Zwei Urteile, zwei Realitäten – wie die US-Justiz am 4. Juni gegen Trumps Abschiebepolitik intervenierte

VonRainer Hofmann

Juni 4, 2025

Es war ein Tag, der in die Geschichte eingehen wird – nicht wegen eines Umsturzes, nicht wegen einer plötzlichen Wende, sondern wegen zweier Urteile, die das Versprechen der Verfassung gegen den Zynismus der Macht in Stellung brachten. Am 4. Juni 2025 griff die US-Justiz in zwei voneinander getrennten Verfahren ein, um das einzufordern, was unter Donald Trumps zweiter Amtszeit immer häufiger zur Ausnahme geworden ist: rechtsstaatliche Mindeststandards.

Der erste Fall betrifft einen Namen, der sich längst in das Gedächtnis einer geschockten Öffentlichkeit eingebrannt hat: Kilmar Abrego Garcia. Der Bauarbeiter aus Maryland war am 15. März 2025 unter Verweis auf den Alien Enemies Act nach El Salvador abgeschoben worden – entgegen einem richterlichen Abschiebestopp, trotz gültigem Schutzstatus, ohne rechtliches Gehör. Eingesperrt im berüchtigten Mega-Gefängnis CECOT, ohne Kontakt zur Außenwelt. Richterin Paula Xinis vom United States District Court in Maryland (Aktenzeichen 8:25-cv-00951-PX) hatte bereits am 4. April die Rückführung angeordnet. Doch geschehen war nichts – außer Schweigen.

Am 4. Juni jedoch entschied dieselbe Richterin in einem parallelen Antrag eines Journalistenkonsortiums: Die Regierung muss zentrale Dokumente des Falles veröffentlichen. Die Öffentlichkeit habe, so Xinis, ein „überragendes Interesse an der Kontrolle staatlicher Vollstreckung gegenüber einem Schutzberechtigten“. Sie wies die Berufung der Trump-Regierung zurück und ordnete die teilweise Entsiegelung von sieben Regierungsdokumenten an. In einer Demokratie, so die Botschaft, ist Schweigen keine Option – schon gar nicht, wenn es dazu dient, Unrecht zu verschleiern.

Der zweite Fall betrifft keinen Einzelnen, sondern eine Gruppe. Über 260 venezolanische Migranten waren im März 2025 mit einem Schlag aus US-Gefängnissen geholt und unter demselben Alien Enemies Act nach El Salvador verfrachtet worden – ohne Anhörung, ohne Anwalt, ohne Beweise für die behauptete Zugehörigkeit zur Gang „Tren de Aragua“. Nur ein Tweet des Präsidenten nannte sie „Terroristen“. Doch kein Verfahren hatte dies je festgestellt.

Nun urteilte James E. Boasberg, Richter am United States District Court for the District of Columbia (Aktenzeichen 1:25-cv-00766-JEB): Diese Deportationen waren rechtswidrig. Die Betroffenen müssen die Möglichkeit erhalten, ihre Abschiebung anzufechten, Beweise zu prüfen, gegen die Vorwürfe Stellung zu nehmen. Boasberg stellte fest, dass die Regierung gegen fundamentale Prinzipien der Verfassung verstoßen habe. Eine Woche bleibt der Trump-Administration nun, um darzulegen, wie sie den Verfassungsbruch korrigieren will.

Beide Fälle sind nicht identisch – und doch verbunden. Beide zeigen, wie tief die Aushöhlung des Rechts unter Trump reicht. Und beide erinnern daran, dass selbst ein Präsident, der sich anmaßt, über Menschenleben per Dekret zu entscheiden, sich der Justiz nicht vollständig entziehen kann. Es ist ein flackerndes Licht in dunkler Zeit – aber es brennt. Und vielleicht, so bleibt zu hoffen, wird aus einem Urteil mehr als nur eine Fußnote der Geschichte. Vielleicht wird es ein Anfang.

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