New York – Es war mehr als eine Wahl. Nach den Wahlsiegen der Demokraten heute in Virginia und New Jersey ist dieser Erfolg mehr als ein Aufbruch. Zohran Mamdani, 34 Jahre alt, Sohn ugandisch-indischer Einwanderer und Sohn der Stadt, wird der neue Bürgermeister von New York City – der jüngste seit über einem Jahrhundert, der erste muslimische und südasiatische in der Geschichte der Metropole. Er setzte sich klar und deutlich gegen zwei Schwergewichte durch: Curtis Sliwa, Republikaner und den früheren Gouverneur Andrew Cuomo, der den Namen einer politischen Dynastie trägt, aber die Verbindung zur Wirklichkeit längst verloren hatte.

Mamdani war Anfangs der Außenseiter, der sich mit einer simplen Idee durchsetzte: New York soll wieder lebbar werden – nicht nur für Reiche, sondern für jene, die die Stadt tragen. Seine Kampagne war keine Maschinerie aus Spenden und Beratern, sondern ein Aufstand aus der Nachbarschaft. 95.000 Freiwillige, drei Millionen Hausbesuche, eine Bewegung, die zwischen Bodega-Katzen und U-Bahn-Stationen wuchs. „Wir sagen nicht nur, was wir träumen – wir sagen, was wir tun werden“, rief er auf seiner Abschlusskundgebung in Queens. Die Menschen beendeten seine Sätze für ihn. Er versprach, die Mieten einzufrieren. Busse kostenlos und schnell zu machen. Kinderbetreuung für alle Familien. Er sprach in Englisch, Spanisch, Bangla, Urdu, Arabisch und Jiddisch – in den Sprachen der Stadt. Er badete im Atlantik, um seinen Plan für Mieterschutz zu veranschaulichen, sprach in Nachtclubs und Gebetshäusern, in Schulen und auf Konzerten. Mamdani war überall – und er war glaubwürdig.

Andrew Cuomo, der sich selbst als erfahrenen Pragmatiker inszenierte, versank in seiner eigenen Vergangenheit. Der Ex-Gouverneur, einst mächtigster Demokrat des Staates, trug die Skandale seiner Amtszeit wie ein bleiernes Erbe. Während Mamdani über Buslinien sprach, verteidigte Cuomo sich gegen alte Vorwürfe sexueller Belästigung. Seine Kampagne war teuer, zynisch, leer. Als er seinen Gegner „Mamdami“ nannte und ihm in einem Atemzug Islamismus, Naivität und Verrat vorwarf, wurde sichtbar, was ihn wirklich trieb: Angst vor dem Wandel.
Trump mischte sich ebenfalls ein. Er erklärte im Fernsehen, New York solle „den Kommunisten verhindern“ – und rief seine Anhänger auf, ausgerechnet Cuomo zu wählen. Es war das groteske Bild einer Allianz aus altem Machtapparat und einem Präsidenten, der der Stadt seit Jahren mit Hass begegnet. Mamdani blieb ruhig. Er antwortete nicht mit Wut, sondern mit Haltung: „Integrität ist kein Ersatz für Erfahrung – sie ist die Voraussetzung dafür.“

Diese Wahl war ein Spiegelbild Amerikas. Eine Stadt, die unter Trump zu einer Bühne für ideologische Experimente für Härte, Angst und Kontrolle geworden war, entscheidet sich für das Gegenteil: für Würde, Solidarität und die Rückkehr zur Idee, dass Politik Menschen dienen soll. Mamdani wird sich nun einer Aufgabe stellen müssen, die größer ist als jedes Versprechen: einer Stadt, die müde, zerrissen und ungeduldig ist. Er erbt ein Defizit von über zwölf Milliarden Dollar, einen gespaltenen Stadtrat und einen Präsidenten, der ihm schon mit Kürzungen droht. Doch hinter der finanziellen Realität steht eine moralische. Mamdani hat einen Satz geprägt, der diese Wahl überdauern wird: „Armut ist keine Naturgewalt. Sie ist eine Entscheidung.“ Damit hat er nicht nur New York herausgefordert, sondern das ganze Land.
In einer Stadt, in der Macht jahrzehntelang käuflich war, gewinnt nun einer, der mit offenen Händen statt mit geschlossenen Türen Politik macht. Zohran Mamdani ist kein Held, kein Heilsbringer – aber vielleicht das, was New York am dringendsten brauchte: einen Beweis, dass Mut wieder politisch ist.
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