Wie der US-Angriff auf Iran den Nahen Osten in einen Flächenbrand treibt

VonRainer Hofmann

Juni 23, 2025

Teheran / Tel Aviv / Washington – Mit gezielten Luftschlägen auf drei militärische Ziele in Iran hat sich das US-Militär am Sonntagabend unmittelbar in den Krieg zwischen Israel und der Islamischen Republik eingeschaltet – eine Eskalation, die weltweit Alarm auslöst. Zum ersten Mal seit Beginn des Konflikts nimmt die Supermacht nicht nur diplomatisch, sondern direkt militärisch an einer Offensive gegen Iran teil – mit dem erklärten Ziel, das Atomprogramm des Landes zu zerschlagen und einen geopolitischen Gegner massiv zu schwächen. Während Washington von einem notwendigen Präventivschlag spricht, warnt die Internationale Atomenergiebehörde vor „irreparablen Schäden“ am globalen Abrüstungsregime. Die Lage spitzt sich dramatisch zu. Nach mehr als einer Woche israelischer Luftangriffe auf iranische Militäranlagen, Raketenstellungen und Luftabwehrsysteme haben US-Bomber am Sonntag erstmals selbst zugegriffen – laut Pentagon mit bunkerbrechenden Bomben auf die Uran-Anreicherungsanlage von Fordo, sowie zwei weitere Ziele im Zentrum Irans. Augenzeugen berichten von heftigen Explosionen rund um Teheran, die iranische Führung spricht von einer „massiven, völkerrechtswidrigen Aggression“ – und kündigt Vergeltung an. Der Angriff, so US-Präsident Donald Trump, sei notwendig gewesen, um Iran „die Fähigkeit zur Herstellung einer Atombombe zu nehmen“. In einem aufsehenerregenden Interview sagte Trumps Sprecherin Karoline Leavitt am Montagmorgen gegenüber ABC News: „Iran war eine akute Bedrohung – und Präsident Trump ist der Erste, der den Mut hatte, etwas dagegen zu unternehmen.“ Die US-Regierung sei sich „sehr sicher“, dass in den angegriffenen Anlagen angereichertes Uran gelagert war. Gleichzeitig deutete Trump erneut an, ein „Regimewechsel“ in Teheran sei nicht ausgeschlossen.

Auch Israel intensivierte seine Angriffe: Die israelische Armee bestätigte am Montag gezielte Luftschläge auf Zugangswege zur Atomanlage Fordo. Weitere Angriffe trafen Regierungsziele in der Hauptstadt Teheran, darunter das gefürchtete Evin-Gefängnis, das Hauptquartier der Revolutionsgarden sowie Einrichtungen der paramilitärischen Basij-Miliz. Iranische Staatsmedien zeigten Aufnahmen der zerstörten Eingangstore von Evin, das unter anderem westliche Doppelstaatler und politische Gefangene beherbergt. Die iranische Justiz erklärte, man habe die Kontrolle über das Gefängnis behalten, obwohl Teile der Anlage beschädigt wurden. Die Antwort aus Teheran folgte noch am selben Tag. Unter dem Codenamen „True Promise 3“ beschoss Iran am Montag erneut israelisches Territorium – nach eigenen Angaben wurden Ziele in Haifa und Tel Aviv angegriffen. In Wien sprach Reza Najafi, Irans Botschafter bei der Internationalen Atomenergiebehörde, von einem „fundamentalen Schlag gegen den Atomwaffensperrvertrag“ und kündigte „notwendige, entschlossene und verhältnismäßige“ Reaktionen an. „Solange die Quelle der Bedrohung besteht“, sagte Najafi, „werden wir unser Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen – zum Zeitpunkt, Ort und in der Form unserer Wahl.“ Auch die internationale Diplomatie gerät ins Wanken. In Katar, wo sich mit dem US-Stützpunkt Al Udeid das strategische Zentrum des CENTCOM befindet, rief die US-Botschaft am Montag alle US-Bürger dazu auf, „bis auf Weiteres Schutz in Gebäuden zu suchen“. Das Emirat erklärte zwar, die Lage sei „stabil“, doch hinter den Kulissen brodelt es: Iran hatte in der Vergangenheit mehrfach mit Angriffen auf Al Udeid gedroht – bisher jedoch nicht im Zuge der aktuellen Eskalation. Nach bestätigten Informationen wurden alle US-Botschaften weltweit angewiesen, ihre Sicherheitslage neu zu bewerten und bis Sonntagabend Berichte an das Außenministerium zu senden.

Unterdessen meldete sich auch Russland zu Wort – mit scharfer Kritik an Washington. Wladimir Putin empfing am Montag den iranischen Außenminister Abbas Araghchi im Kreml und nannte die US-Angriffe eine „absolut unprovozierte Aggression“. Die russische Regierung sprach von einem „eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht, die UN-Charta und Resolutionen des Sicherheitsrats“. Putin bekräftigte, dass Russland an der Seite Irans stehe: „Wir unterstützen das iranische Volk und seine legitime Verteidigung.“ Araghchi bedankte sich für die „klare Haltung“ Moskaus und erinnerte daran, dass Russland stets Partner im zivilen Atomprogramm Irans gewesen sei, etwa beim Bau des Reaktors in Buschehr. Während Israel offen von der Zerschlagung des iranischen Atomprogramms spricht, bleibt das eigene Arsenal unangetastet – geschützt durch strategisches Schweigen. Israel gehört zu den wenigen Staaten, die dem Atomwaffensperrvertrag nie beigetreten sind, duldet aber zugleich keine nukleare Konkurrenz in der Region. Expert:innen sehen darin ein gefährliches doppeltes Spiel: „Diese nukleare Asymmetrie droht, die gesamte Region in ein nukleares Wettrüsten zu stürzen“, warnte ein westlicher Diplomat am Rande des IAEA-Treffens in Wien. Auch Algerien meldete sich zu Wort – als enger Partner Irans in Nordafrika und gleichzeitig als Gaslieferant mit strategischem Interesse an der Straße von Hormus. Das algerische Außenministerium verurteilte die US-Angriffe scharf und sprach von einer „beispiellosen Eskalation“, die die Region in „unkalkulierbare Gefahr“ bringe. Man rufe zu sofortiger Rückkehr an den Verhandlungstisch auf – militärische Lösungen hätten im Nahen Osten noch nie funktioniert. Während Trumps Regierung von einem „Sieg gegen die iranische Bedrohung“ spricht, wächst international die Sorge, dass dieser Moment nicht das Ende, sondern der Beginn eines viel größeren Krieges ist. Ein Krieg, der nicht nur Raketen auf Städte, sondern Stabilität aus der Region vertreibt. Was mit gezielten Schlägen gegen Fordo begann, könnte sich schon bald als historische Zäsur erweisen – und als ein Wendepunkt, an dem die Welt erneut die Kontrolle verlor.

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