Verlorenes Willkommen – Wie Amerika sich selbst vom Tourismus abschneidet

VonRainer Hofmann

Juli 8, 2025

Amerika war einmal ein Sehnsuchtsziel. Ein Land, in dem die Straßen endlos, die Burger fett und die Versprechen groß waren. Heute meidet man es lieber. Während sich der globale Tourismus in Rekordzahlen erholt und Europa, Asien und selbst Afrika wachsende Besucherströme verzeichnen, ist ausgerechnet die einstige Ikone der Fernreise zur umschifften Zone geworden. Laut einer aktuellen Analyse des World Travel & Tourism Council ist die USA das einzige Land weltweit, in dem 2025 ein Rückgang der internationalen Besucherausgaben verzeichnet wird. Bis zu 29 Milliarden Dollar an erwarteten Einnahmen gehen verloren – nicht wegen eines Vulkanausbruchs, nicht wegen einer Pandemie, sondern wegen Politik. Eigentlich war für dieses Jahr ein Wachstum von neun Prozent prognostiziert worden – ein Einnahmeplus von über 16 Milliarden Dollar. Stattdessen verzeichnet die Tourismuswirtschaft nun einen Rückgang von 8,2 Prozent. Was als Sprung gedacht war, ist zur Bruchlandung geworden. Und der Grund liegt offen zutage: Donald Trump. Mit Strafzöllen, Reiseverboten, martialischer Rhetorik und einer Einwanderungspolitik, die mehr an Abschreckung als an Gastfreundschaft erinnert, hat die Regierung ein Klima geschaffen, das alles andere als einladend wirkt. „Während andere Länder die Gäste empfangen, hängt Amerika ein ‚Geschlossen‘-Schild auf“, sagt Julia Simpson vom WTTC – und trifft den Kern.

Besonders spürbar ist das bei Kanadiern. 2024 machten sie ein Viertel aller internationalen Besucher aus und gaben über 20 Milliarden Dollar in den USA aus – fast doppelt so viel wie alle Amerikaner bei McDonald’s. Doch seit Monaten brechen ihre Einreisen ein. Im Mai sank die Zahl der kanadischen Besucher um 38 Prozent bei der Einreise mit dem Auto und um 24 Prozent im Luftverkehr. Ein Trend, der sich durch das ganze Jahr zieht – und von Hoteliers bereits als bewusste touristische Umgehung verstanden wird. „Sie fliegen nicht weniger – sie fliegen einfach an uns vorbei“, so der CEO von Hyatt. Gleichzeitig wächst die Unsicherheit bei US-Bürgern, die selbst ins Ausland reisen. Laut einer Umfrage befürchten über 70 Prozent, im Jahr 2025 international negativer wahrgenommen zu werden – wegen Trump. Hinzu kommt ein neuer Reflex: Angst vor der Rückkehr. Immer mehr Amerikaner berichten von verschärften Grenzkontrollen, Durchsuchungen, Befragungen, teils stundenlangen Einreiseverzögerungen. Besonders wer sich kritisch gegenüber Trump äußert – öffentlich oder auf Social Media – gerät ins Visier. Menschrechtsorganisationen oder auch wir dokumentieren regelmäßig Fälle, in denen Bürgerinnen und Bürger bei der Rückkehr in die USA ihre Telefone und Laptops abgeben mussten. Manchmal für Wochen, ohne konkreten Vorwurf. Touristen aus aller Welt werden teils schikaniert und explezit gefragt ob sie Donald Trump mögen. In Chicago wurde der türkisch-amerikanische Kommentator Hasan Piker über Stunden festgehalten – unter anderem mit der Frage, ob auch er Trump möge. Ein Berater aus Kalifornien, der aus dem Urlaub zurückkehrte, wurde 45 Minuten lang in einen Raum gesetzt – ohne Begründung. Er spekulierte, es könne am „Obama-Biden“-T-Shirt in seinem Koffer gelegen haben. Ein weiterer Fall betraff einen Touristen aus Italien, der einfach nur farbenfroh angezogen war und 9 Stunden bei der immigration dafür verbringen konnte, einem Tourist aus England wurde grundlos unterstellt, er würde einer Arbeit in den USA nachgehen.

Dass diese Zustände nicht nur Menschen abschrecken, sondern auch Geld kosten, scheint die Regierung wenig zu kümmern. Statt gegenzusteuern, kürzte der von Senator Ted Cruz geleitete Ausschuss das Budget von Brand USA, der offiziellen Tourismusförderung der Vereinigten Staaten, von 100 auf 20 Millionen Dollar. Dabei bringt laut Berechnungen der U.S. Travel Association jeder investierte Dollar ein Vielfaches an volkswirtschaftlichem Gewinn. Die Kürzung sei, so der Verband, ein direkter Schlag gegen den gesamten Sektor. Wer sich dennoch entscheidet, in die Vereinigten Staaten zu reisen, tut gut daran, sich den Einreiseort mit Bedacht auszusuchen. Flughäfen wie Chicago O’Hare, Atlanta oder Washington Dulles sind bekannt für besonders strenge, teils willkürliche Kontrollen. Wer Diskretion sucht, sollte auf kleinere Airports ausweichen – oder gleich von Kanada aus über sogenannte Pre-Clearance-Gates einreisen, um sich den schlimmsten Exzessen zu entziehen. Was bleibt, ist ein Land, das sich selbst im Weg steht. Eine Regierung, die glaubt, Abschottung mache stark, und dabei nicht merkt, wie die Welt weiterzieht. Und ein Image, das schwer beschädigt ist. Wer Besucher vertreibt, verliert nicht nur Tourismus – sondern Vertrauen, Einfluss, kulturellen Austausch. Es wird Jahre dauern, das wiederherzustellen. Wenn es überhaupt gelingt.

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Lea
Lea
5 Monate zuvor

👎Was bin ich froh, keine Veranlassung zu haben, in die USA reisen zu müssen/wollen!

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