Am Abend des 23. Mai 2025, wenige Tage vor der feierlichen Abschlusszeremonie, wurde in einem schlichten Gerichtssaal in Boston Geschichte geschrieben. Die Bundesrichterin Allison D. Burroughs vom U.S. District Court for the District of Massachusetts erließ unter dem Aktenzeichen 1:25-cv-11304-ADB eine einstweilige Verfügung gegen das Heimatschutzministerium der Vereinigten Staaten. Sie untersagte der Trump-Regierung mit sofortiger Wirkung, Harvard University die Einschreibung internationaler Studierender zu verwehren.
Die Begründung: verfassungswidrige Vergeltung. Der Angriff auf Harvard
Nur Stunden zuvor hatte Harvard in derselben Stadt Klage eingereicht – eine 61-seitige Klageschrift voller juristischer Wucht und politischer Klarheit. Sie liest sich wie ein Notruf aus dem Herzen der akademischen Welt:
„Mit einem Federstrich versucht die Regierung, ein Viertel der Harvard-Studierendenschaft auszulöschen – internationale Studierende, die wesentlich zur Universität und ihrer Mission beitragen“, heißt es darin. „Ohne internationale Studierende ist Harvard nicht Harvard.“
Mehr als 7.000 Visa-Inhaber wären betroffen gewesen, insbesondere an den Graduiertenschulen wie der Kennedy School, wo fast die Hälfte der Studierenden aus dem Ausland stammt, oder an der Business School, die zu einem Drittel international besetzt ist.
Der Schritt der Trump-Regierung – verkündet am 22. Mai – traf die Universität hart: Er untersagte nicht nur die Einschreibung neuer internationaler Studierender für das Sommer- und Herbstsemester, sondern zwang auch aktuell eingeschriebene Master- und PhD-Studierende, ihr Visum zu riskieren oder die Universität zu verlassen. Forschungsprojekte, Sportmannschaften, Seminare und ganze Labore wären kollabiert.
Innenministerin Kristi Noem begründete den Entzug der SEVP-Zertifizierung mit schwerwiegenden Vorwürfen. Harvard dulde eine „anti-amerikanische, pro-terroristische Agitation“, habe es zugelassen, dass „jüdische Studierende von ausländischen Extremisten attackiert“ würden, und kooperiere mit der Kommunistischen Partei Chinas. In einem besonders drastischen Passus wird Harvard vorgeworfen, „Mitglieder einer chinesischen paramilitärischen Organisation“ im Jahr 2024 ausgebildet zu haben.
Ein Vorwurf, den Harvard bislang nicht kommentiert hat – mit Verweis auf eine spätere offizielle Stellungnahme. Man habe, so das Statement des Universitätspräsidenten Alan Garber, in den letzten 18 Monaten interne Reformen zur Bekämpfung von Antisemitismus eingeleitet – man werde aber nicht „die rechtlich geschützten Grundprinzipien der Universität aus Angst vor staatlicher Repression opfern“.
„Die Trump-Regierung hat die Campuslandschaft in ein Schlachtfeld verwandelt – Harvard soll der Präzedenzfall sein“, sagte ein anonym bleibender Verfassungsrechtler aus Boston. „Doch dieser Versuch, die First Amendment Rights zu untergraben, ist spektakulär gescheitert.“
Eine Verfügung gegen die Angst
Richterin Burroughs machte in ihrer Anordnung unmissverständlich deutlich: Der Entzug der Zulassung entbehre einer rationalen Grundlage. Die Regierung habe gegen ihre eigenen Regularien verstoßen, insbesondere gegen die Verpflichtung, der betroffenen Institution Gelegenheit zur Anhörung zu geben. Stattdessen seien pauschale Anschuldigungen erhoben worden – ohne Beweise, ohne Verfahren.
Burroughs folgte der Argumentation Harvards, wonach der Schritt des DHS eine politisch motivierte Bestrafung sei – für die Weigerung, studentische Disziplinarakten offenzulegen, Videoaufnahmen von Protesten zu übergeben oder das akademische Programm ideologisch zu „säubern“.
„Die Klage wirft der Regierung vor, einen Präzedenzfall zu schaffen, in dem die Einschreibung ausländischer Studierender zu einem Druckmittel wird, um ideologische Unterwerfung zu erzwingen“, heißt es in der richterlichen Verfügung.
Die Maßnahme, so Harvard, würde die Universität für mindestens zwei Jahre aus dem globalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe katapultieren – da nach dem Entzug der SEVP-Zulassung eine einjährige Sperre für Neuanträge besteht.
Der Fall hat weltweite Wellen geschlagen. Botschaften mehrerer Länder boten ihren Studierenden Hilfe an. In Peking, Brüssel und Wellington riefen betroffene Familien bei Konsulaten an, während Studierende in Cambridge sich gegenseitig mit Informationen, Hoffnung und juristischem Beistand versorgten. Besonders betroffen: jene, die kurz vor der Einreise standen – junge Menschen, die ihre Aufnahmebescheide wie eine Eintrittskarte in eine bessere Zukunft gefeiert hatten.
„Ich hatte ein Zimmer gemietet, meinen Flug gebucht – jetzt weiß ich nicht einmal, ob ich überhaupt einreisen darf“, sagte ein Soziologie-Erstsemester aus Neuseeland.
Was bleibt, ist ein Signal – in zwei Richtungen.
An die Regierung: Die Verfassung schützt nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch jene, die lehren und forschen. Wer Bildung zur Waffe macht, wird auf den Widerstand der Institutionen treffen.
An die Welt: Eine Universität wie Harvard ist mehr als ihr Standort, mehr als ihr Name. Sie ist eine Idee – eine Idee, die sich nicht einfach auslöschen lässt.
Die einstweilige Verfügung schützt Harvard nur vorerst. Das Verfahren ist nicht abgeschlossen. Aber in den Worten von Präsident Garber liegt bereits die Moral dieses Kampfes:
„Sie sind unsere Kommilitonen und Freunde, unsere Kollegen und Mentoren. Dank Ihnen wissen wir mehr, verstehen wir tiefer – und sind als Gesellschaft menschlicher.“
Wenn das Recht auf Bildung zum Prüfstein für Demokratie wird, ist es gut, wenn Gerichte wie das in Boston einen klaren Satz sprechen: Nicht in unserem Namen.