Wie eine ultrarechte Verschwörungsagitatorin den US-Sicherheitsrat mitlenkt – Man kann nur noch den Kopf schütteln

VonRainer Hofmann

Mai 3, 2025

Es beginnt mit einer Personalie, endet aber in einer Erschütterung institutioneller Grundfesten: Mike Waltz, der nationale Sicherheitsberater von Präsident Donald Trump, wird entlassen. Kein Skandal. Keine öffentliche Abrechnung. Nur eine Mitteilung – und eine gleichzeitige Nominierung zum UN-Botschafter. Eine stille Degradierung, so sachlich wie ein Eintrag in einem Kalender. Was aber folgt, ist eine Geschichte über Machtkonzentration, ideologisches Ausmerzen und das unheilvolle Aufsteigen einer Frau, die noch vor wenigen Jahren als politische Randfigur galt: Laura Loomer.

In einem funktionierenden sicherheitspolitischen System würde eine solche Personalrochade Anlass zur Analyse geben – zur Debatte über Kompetenz, Strategie, außenpolitische Konzeption. Doch unter Trump 2.0 geht es längst nicht mehr um Fragen wie „Wer kann Sicherheit garantieren?“, sondern nur noch um „Wem hört der Präsident zu?“.

Und er hört zu – nicht nur seinem neuen Lieblingsdiplomaten Marco Rubio, einst Trumps Spottfigur „Little Marco“, der nun Außenminister und Sicherheitsberater zugleich ist, sondern auch der ultrarechten Aktivistin Laura Loomer, einer Frau, die von Tech-Konzernen gesperrt, von Bürgerrechtsgruppen überwacht und von weiten Teilen des politischen Establishments als gefährlich bezeichnet wurde. Heute ist sie Teil der Entscheidungsmaschinerie.

Loomers Einfluss ist kein Gerücht. Er ist dokumentiert.

Sie selbst erklärte, es sei ihr persönlicher Vorschlag gewesen, General Tim Haugh – den Chef der NSA – abzusetzen. Der Grund: Haugh soll mit Mark Milley, dem abtrünnigen General aus Trumps erster Amtszeit, in Verbindung gestanden haben. Milley hatte sich damals öffentlich gegen Trumps Drohung gestellt, das Militär gegen Demonstranten einzusetzen. Seither gilt er als Feind. Und wer sich mit einem Feind trifft, wird entfernt. Das Prinzip ist einfach. Die Umsetzung totalitär.

Wenige Wochen nach Haughs Entlassung meldete sich Loomer erneut: Sie habe Trump geraten, auch Waltz zu feuern. Es geschah. Und wieder gab es keine Widerrede aus dem Weißen Haus. Man kann das Zufall nennen. Oder man erkennt ein Muster.

Ein Muster, das sich durch fünf Zitate skizzieren lässt – jedes davon ein Schlag gegen demokratische Grundwerte.

1.
„Ich bin eine stolze Islamophobin. Ich glaube, der Islam ist ein Krebsgeschwür. Punkt.“
(X/Twitter, 2018)

2.
„Die Demokraten sind schlimmer als Nazis. Wenigstens waren die Nazis ehrlich über ihre Absichten.“
(YouTube, 2019)

3.
„Wir brauchen Internierungslager für illegale Einwanderer und Muslime. Sonst übernehmen sie unser Land.“
(Telegram, 2020 – archiviert von SPLC)

4.
„General Milley ist ein Deep State-Verräter. Jeder, der mit ihm arbeitet, ist eine Sicherheitsbedrohung.“
(X/Twitter, 2023)

5.
„Ich bin gekommen, um die GOP (Republikaner) zu säubern. Wer nicht an Trump glaubt, muss raus.“
(CPAC-Rede, 2024)

Es ist diese Rhetorik – extremistisch, ausgrenzend, antidemokratisch – die in einer liberalen Demokratie diskreditiert werden müsste. Stattdessen findet sie Eingang in Entscheidungsprozesse über Krieg und Frieden. Loomer, die einst an Moscheen Koran-Seiten verteilte, um provozieren zu dürfen, gibt heute indirekt Takt vor, welche Generäle das Vertrauen des Präsidenten genießen – und welche nicht.

Waltz war nicht radikal genug. Nicht formbar genug.

Er hatte sich für eine härtere Linie gegen Russland ausgesprochen, Putins Expansionsdrang offen kritisiert, die Ukraine-Politik mitgetragen. Er gehörte – wenn auch nicht konsequent – zum traditionellen Sicherheitsestablishment. Das allein reichte, um in Trumps Welt zum Risiko zu werden.

Rubio dagegen – der neue Doppelfunktionär – ist Symbol der Anpassung. Einst verspottet als „Little Marco“, hat er sich längst demütig eingefügt. Er reformierte das Außenministerium in Trumps Sinn, ließ Diversitätsinitiativen streichen und knüpfte diplomatische Gespräche an ideologische Bedingungen. Nun wird ihm auch noch die sicherheitspolitische Koordination übertragen – in einer Phase multipler internationaler Krisen.

Das Ergebnis ist ein Sicherheitsrat ohne Kohärenz, ohne Gegengewichte, ohne Struktur.

Die Informationskanäle, einst abgestützt durch professionelle Briefings, verlaufen heute in Gruppenchats, in Fox-News-Interviews, in direkten Gesprächen mit „Influencern“. Entscheidungen wirken spontan, strategielos, reaktiv. Trumps „America First“-Ideologie hat nicht nur die Inhalte seiner Außenpolitik verändert – sie hat auch deren Infrastruktur zerstört.

Das Vakuum, das dadurch entsteht, wird gefüllt. Nicht mit Fachleuten. Sondern mit Eiferern. Mit Stimmen wie Loomer, die laut genug schreien, um gehört zu werden. Und gefährlich genug sind, um alles andere zu übertönen.

Man kann nur noch den Kopf schütteln.

Nicht weil man überrascht wäre. Sondern weil man längst ohnmächtig zusieht, wie sich ein Sicherheitsstaat in eine Bühne ideologischer Säuberung verwandelt. General um General wird ersetzt. Kritik wird mit Loyalitätszweifel beantwortet. Und während die Welt auf eine amerikanische Außenpolitik hofft, die berechenbar ist, rational, diplomatisch – sitzt eine Verschwörungstheoretikerin im Vorzimmer der Macht und flüstert dem Präsidenten Namen zu.

Das ist kein Sturm auf die Institutionen mehr. Es ist ihre langsame Demontage. Von innen heraus. In aller Öffentlichkeit.

Und während sich in Washington die Türen weiter drehen und jeder neue Name absurder scheint als der vorige, fragt man sich unweigerlich: Wird als Nächstes Ernie aus der Sesamstraße zum Sicherheitsberater ernannt? Unter Trump scheint nichts mehr unmöglich – solange es nur durchgeknallt genug ist.

Was gegen Ernie spricht?
Er hat Charakter.

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