die das Fundament des amerikanischen Rechtsstaats berührt: Verstößt Trumps Militäreinsatz in Los Angeles gegen den Posse Comitatus Act? Dieses Gesetz verbietet es den Streitkräften, polizeiliche Aufgaben auf amerikanischem Boden zu übernehmen – ein Schutzwall gegen militärische Machtdemonstrationen im Inland. Doch genau dieser Wall scheint zu bröckeln: Seit Tagen patrouillieren Nationalgardisten und Marines vor dem Wilshire Federal Building, stationiert auf direkte Anweisung Trumps, offiziell zur „Sicherung der Ordnung“ – faktisch zur Einschüchterung der „No Kings“-Demonstrationen. Richter Breyer forderte nun detaillierte Stellungnahmen beider Seiten. Seine Fragen sind klar: Wer darf überhaupt über den Einsatz entscheiden – er als Bezirksrichter oder das Berufungsgericht? Und noch wichtiger: Was bleibt vom Grundsatz der Gewaltenteilung, wenn ein Präsident sich selbst über das Gesetz erhebt?

Marines im Training für ihren Einsatz in Los Angeles
Marines im Training für ihren Einsatz in Los Angeles

In beiden Fällen – in Cambridge und in Los Angeles – geht es um mehr als nur Verfahren. Es geht um die Seele der amerikanischen Demokratie. Eine Universität, die sich gegen politische Erpressung wehrt. Ein Richter, der wissen will, ob Panzer auf den Straßen eines Bundesstaates noch mit der Verfassung vereinbar sind. Und eine Öffentlichkeit, die erkennt, wie brüchig die Grenze ist zwischen Sicherheit und Machtmissbrauch. An diesem Tag, so scheint es, hatten zwei Richter den Mut, sich ihr wieder zu nähern.

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